"Du kannst das Risiko ignorieren. Deine Lunge nicht. Sag nein zum Rauchen und Dampfen!", so das Motto des diesjährigen Weltnichtrauchertages in Deutschland. Obgleich in den vergangenen Jahren viel erreicht wurde, ist es an der Zeit, längst überfällige Maßnahmen der Tabakprävention umzusetzen und E-Zigaretten und Tabakerhitzer gesundheitspolitisch zu regulieren, so das Fazit.
Noch immer ist etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen nicht heilbar. Etwa 40% dieser Erkrankungen gehen zudem auf sogenannte Krebsrisikofaktoren zurück, von denen das Rauchen einer der bedeutendsten ist. Daneben gelten aber auch exzessives Sonnenbaden oder der Alkoholabusus zu den vermeidbaren Risikofaktoren für Krebs. "Daher bietet die Prävention, also z.B. der Rauchverzicht, einerseits ein großes Potenzial in der Vermeidung maligner Erkrankungen, andererseits jedoch bleiben diese Möglichkeiten noch zu oft ungenutzt", so Gerd Nettekoven, Vorstand der Stiftung Deutsche Krebshilfe, anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) und dem Aktionsbündnis Nichtrauchen e. V. zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai 2019.
Prävention liegt in der Eigenverantwortung jedes einzelnen Menschen, allerdings muss, um diese auch erfolgreich umsetzen zu können, ein entsprechender politischer Rahmen bereitet werden. Dies können Gesetze sein, aber vor allem auch eine Prävention fördernde Umgebung und Infrastruktur, z.B. rauchfreie öffentliche Bereiche oder sonnengeschützte Spielplätze.
"Nach derzeitigem Kenntnisstand stehen bis zu zwölf verschiedene maligne Entitäten mit dem Rauchen in Zusammenhang. Allgemein zeigen die Statistiken zudem, dass etwa jede fünfte Krebserkrankung in Deutschland eine Folge des Tabakkonsums ist", stellte Frau PD Dr. Ute Mons von der Stabstelle Krebsprävention und dem WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle am DKFZ, aktuelle Zahlen vor.
Die deutsche Politik sei zudem zu oft sehr passiv, wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen zum Nichtraucherschutz gehe, so Mons. Das diese Untätigkeit Folgen hat, zeigt der europäische Vergleich: Deutschland ist derzeit Schlusslicht beim Nichtraucherschutz und in der Prävention. Gleichzeitig gibt es hierzulande noch immer die höchste Dichte an Zigarettenautomaten und Deutschland bleibt auch 2019 das letzte verbliebene Land in Europa, in dem die Tabakindustrie mithilfe von Plakatwerbung auf Kundenfang gehen darf.
Wer sich als Raucher schließlich doch gegen die Zigarette entscheidet und mit dem Rauchen aufhören möchte, findet sich in Deutschland zumeist in einer therapeutischen Wüste wieder. "Es gibt noch immer viel zu wenig Unterstützung für aufhörwillige Raucherinnen und Raucher in Deutschland", weiß Mons zu berichten.
Während auch hierzulande der Konsum von Zigaretten stetig zurückgeht, wenn auch langsamer als in anderen europäischen Mitgliedsstaaten, so nimmt die Nutzung von Shishas und E-Zigaretten sowie Tabakerhitzern ständig weiter zu. Insbesondere bei Jugendlichen erfreuen sich diese neuen E-Produkte immer größerer Beliebtheit. Dabei ist bereits seit einigen Jahren aus Studien bekannt, dass diese neuen Rauchprodukte ganz ähnliche Langzeitfolgen für die Gesundheit mit sich bringen, wie das Tabakrauchen. Letzteres zeichnet sich beispielsweise alljährlich durch etwa 120.000 Todesfälle aus.
Zu den gesundheitlichen Folgen des Rauchens gab Herr Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper, Pneumologe aus Berlin, umfassen Auskunft. Dabei ist das Lungenkarzinom längst nicht die einzige Folgeerkrankung des Tabakkonsums. Ferner kann es zur chronischen Bronchitis, zu Asthma, zu COPD, zum obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom, zur Lungenentzündung bis hin zu interstitiellen Lungenerkrankungen kommen. Dabei gilt die einfache Formel: "Je größer der Tabakkonsum, desto höher ist auch das Erkrankungsrisiko."
Darüber hinaus verlieren Frauen durch das Rauchen etwa 11 Lebensjahre, Männer sogar 12. DIe gute Botschaft jedoch in diesem Zusammenhang: "Wer mit dem 45. Lebensjahr oder früher aufhört zu rauchen, der erlebt hingegen wieder einen statistisch signifikanten Lebenszeitgewinn", so Loddenkemper.
E-Zigaretten und Tabakerhitzern wird ja gerade aufgrund ihrer geringeren Betriebstemperatur (350°C vs. 600°C beim Zigarettenrauchen) nachgesagt, sie wären schadstoffärmer und damit die gesündere Alternative zum Tabakrauchen. "Bislang gibt es aber aus industrieunabhängigen Studien dafür keine ausreichenden Belege", weiß Loddenkamper zu berichten. Stattdessen geht aus Zellkulturversuchen und an Arbeiten mit Mäusen hervor, dass die aufgenommenen Aerosole nicht nur das Lungengewebe schädigen können, sondern ebenso in die Blutbahn gelangen und dort zu Herz-Kreislauf-Schäden führen. Noch detaillierter geht Prof. Loddenkemper in unserem Podcast auf die Studienlage rund um die E-Zigarette ein.
Die gegenwärtige Situation im Nichtraucherschutz deutschlandweit zu verbessern, ist ebenso das erklärte Ziel des Aktionsbündnisses Nichtraucherschutz e. V., dessen Vorsitzende Frau Dr. med. Martina Pötschke-Langer ein aktuelles Positionspapier vorstellte, in dem die Politik zur Umsetzung von 15 konkreten Maßnahmen verpflichtet werden soll.
"Im Fokus steht der Schutz von Kindern und Jugendlichen, die heute durch vermeintlich harmlos wirkende E-Produkte an das Rauchen herangeführt und durch Verniedlichungen wie 'Bubble-Gum' oder 'Gummibärchen' zum ersten Probieren verleitet werden sollen", beschreibt Pötschke-Langer das Vorgehen der Tabakindustrie.
Besonderen Handlungsbedarf sieht sie zudem im Bereich der Werbung und der Transparenz im Tabakmarkt. Die öffentliche Werbung für Tabakerzeugnisse gehöre verboten, wie es ja auch schon vielerorts in Europa Standard ist, nur eben nicht in Deutschland. Außerdem müsse die Lobbyarbeit der Tabakindustrie verstärkt öffentlich gemacht werden, um deren Einflüsse auch auf den Politikbetrieb offenzulegen. Mehr zu diesen wirklich spannenden Punkten des Positionspapiers erklärt Frau Dr. Pötschke-Langer in einem exklusiven Interview in unserem Podcast siehe oben.