Verändertes Mikrobiom durch Stress als Auslöser von Autoimmunkrankheiten

Eine aktuelle Studie zeigt, dass anhaltende soziale Anspannung Darmbakterien und Mikroorganismen so verändern kann, dass Reaktionen im Immunsystem ausgelöst werden können.

Können Darmbakterien die Verbindung zwischen Stress und Autoimmunkrankheiten erklären?

Eine aktuelle Studie an Mäusen zeigt, dass anhaltende soziale Anspannung Darmbakterien und Mikroorganismen so verändern kann, dass Reaktionen im Immunsystem ausgelöst werden.

Forscher der Bar Ilan University in Israel haben entdeckt, dass Darmbakterien in Mäusen auf sozialen Stress reagieren, indem die Anzahl der T-Helferzellen gesteigert wird. Diese Immunzellen spielen eine wichtige Rolle im Bereich Autoimmunität.

"Wir wissen, dass ein reger Austausch zwischen dem Autoimmunsystem und Mikrobiata besteht", sagt die Immunologistin Dr. Orly Avni, eine Autorin der Studie. Avni und ihr Team fanden heraus, dass andauernder sozialer Stress nicht nur die Genexpression in den Darmbakterien der Mäuse veränderte, sondern auch deren Zusammensetzung.

Verschiedene Symptome bei Autoimmunkrankheiten

In den USA leiden laut Aussage der American Autoimmune Related Diseases Association mehr als 50 Millionen Menschen an einer Autoimmunkrankheit. Die Ursachen vieler dieser Krankheiten, die bei Frauen häufiger als bei Männern auftreten, sind noch unklar. Abseits von vererbten Risiken gehen Forscher davon aus, dass die Chancen, eine Autoimmunkrankheit zu entwickeln, hauptsächlich auf einen komplexen Austausch zwischen Genen und der Umwelt zurückzuführen sind.

Das Problem bei der Ursachenforschung von Autoimmunkrankheiten sind ihre unterschiedlichen Symptome. Diese Vielfalt wechselt nicht nur bei verschiedenen Krankheitsformen, sondern auch innerhalb derselben Autoimmunkrankheit.

Stress verändert Darmbakterien in Mäusen

In der aktuellen Studie nutzen die Forscher eine Mäusegruppe, die Stress ausgesetzt wurde, und eine Kontrollgruppe. Die Stress-Gruppe traf zehn Tage lang auf aggressive, dominante Mäuse. Die Kontrollgruppe wurde solchen Auseinandersetzungen nicht ausgesetzt. Bei der Untersuchung der Darmbakterien entdeckten die Wissenschaftler bei der Stress-Gruppe eine erhöhte Anzahl an Bilophila und Dehalobacterium. Diese Art von Darmbakterien entdeckten Forscher auch bei Personen mit MS-Erkrankung.

Weitere Untersuchungen führten zu dem Schluss, dass der Stress Gene in den Darmbakterien der Mäuse veränderte. Die auffälligsten Veränderungen fanden in Genen statt, die Wachstum und Bewegung von Bakterien fördern sowie solchen, die Signale vom und an den Wirt aussenden. Eine Erhöhung dieser Genexpression in den Mikroben kann dazu führen, dass sie sich aus dem Darm heraus und beispielsweise in die Nähe der Lymphknoten bewegen, wo sie Immunreaktionen auslösen können.

Die Lymphknoten der unter Stress gesetzten Mäuse beinhielten höhere Mengen an pathogenen Bakterien und Effektor T-Zellen, wie Myelin-reaktiven T-Zellen.

Von Stress zu Autoimmunkrankheiten

Die Untersuchungen gehen davon aus, dass eine Kettenreaktion eintritt, bei der Stress zu einer Veränderung der Darmbakterien und der Wandel der Immunzellen zu einem höheren Risiko für Autoimmunerkrankungen führt.

Dr. Avni weist allerdings darauf hin, dass noch viele weitere Untersuchungen notwendig sind, um die langfristigen Folgen der Auswirkung von Darmbakterien auf Stress zu erörtern. Ein besseres Verständnis dieser Beziehung könnte auf lange Sicht die Grundlage für die individuelle Behandlung von Darmmikroben bilden, die mit stresssensiblen Autoimmunzuständen in Verbindung stehen. "Es reicht nicht aus, die Zusammensetzung, den Zuwachs oder Abbau einer Autoimmunspezies zu untersuchen. Wir müssen auch erkennen, wie Mikrobiota auf uns reagieren und ihr 'Verhalten' dementsprechend ändern."

Quelle: 
Social-Stress-Responsive Microbiota Induces Stimulation of Self-Reactive Effector T Helper Cells. 
Michal Werbner, Yiftah Barsheshet, Nir Werbner, Mor Zigdon, Itamar Averbuch, Oren Ziv, Boris Brant, Evan Elliott, Shachaf Gelberg, Moran Titelbaum, Omry Koren, Orly Avni mSystems May 2019, 4 (4) e00292-18; DOI: 10.1128/mSystems.00292-18