Gibt es noch eine Chance auf ein Wiedererwachen oder ist die Gehirnfunktion irreversibel verloren? Bei der Feststellung des Hirntods müssen mehrere Kriterien zweifelsfrei erfüllt werden. Die deutschen Verfahrensregeln zur Hirntod-Diagnostik sind dabei besonders streng.
2019 wurden laut aktuellen Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 932 Menschen im Rahmen der postmortalen Organspende Organe für die Transplantation entnommen. Vorher müssen mindestens zwei unabhängige Ärzte den irreversiblen Hirnfunktionsausfall feststellen. Hinzu kommen weitere Qualitätsstandards, die im internationalen Vergleich besonders hoch sind, sagt Prof. Dr. med. Uwe Walter, Vorsitzender der Hirntodkommission der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) und Stellvertretender Klinikdirektor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie in Rostock. So müssten alle an der Untersuchung beteiligten Ärzte Fachärzte sein und über mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von akuten schweren Hirnschädigungen verfügen. Mindestens einer der beurteilenden Mediziner muss zudem ein Facharzt der Neurologie oder Neurochirurgie oder Neuropädiatrie sein.
Der Ablauf der Hirntod-Diagnostik ist in der Richtlinie, die der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer (BÄK) bereits 1982 formuliert und seitdem mehrfach aktualisiert hat, detailliert geregelt:
Zuerst wird gekärt, ob die Voraussetzungen für einen Hirntod vorliegen – das heißt, ob eine schwere Hirnschädigung durch Trauma, Infarkt, Blutung, Sauerstoffmangeloder andere Ursachen existiert. Anschließend werden die klinischen Symptome des Hirnfunktionsausfalls überprüft, zu denen neben dem Koma auch das Fehlen verschiedener Reflexe, das Ausbleiben einer Reaktion auf bestimmte Schmerzreize sowie das Fehlen der Spontanatmung zählen. In einem dritten Schritt muss geklärt werden, ob diese Ausfälle irreversibel sind.
"Das kann entweder durch eine erneute Untersuchung nach einer vorgegebenen Zeitspanne geschehen oder durch eine zusätzliche Diagnostik, die mithilfe von Apparaten durchgeführt wird", erklärt Walter. Diese apparativen Verfahren kämen auch dann zum Einsatz, wenn einzelne klinische Symptome des Hirnfunktionsausfalls nicht überprüft werden könnten; bei Kindern unter zwei Jahren sowie bei bestimmten Formen der Hirnschädigung seien sie zwingend vorgeschrieben.
Zu den apparativen Untersuchungen zählt die Aufzeichnung einer Hirnstromkurve (Elektroenzephalogramm, kurz EEG). Diese zeigt im Falle des Hirntodes keinerlei Aktivität. Zudem kann der Nachweis auch über das Fehlen jeglicher Hirndurchblutung geführt werden, beispielsweise mit Ultraschall (Dopplersonografie). "An diese apparativen Verfahren werden in Deutschland höchste Anforderungen gestellt, die von der DGKN regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden", sagt Walter. Dass die BÄK-Richtlinie im internationalen Vergleich sehr streng ist, zahle sich aus und mache die Hirntod-Diagnostik in Deutschland ausgesprochen sicher: "In den fast 40 Jahren seit Bestehen der Richtlinie ist bei konsequenter Anwendung noch keine einzige Fehldiagnose bekannt geworden", so der DGKN-Experte.