Versagt die deutsche Drogenpolitik? 6. Alternativer Drogen-und Suchtbericht 2019 legt Finger in die Wunde

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz von akzept e.V. und Deutscher AIDS-Hilfe fand man anlässlich der Veröffentlichung des sechsten Alternativen Drogen- und Suchtberichts 2019 klare Worte: Um die aktuelle Drogenpolitik sei es alles andere als gut bestellt.

Fachleute fordern evidenzbasierte Gesamtstrategie statt parteipolitischer Steuerung

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz vom Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept e.V.) und der Deutschen AIDS-Hilfe am 05. Juli 2019 in Berlin fand man anlässlich der Veröffentlichung des sechsten Alternativen Drogen- und Suchtberichts 2019 klare Worte: Um die aktuelle Drogenpolitik sei es alles andere als gut bestellt. Die bis vor Kurzem noch zuständige Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler habe weder BeraterInnen mit wissenschaftlicher Expertise herangezogen – obwohl ein solches Beratungsgremium existiere –  noch sei es ihr gelungen, nachhaltige Strategien zu verfolgen oder zumindest fachliche Diskurse anzustoßen.

Der Schwerpunkt des Alternativen Drogen- und Suchtberichts 2019 liegt auf den legalen Drogen Alkohol und Tabak. Hier ist Deutschland laut Bericht immer noch ein Hochkonsumland, das im europäischen Vergleich miserabel abschneidet. Besonders die Strategien zum Werbeverbot für Tabak- und E-Zigaretten seien wissenschaftlich undifferenziert, so Dieter Jazbinsek, der mit einem sehr ausführlichen Beitrag zum Thema in der Publikation vertreten ist. Wissenschaftliche Untersuchungen seien besonders im Bezug auf E-Zigaretten häufig von Intransparenz geprägt und verleiteten zu falschen Annahmen, die lediglich eine Politik der Vereinfachung befördern, jedoch keine komplexe Nutzen-Schaden-Abwägung anbieten würden.

Entkriminalisierung und Entstigmatisierung

Ganz oben auf der Agenda des Alternativen Drogenberichts steht auch die Forderung nach einer Entkriminalisierung von KonsumentInnen. Von den mehr als 350.000 Drogendelikten im vergangenen Jahr waren rund 80% konsumnahe Delikte und somit solche, die sich um Konsum, Besitz und Weitergabe von illegalen Substanzen in Eigenbedarfsmengen drehten. Damit ist erneut eine Verschärfung der Kriminalisierung von KonsumentInnen eingetreten. Besonders Jugendliche, die mit dem Konsum von Cannabis in Verbindung gebracht werden können, laufen damit Gefahr, langfristig ohne sinnvolle Hilfsangebote zu bleiben, da die Jugendämter solche Hilfen mit dem Verweis auf den Konsum illegaler Substanzen ablehnen können. 

Insgesamt seien die Hilfen für KonsumentInnen unzureichend, so Dirk Schäffer von der Deutschen AIDS-Hilfe. In nur 7 von 16 Bundesländern gibt es Konsumräume, die als erstes Hilfsangebot von vielen Abhängigen wahrgenommen werden. Durch die schnellen Eingriffsraten können hier oft tödliche Unfälle vermieden werden. Von den rund 1.300 Drogentoten im letzten Jahr ist bisher nur ein einziger Fall in einem Konsumraum aufgetreten – eine Tatsache, die zeige, dass hier ein großes Potential für Schadensminderung liege. Auch bei der Maloxon-Vergabe, einem Mittel, dessen Gabe nachweislich opioid-bedingte Todesfälle verhindert und das als Nasenspray mit sich geführt werden kann, gebe es noch keine flächendeckende Versorgung. 

Flächendeckendes Monitoring fehlt

Hinzu komme, dass es kein effizientes Monitoring gebe. Zwar existierten auf Länder-Ebene Daten zu Konsumverhalten, Substanzen und KonsumentInnengruppen, diese würden jedoch nicht auf Bundesebene zusammengeführt, was eine Systematisierung drogenpolitischer Strategien verhindere. Hier bedürfe es intensiver Forschung und Datenanlysen, um wissenschaftlich basierte Maßnahmen anzuregen und umzusetzen.

Drug-Checking könnte ein weiteres Instrument darstellen, um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen. In den Nachbarländern Schweiz und Österreich sowie in den Niederlanden wird dies bereits praktiziert, während es in Deutschland nach wie vor gesetzliche Hürden zu überwinden gilt. Einige Drug-Checking-Projekte existieren bereits seit Jahren, ohne jedoch umgesetzt zu werden. In Berlin soll nun tatsächlich in Kürze ein solches Projekt starten.

Forderungen

Im Vorwort des 6. Alternativen Drogen- und Suchtberichts 2019 werden daher grundlegende Veränderungen für das Amt der / des neuen Drogenbeauftragten gefordert. Dieses solle am besten parteiunabhängig besetzt werden, möglichst unterstützt durch eine ExpertInnen-Kommission. Als ExpertInnen auf dem Gebiet sind hier sowohl Personen aus der Wissenschaft, aus der Praxis, aus Selbsthilfeorganisationen und nicht zuletzt die KonsumentInnen selbst zu verstehen. Hier steht ganz klar die Forderung nach einem Neuanfang im Vordergrund, um die Drogenpolitik der Bundesrepublik innovativ und zielorientiert zu gestalten. 

Abschließend die Forderungen im Einzelnen:

Quellen: Pressekonferenz akzept e.V. und Deutsche AIDS-Hilfe, 05.Juli 2019 Berlin, 6. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2019