Mehr als 220 000 Kinder in Hessen wachsen nach Einschätzung von Fachleuten mit einem suchtkranken Elternteil auf. Gut ein Drittel dieser Mädchen und Jungen würden Studien zufolge selbst suchtkrank, sagte der Geschäftsführer der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen (HLS), Wolfgang Schmidt-Rosengarten, der Deutschen Presse-Agentur dpa.
“Ein Drittel entwickelt psychische oder soziale Störungen. Das dritte Drittel kommt – scheinbar – ohne sichtbare Schädigungen davon.” Doch viele der Betroffenen kämpften mit Depressionen, Ängsten, psychosomatischen Störungen und Abhängigkeiten. Zudem hätten Kinder suchtkranker Eltern eine starke Neigung, sich einen süchtigen Partner zu suchen.
Um das Schicksal der Kinder von Süchtigen geht es auch bei der Jahreskonferenz der Selbsthilfeverbände der HLS am Samstag in Frankfurt. “Kinder aus suchtbelasteten Lebensgemeinschaften – Vergessenen Kindern eine Stimme geben” lautet das Thema.
Der größte Teil der in Deutschland insgesamt betroffenen 2,6 Millionen Kinder und Jugendlichen hat den Fachleuten zufolge mindestens einen alkoholkranken Elternteil. Mit drogensüchtigen Eltern würden bundesweit etwa 40 000 bis 60 000 Kinder groß. Medikamente und Glücksspiel spielten dagegen eine untergeordnete Rolle.
“Alkoholkonsum spielt bei den Eltern die Hauptrolle. Hier tritt auch das Phänomen der Gewalt deutlich hervor”, sagte Schmidt-Rosengarten. “Kinder suchtkranker Eltern erleben ständige Wechsel in der Stimmung des trinkenden Elternteils, häufigen Streit und Trennung oder Trennungsdrohungen zwischen den Eltern und psychische sowie körperliche Gewalt und Missbrauch.”
Für Kinder von Suchtkranken gebe es aber nicht nur Risiken, betonte Schmidt-Rosengarten. Sie seien auch extrem widerstandsfähig und hätten vielfältige Begabungen und Kompetenzen. Mit Unterstützung könnten sie sich gut entwickeln. Etwa 20 Einrichtungen der Suchthilfe und der Suchtselbsthilfe in Hessen machen Angebote für Kinder suchtkranker Eltern.
Hauptziel der Therapie sei es, Kindern Suchtkranker einen Raum zu bieten, “der sie Sicherheit und Konstanz spüren lässt, der sie nicht überfordert, wo sie Kind sein dürfen”, sagte Schmidt-Rosengarten. “Therapeuten versuchen das Stärken-Potenzial der Kinder herauszufinden und dies in der Therapie fruchtbar zu machen.” Denn: “Die familiäre Situation ist unberechenbar, was die Kinder stark verunsichert.” Gleichzeitig werde das Suchtproblem in den meisten Familien tabuisiert, so dass die Kinder ihre Gefühle und Wahrnehmungen unterdrücken müssten.
Text: dpa /fw