Wenn die Manneskraft ins Auge geht

Ältere Männer leiden häufig unter erektiler Dysfunktion. Sie erhalten nach urologischer Abklärung oft PDE-5-Hemmer zur Langzeittherapie – eine Behandlung, die buchstäblich ins Auge gehen kann.

Was bewirkt die Langzeiteinnahme von PDE5I im Auge?

Zusammenhänge zwischen PDE5I und Augenerkrankungen

In einer aktuellen großen Kohortenstudie mit 213.033 Männern wurde ein erhöhtes Risiko für SRD, RVO und ION im Zusammenhang mit der Einnahme von PDE5-Hemmern festgestellt. Am stärksten betroffen waren diejenigen Männer, die diese Arzneimittel zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion regelmäßig einnahmen.

Diese Studien-Ergebnisse legen nahe, dass Männer, die regelmäßig PDE5I einnehmen, auf die mit diesen Medikamenten assoziierten okulären Nebenwirkungen achten sollten. Darüber hinaus müssen die Patienten angeleitet werden, ihre Ärzte zu verständigen, sollten sie visuelle Einschränkungen bei sich feststellen.

Bekannte, jedoch oft widersprüchliche Datenlage

In einer Reihe von Fallberichten und kleinen epidemiologischen Studien wurde das Risiko von unerwünschten Augenereignissen im Zusammenhang mit der Einnahme von Phosphodiesterase-Typ-5-Hemmern (PDE5Is) bereits zuvor beschrieben und auch quantifiziert. Allerdings waren die Ergebnisse sehr oft widersprüchlich, und es lagen auch keine epidemiologischen Daten zum Risiko von Augenschäden vor.

Aus diesem Grund wollten die Forschenden die Risiken für seröse Netzhautablösungen (SRD), retinale Gefäßverschlüsse (RVO) und ischämische Optikusneuropathie (ION) im Zusammenhang mit der Anwendung von PDE5I näher untersuchen.

Studiendetails unter der Lupe

Diese Kohortenstudie wurde anhand der Daten aus der PharMetrics Plus Datenbank (IQVIA) vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2020 durchgeführt. Die Probanden wurden bis zur Erstdiagnose von SRD, RVO oder ION verfolgt. Jedem Fall wurden zudem vier Kontrollpersonen nach Alter und Zeitpunkt des Studieneintritts stichprobenartig zugeordnet. Das Risiko für regelmäßige PDE5I-Anwender wurde mit dem für Nichtanwender verglichen.

Die Kohorte bestand aus insgesamt mehr als 213.000 Männern, welche PDE5-Hemmer zur Therapie ihrer erektilen Dysfunktion erhielten. Die Fall-Kontroll-Analyse ergab insgesamt 1.146 Fälle von Augenproblemen, darunter 278 SRD-Fälle, 628 RVO- und 240 ION-Fälle sowie 4.584 Kontrollen. Das Durchschnittsalter in beiden Gruppen betrug 64,6 Jahre. Männer mit SRD, RVO und ION litten zudem häufiger unter Bluthochdruck, Diabetes, koronarer Herzkrankheit und Schlafapnoe.

Sind Augenschäden durch PDE5-Hemmer praxisrelevant?

Die Ergebnisse dieser interessanten Kohortenstudie deuten an, dass die regelmäßige Anwendung von PDE5-Hemmern gerade bei älteren Männern mit erektiler Dysfunktion das Risiko für Augenerkrankungen wie SRD, RVO und ION erhöhen könnten. Daher sollen Urologinnen und Urologen ihre Patienten über diese Risiken aufklären, gerade dann, wenn die Männer PDE5-Hemmer regelmäßig anwenden, so die Studienautor:innen.

Informieren Sie daher Ihre Patienten über diese möglicherweise mit PDE5-Hemmern verbundenen okulären Nebenwirkungen. Weisen Sie zusätzlich darauf hin, dass die betreffenden Patienten sich bei Visusverschlechterung bei ihren behandelnden Ärztinnen oder Ärzten vorstellen sollen.

Insgesamt ist zu sagen, dass es sich bei diesen Auswirkungen der PDE5-Inhibitoren selbstverständlich nur um sehr seltene Ereignisse handelt. Aber: Die sehr weite Verbreitung der PDE5-Hemmer zur Therapie erektiler Funktionsstörungen spielt natürlich ebenso eine Rolle bei den erwarteten Fallzahlen in der Praxis. Hinzu kommt, dass das höhere Alter der Betroffenen es nicht immer leicht macht, Visuseinschränkungen in einen Zusammenhang mit der Einnahme von PDE5-Hemmern zu bringen. Daher sollte dies stets auch in die Differenzialdiagnose mit einbezogen werden, ebenso wie im Verdachtsfall einen Ophthalmologen zurate zu ziehen.

Originalpublikation:
Etminan M et al., JAMA Ophthalmol 2022. doi:10.1001/jamaophthalmol.2022.0663