Krähenfüße und Zornesfalten einfach wegspritzen – die Versprechen der Schönheitsindustrie klingen verlockend einfach. Allerdings müssen Experten zufolge weltweit und auch in Deutschland dafür Mäuse qualvoll ersticken. An ihnen wird das Nervengift Botulinumtoxin – bekannter unter dem Handelsnamen Botox – getestet.
Doch bald könnte die Zahl der Tiere in den Laboren drastisch sinken. Das Frankfurter Pharmaunternehmen Merz will diese umstrittenen Tests mit Mäusen in den kommenden Jahren abschaffen, wie das Unternehmen mitteilt. Allergan, der US-Hersteller von Botox, nutzt bereits eine tierfreie Methode.
Derzeit laufe ein Zulassungsverfahren für eine Test-Methode, die mit Zellen statt mit lebenden Tieren auskommt. “Wir rechnen damit, dass das Verfahren in Deutschland Ende 2015 abgeschlossen sein wird”, sagte eine Merz-Sprecherin. Das Unternehmen Merz ist eigenen Angaben zufolge der einzige Hersteller solcher Botulinumtoxin-Produkte in Deutschland. Sie werden nicht nur für glattere Haut eingesetzt, sondern dienen auch als Medikament, beispielsweise bei Spastiken nach einem Schlaganfall.
“Voraussichtlich müssen dann jährlich einige Tausend Mäuse nicht mehr sterben”, schätzt Barbara Grune vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Die Tierärztin leitet eine Fachgruppe, die sich mit Alternativmethoden zu Tierversuchen beschäftigt und in der Datenbank “Animaltestinfo” Informationen und Zahlen über geplante Tierversuche sammelt.
Tierschützer sprechen von etwa 20 000 toten Mäusen pro Jahr für Schönheitszwecke. Doch genaue Zahlen darüber, wie viele Mäuse bei Tests mit Anti-Falten-Mitteln sterben müssen, geben die Statistiken nicht her. Aus Daten des Bundeslandwirtschaftsministeriums geht nur hervor, dass 2013 rund 22 000 Tiere bei speziellen Tier-Tests gestorben sind, mit denen auch Botulinumtoxin-Produkte geprüft werden. “Erst wenn Merz die tierfreien Tests durchführt, können wir in der Statistik ablesen, wie stark die Zahl der zu diesem Zweck verwendeten Mäuse tatsächlich zurückgegangen ist”, erklärt Grune.
Laut Deutscher Gesellschaft für Plastische und Ästhetische Chirurgie sind die Anti-Falten-Spritzen gefragt. Nach Brustvergrößerungen und Lidstraffungen gehören sie bei den Patienten 2014 zu den beliebtesten Eingriffen. Laut dem internationalen Verband für Plastische und Ästhetische Chirurgie wurden im Jahr 2013 in Deutschland 162 056 Behandlungen mit Botulinumtoxin durchgeführt.
Der Stoff, der aus Bakterien gewonnen wird, zählt zu den gefährlichsten Giften überhaupt. Ein Gramm könnte mehrere Millionen Menschen töten. Daher muss jede Charge des stark verdünnten Gifts vor der Anwendung kontrolliert werden. Qualitätstests sind auch aus Sicht der Tierärztin Corina Gericke vom Verein Ärzte gegen Tierversuche wichtig. Sie fordert aber einen sofortigen Stopp der Mäuseversuche.
“Die Tests sind extrem grausam. Das Gift wird den Tieren in die Bauchhöhle gespritzt und sie sterben nach drei bis vier Tagen Todeskampf qualvoll an Atemlähmung”, kritisiert die Tierärztin und ergänzt: “Erst werden die Beine taub, dann schwindet die Sehkraft und der Atemmuskel wird gelähmt, bis die Tiere qualvoll ersticken.”
Auch der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, verlangt, “dass Botox nicht mehr für kosmetische Zwecke eingesetzt werden darf, solange der Tierversuch nicht durch tierversuchsfreie Methoden ersetzt werden kann”. An diesem Samstag laden sein Verband und andere Organisationen in Berlin zu einer Großdemonstration gegen Tierversuche ein. 2500 Teilnehmer werden erwartet.
Auf politischer Ebene kritisieren die Grünen im Bundestag die Mäuse-Tests mit dem Nervengift seit längerem. Die Fraktionssprecherin für Tierschutzpolitik, Nicole Maisch, hält die Tatsache, dass für Antifaltenmittel noch immer Tiere sterben müssen, obwohl es alternative Tests gibt, für “abenteuerlich”.
Einen alternativen Test hat der Botox-Hersteller Allergan aus den USA bereits vor einigen Jahren entwickelt. Seit 2012 ist die Methode auch in Deutschland zugelassen – allerdings nur für das Präparat dieses Herstellers. Das Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge 65 Millionen US-Dollar und mehr als zehn Jahre Forschung und Arbeit investiert.
Dass Allergan ganz ohne Tiere auskommt und Merz nachziehen will, wertet Barbara Grune als großen Erfolg. Schon vor Jahren habe sich das BfR mit der Arzneimittelzulassungsbehörde BfArM und Herstellern wie Merz oder Allergan an einen Tisch gesetzt, um nach Alternativen zu den Mäusetests zu suchen. Diese Arbeit zeige nun Ergebnisse.
Text: dpa /fw