Umcodierte Immunzellen reduzieren Nebenwirkungen bei Stammzelltherapie

Werden Immunzellen nur minimal verändert, könnten sie die Immunantwort spürbar verändern. Dieses Wissen will ein Forschungsteam der Universität Würzburg unter anderem in der Stammzelltherapie nutzen.

Kleine Veränderungen mit großer Wirkung

Werden Immunzellen nur minimal verändert, könnten sie die Immunantwort spürbar verändern. Dieses Wissen wollen WissenschaftlerInnen der Universität Würzburg unter anderem in der Stammzelltherapie nutzen.

T-Zellen spielen im menschlichen Immunsystem eine wichtige Rolle. Sie können krankes oder fremdes Gewebe mit großer Exaktheit von gesundem und eigenem Gewebe unterscheiden und notwendige Maßnahmen vorantreiben, durch die der Körper von kranken Zellen befreit wird. Alle Schritte der Immunabwehr sind noch längst nicht bis ins Letzte verstanden.

Nun haben WissenschaftlerInnen der Universitäten in Würzburg und Mainz neue Einzelheiten dieser Vorgänge entschlüsselt. Winzige Punktmutationen in einem Gen können die T-Zellen so verändern, dass sie einen Teil ihrer Aggressivität verlieren. Bei einer Stammzelltransplantation könnten solche T-Zellen mitübertragen werden, um verschiedene Nebenwirkungen zu bekämpfen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Journal of Experimental Medicine veröffentlicht. Verantwortlich für die Studie ist Dr. Friederike Berberich-Siebelt, Leiterin der Forschungsgruppe "Molekulare und zelluläre Immunologie" am Institut für Pathologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Proteinfamilie mit vielen Aufgaben

T-Zellen nehmen fremdes oder verändertes Gewebe – etwa bei einer Infektion oder einem Tumor – über Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche wahr. Diese T-Zell-Rezeptoren senden Signale in das Zellinnere und veranlassen eine Immunantwort. Zuerst aktivieren sie eine spezielle Familie von Transkriptionsfaktoren (NFAT - nuclear factor of activated T-cells). Die NFAT binden sich im Zellkern an die DNA und leiten die Bildung von Zytokinen wie Interleukin-2 ein.

NFAT setzt sich aus vielen Familienmitgliedern zusammen, die sowohl überlappende als auch ganz unterschiedliche Funktionen haben. Außerdem können sie wie viele andere Proteine in der Zelle nach ihrer Synthese modifiziert werden, was ihre Funktion individuell anpasst. In der Studie geht es speziell um eine Modifikation des "Familienmitglieds" NFATc1, auch als Sumoylierung bezeichnet.

Punktmutationen bringen Vorteil

"Die Sumoylierung spielt in verschiedenen zellulären Prozessen eine Rolle, beispielsweise beim Kerntransport, beim geplanten Zelltod oder als antiviraler Mechanismus", erklärt Friederike Berberich-Siebelt. Bei verschiedenen Krankheiten wie etwa Krebs und Infektionen mit Herpesviren ist zudem eine fehlerhafte Sumoylierung beobachtet worden.

Bei den Versuchstieren verhinderten zwei eigentlich unbedeutende Punktmutationen im NFATc1-Gen die Sumoylierung. Das sei kein Schaden: "Die Nachkommen dieser Tiere sind vollkommen gesund. Es ist sogar so, dass das veränderte NFATc1 spezielle Signale vermittelt, die zumindest im Tiermodell die klinischen Symptome der Multiplen Sklerose reduzieren", erklärt Berberich-Siebelt. Und wenn T-Zellen, die diese Veränderungen tragen, bei einer Stammzelltransplantation zum Einsatz kämen, seien diese T-Zellen wesentlich weniger aggressiv gegen die Gewebe der Empfängertiere als "normale" Zellen.

Heftige Nebenwirkungen könnten verhindert werden

Molekularbiologisch sei dieser Effekt auf ein Mehr an Interleukin-2 zu Beginn der Immunreaktion zurückzuführen. "Interleukin-2 wirkt der Differenzierung zu entzündlichen T-Zellsubtypen entgegen und unterstützt gleichzeitig sogenannte regulatorische T-Zellen", so die AutorInnen der Studie. Die Entdeckung könnte auch Auswirkungen auf Stammzelltransplantationen haben, bei denen auch T-Zellen übertragen werden. Wenn dabei T-Zellen zum Einsatz kommen, bei denen NFATc1 nicht sumoyliert wird, könnte dies heftige Nebenwirkungen eventuell verhindern – dann wäre die Punktmutation "eine kleine Modifikation mit großer Wirkung", wie Berberich-Siebelt sagt.

Für noch tiefere Einblicke wollen Berberich-Siebelt und ihr Team weiter an den Möglichkeiten einer therapeutischen Umsetzung forschen im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Sonderforschungsbereichs/Transregio "Steuerung der Transplantat-gegen-Wirt- und Transplantat-gegen-Leukämie-Immunreaktionen nach allogener Stammzelltransplantation". "Wir wollen ausloten, ob man die Genschere CRISPR/Cas9 an humanen T-Zellen ansetzen kann, damit sie während einer hämatopoietischen Stammzelltransplantation gerade das richtige Maß an Aktivität zeigen", sagt die Wissenschaftlerin.

Aber auch unabhängig von diesen möglichen Konsequenzen für einen therapeutischen Einsatz sind die neuen Erkenntnisse bedeutsam. "Für uns ist es grundsätzlich interessant, die Feinregulation in Zellen zu verstehen, wie in diesem Fall die T-Zellrezeptor-Signalgebung und die Funktion der NFAT-Familienmitglieder und ihrer Isoformen", sagt Berberich-Siebelt. So hätten die WissenschaftlerInnen in diesem Fall kein Gen ausschalten oder im Übermaß aktivieren müssen. Stattdessen reichten zwei eigentlich harmlose Punktmutationen und nur subtile direkte Auswirkungen aus, um am Ende den Schalter von Entzündung, Autoimmunität und Abstoßung auf Toleranz umlegen zu können.

Quelle:
Lack of NFATc1 SUMOylation prevents autoimmunity and alloreactivity. Yin Xiao, Musga Qureischi, Lena Dietz, Martin Vaeth, Subrahmanya D. Vallabhapurapu, Stefan Klein-Hessling, Matthias Klein, Chunguang Liang, Anika König, Edgar Serfling, Anja Mottok, Tobias Bopp, Andreas Rosenwald, Mathias Buttmann, Ingolf Berberich, Andreas Beilhack, Friederike Berberich-Siebelt. Journal of Experimental Medicine. DOI: 10.1084/jem.20181853