Therapie gegen die Angst bei Rückenschmerzen

Chronische Schmerzen, z. B. Rückenschmerzen, sind insbesondere nach durchlebten negativen Erfahrungen bei vielen Patienten angstbesetzt. In dem Maße wie die Ängste größer werden, nimmt die Aktivität der Betroffenen noch zusätzlich ab. Ziel der Angsttherapie ist es daher, das Vertrauen in den eigenen Rücken wieder aufzubauen.

Wie eine "Schonhaltung" des Rückens zur Gefahr werden kann

Chronische Schmerzen, z. B. Rückenschmerzen, sind insbesondere nach durchlebten negativen Erfahrungen bei vielen Patienten angstbesetzt. In dem Maße wie die Ängste größer werden, nimmt die Aktivität der Betroffenen noch zusätzlich ab. Ziel der Angsttherapie ist es daher, das Vertrauen in den eigenen Rücken wieder aufzubauen, die Schmerzen zu akzeptieren und dennoch wieder aktiv am Leben teilhaben zu können.

Während akute Schmerzen eine Warnfunktion haben und auf eine Verletzung oder Entzündung hinweisen, sind chronische Schmerzen von solchen Ursache-Wirk-Geflechten entkoppelt. Bei ihnen entsteht der Schmerz ohne ersichtliche Quelle. Psychosoziale Risikofaktoren, welche eine solche Chronifizierung von Schmerzen fördern, sind u. a. andauernde Stressbelastungen, Depressionen sowie eine schmerzbezogenen Kognition, wie z. B. das Katastrophisieren von Schmerzen.

Für Chroniker ist es indes schwer zu akzeptieren, dass die Schmerzen "keine ersichtliche Ursache" haben sollen. Er/Sie reagiert dann in der Erwartung, dass etwas passiert sein muss, das diese Schmerzen ausgelöst hat, bzw. etwas passieren wird, um wieder die Schmerzen zu verursachen. Im Falle der Patienten mit chronischen Rückenschmerzen ist dann oft zu hören: "Bestimmt springt da etwas in meiner Wirbelsäule oder die Wirbel brechen durch, wenn ich jetzt dieses oder jenes tue." In der Konsequenz wird eine dauerhafte Schonhaltung eingenommen oder es kommt zu sehr bewusst durchgeführten vermeintlich "rückenschonenden" Ausgleichsbewegungen, die als "Guarded movement" bezeichnet werden.

Der Teufelskreis aus Angst und Vermeidung

Die Patienten sind mit ihrer Angst oftmals in einem Teufelskreis gefangen. Ein Auslöser, z. B. das Heben einer schweren Kiste, führt zu einer intensiven Schmerzerfahrung (z. B. Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall). Anschließend kommt es zu einem Katastrophisieren des Schmerzes, z. B. so, als würde der Rücken brechen. Daraus entwickelt sich die schmerzbezogene Angst, sodass immer, wenn Rückenschmerzen auftreten, unweigerlich daran gedacht wird, wieder könnte es zu einem Schaden an der Wirbelsäule gekommen sein. Um sich zu schützen, wird der Patient schließlich keine Kisten mehr heben, seien sie auch noch so leicht. Dies führt zu Einschränkungen im Alltag, da Einkäufe oder größere Aufräumaktionen zuhause nicht mehr unternommen werden können. Die immer weiter fortschreitende mangelnde Teilhabe am Leben und der Verzicht auf liebgewonnene Freizeitaktivitäten, wie z. B. einen Einkaufsbummel, führen zu Depressionen und zusätzlichen körperlichen Einschränkungen.

Die Psychotherapie der schmerzbezogenen Angst muss an den Schmerzerfahrungen ansetzen und die daraus resultierenden Folgen, wie Katastrophisieren, Vermeidung und Inaktivität korrigieren. Im Idealfall wird dann das Schmerzereignis keine weitere Angst schüren, der Patient sich mit dem Schmerz auseinandersetzen und dadurch eine Verbesserung seiner Lebensqualität erfahren.

Bausteine der Psychotherapie bei Schmerzen und Angst

Am Anfang jeder Behandlung sollte die Schmerzedukation im multidisziplinären Team (Arzt, Psychologe, Physiotherapeut) stehen. Hier lernt der Patient anhand einer geeigneten Informationsvermittlung seinen Schmerz kennen. Dies kann Widerstände reduzieren und sorgt im besten Fall für eine größere Therapietreue.

Zum Festlegen des Therapieziels hat es sich bei chronischen Schmerzpatienten bewährt, als Ziel die "Funktionsverbesserung trotz Schmerzen" anstelle der "Schmerzreduktion" zu benennen. Dies hat den Hintergrund, dass der Patient spätestens beim nächsten Schmerzereignis sonst die Motivation verliert, da das Ziel der Schmerzreduktion für ihn nicht erreichbar scheint.

Nach dem Erstellen einer Angsthierarchie – also, welche Belastung wird vom Patienten mit einem tolerablen, mittleren oder hohen Risiko für den Rücken assoziiert – geht es bei Eignung des Patienten in das Verhaltensexperiment, die sogenannte Exposition. Darin muss sich der Schmerzpatient mit seiner Angst auseinandersetzen, anfangs noch mit niedriger Position in seiner/ihrer persönlichen Angsthierarchie. Der Therapeut wird die entsprechende Aktivität (z. B. Anheben einer Bierkiste) einmal vormachen und anschließend den Patienten dazu ermuntern, es ebenfalls zu versuchen. Der Versuch gilt als erfolgreich, wenn sich die emotionale Belastung des Patienten verringert, die Gültigkeit des früher mit dieser Bewegung assoziierten katastrophisierenden Gedankens überprüft ist und auch kein auffälliges Vermeidungsverhalten mehr auftritt. Alles erfolgt weiterhin in enger Zusammenarbeit mit Arzt und Physiotherapeut, die dem Patienten von körperlicher Seite ihre Einschätzung geben können.

Quelle:

  1. WS15 "Behandlung schmerzbezogener Angst bei Rücken- und Kopfschmerzen", Deutscher Schmerzkongress 2017, Mannheim.