Im Grunde wissen wir es ja alle: Ballaststoffe sind gesund! Dennoch sind die Deutschen keine Weltmeister, was den Ballaststoffkonsum angeht. Dabei zeigt jetzt eine neue Metaanalyse der Weltgesundheitsorganisation, dass die unverdaulichen Nahrungsbestandteile eine wahre Allzweckwaffe gegen eine Reihe von Krankheiten sind.
Als Ballaststoffe werden die weitgehend unverdaulichen Bestandteile unserer Nahrung bezeichnet, die meist aus langen Kohlenhydratketten bestehen. Die Hypothese, dass sich ein hoher Ballaststoffverzehr positiv auf die Gesundheit auswirkt, reicht zurück auf eine Studie von Burkitt und Trowell aus den 1970er Jahren. Die beiden Forscher konnten zeigen, dass Afrikaner, die sich besonders ballaststoffreich ernährten, erheblich seltener an bestimmten Zivilisationskrankheiten litten als Europäer und Amerikaner, die sich eher ballaststoffarm ernährten. Methodische Mängel stellen die Ergebnisse jedoch infrage. Auch die heutige Studienlage liefert keine eindeutigen Beweise. Dies ist nicht zuletzt einer Vielzahl von qualitativ nicht hochwertigen Studien geschuldet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher ein Forscherteam beauftragt, die wichtigsten Studien zu dem Thema in einer großen Metaanalyse zusammenzufassen und die Ballaststoffhypothese neu zu bewerten.
Das Team um Dr. Andrew Reynolds aus Neuseeland hat sich der Aufgabe angenommen und identifizierte alle Studien, die in den letzten 40 Jahren zum Thema Ballaststoffe publiziert wurden. 185 Beobachtungsstudien mit über 135 Millionen Personenjahren und 58 klinische Studien mit über 4.600 Probanden erfüllten die hohen Qualitätsstandards, um in die Bewertung aufgenommen zu werden. Eingeschlossen wurden nur Studien, an denen gesunde Probanden teilnahmen. Die meisten Studien wurden zudem in westlichen Ländern durchgeführt.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Wissenschaftler konnten in ihrer Meta-Analyse zeigen, dass sich ein hoher Konsum von Ballaststoffen (über 25 Gramm pro Tag) positiv auf die Lebenserwartung auswirkt: das Risiko vorzeitig zu versterben sank um 15%. Die Studienteilnehmer verstarben insbesondere an weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen (– 31%). Auch das Risiko für die Entstehung einer Reihe von Volkskrankheiten war signifikant niedriger: so traten durchschnittlich 24% weniger koronare Herzerkrankungen, 22% weniger Schlaganfälle und 16% weniger Diabetes- und Darmkrebs-Fälle auf. Noch wichtiger ist, dass die Studie einen linearen Zusammenhang zwischen den genannten Erkrankungen und der täglichen Ballaststoffaufnahme fand: Pro 8 Gramm mehr Ballaststoffe konnte das Sterberisiko um 7%, das kardiovaskuläre Risiko um 19%, das Diabetesrisiko um 15%, und das Risiko für Darmkrebs um 8% gesenkt werden. Da die Ergebnisse auf Beobachtungsstudien beruhen, bewerten die Forscher die Evidenzqualität allerdings nur mit "moderat".
Eindeutigere Ergebnisse gab es bei randomisierten Kontrollstudien, die das Körpergewicht untersuchten. Sie konnten mit hoher Evidenzqualität belegen, dass eine ballaststoffreiche Ernährung zu einer Gewichtsreduktion führt. Weiterhin wurden auch bessere Langzeit-Blutzuckerwerte, geringere Cholesterinspiegel und ein niedrigerer Blutdruck beobachtet (moderate Evidenzqualität).
In einem zweiten Schritt analysierten die Forscher den alleinigen Einfluss von Vollkornprodukten auf die Gesundheit – die in Obst und Gemüse enthaltenen Ballaststoffe wurden diesmal nicht berücksichtigt. Nicht überraschend: die Wissenschaftler fanden auch hier die gleichen Resultate – sprich, mehr Vollkorn in der Nahrung führte zu weniger Krankheiten.
Ein weiterer Vorteil von ballaststoffreichen Nahrungsmitteln ist ihr sogenannter niedriger glykämischer Index. Er beschreibt, wie stark ein Lebensmittel die Insulinsekretion beeinflusst (je niedriger, desto gesünder). Überraschenderweise hatte der glykämische Index keinen Einfluss auf das Sterberisiko oder die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Die Forscher folgern daraus, dass sich der glykämische Index eher nicht zur Beurteilung der Nahrungsmittelqualität eignet.
Die Studie der WHO bestätigt das, was wir eigentlich schon lange wissen: Ballaststoffe sind gesund. Die Studie untermauert diese Hypothese jedoch mit ausreichend Evidenz und schlägt einen Richtwert von 25 bis 30 Gramm täglich vor. Die Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Ernährung empfehlen bereits mindestens 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag zu sich zu nehmen. Die meisten Deutschen liegen mit durchschnittlich 20 bis 25 Gramm täglich deutlich darunter. Hier ist Handlungsbedarf angesagt.
Die Studie zeigt auch: je mehr Ballaststoffe, desto besser. Insbesondere Patienten mit metabolischem Syndrom profitieren enorm von einer hohen bis sehr hohen Ballaststoffzufuhr. Nach oben hin sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Nur Menschen, die an einer Eisenmangelanämie leiden, sollten ihren Ballaststoffkonsum begrenzen, da sonst die enterale Eisenresorption zusätzlich beeinträchtigt werden kann.
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