Wer eine Krebsdiagnose erhält, will möglichst rasch behandelt werden. Zumeist gehört eine Operation dazu. Doch wegen der Corona-Pandemie kann die sich verzögern - das ist auch in Thüringen zu merken.
Die anspannte Situation in den Krankenhäusern wegen der kritischen Corona-Lage hat nach Einschätzung der Thüringischen Krebsgesellschaft bereits Konsequenzen für Tumorpatient:innen. Diese müssten teilweise länger auf Krebsoperationen warten, weil Pflegepersonal auch von chirurgischen Stationen die Intensivstationen verstärke oder für die Überwachung von Krebspatient:innen benötigte Intensivbetten nicht verfügbar seien. Das sagte der Vorsitzende der Gesellschaft, Andreas Hochhaus. "Die Aussage ist ganz klar, das Krebsoperationen verschoben werden müssen."
Für Tumorpatient:innen, die wegen ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung ohnehin in Ängsten schwebten, sei dies eine schwer erträgliche Situation. "Die Unsicherheit ist groß", sagte der Mediziner, der am Universitätsklinikum Jena die Klinik für Hämatologie und Onkologie leitet. Der Beratungsbedarf bei Erkrankten habe stark zugenommen. In Thüringen sind derzeit knapp 30 Prozent der verfügbaren rund 650 Intensivbetten mit COVID-19-Kranken belegt, wie aus dem Bettenregister der deutschen Notfallmedizin hervorgeht.
Ein weiteres Problem sieht Hochhaus darin, dass Krebsdiagnosen seit Pandemiebeginn oft verspätet gestellt werden. Der Grund aus seiner Sicht: Patient:innen gingen oftmals trotz Schmerzen oder anderer möglicher Krebssymptome nicht in ärztliche Behandlung, weil sie sich dort vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus fürchteten. "Wir beobachten, dass Tumore oft in einem späteren Stadium als vor der Pandemie operiert werden." Durchschnittlich 15.000 Menschen erhalten in Thüringen jährlich die Diagnose Krebs.
Ambulante Behandlungen wie Chemotherapien laufen Hochhaus zufolge etwa an der Krebs-Tagesklinik in Jena bislang normal weiter. "Sogar mit mehr Patienten, weil stationäre Behandlungen ins Ambulante verlagert werden." Die Patient:innen würden standardmäßig getestet, um Corona-Ansteckungen zu vermeiden. Die allermeisten seien auch gegen COVID-19 geimpft. Problematisch seien bestimmte, mit sogenannten Immuntherapien behandelte Krebserkrankungen, bei denen der Körper trotz Impfung nicht ausreichend Antikörper gegen das Virus bilde. Hochhaus appellierte dringend an die Angehörigen Tumorkranker, sich zu deren Schutz gegen COVID-19 impfen zu lassen.