Betroffene sollten psychologische Hilfe aufsuchen, wenn die Hypochondrie mindestens ein halbes Jahr besteht und die Lebensqualität negativ beeinflusst
Vor kurzem startete in deutschen Kinos der Film „Superhypochonder“ – eine französische Komödie, die zum Thema hat, wie ein notorischer Hypochonder überall und jederzeit Keime und Erreger vermutet, welche ihn angeblich krank machen. Natürlich kann es lustig sein, wenn jemand bei jeder Erkältung gleich Lungenkrebs vermutet, bei einem Ziehen in der Brust Brustkrebs und bei einer leichten Durchfallerkrankung das Ebola-Virus, weil man doch gerade am Flughafen mit Touristen aus Afrika zusammengekommen sei und das Virus sich derzeit sowieso in bestimmten Ländern verbreite.
Doch so unterhaltsam der Film und persönliche Erfahrungen mit Hypochondern auch sein mögen, meist liegt deren Leiden eine ernsthafte psychische Erkrankung zugrunde, die von einem Psychologen professionell behandelt werden sollte. Fast jeder zwanzigste Deutsche in Deutschland leidet unter hypochondrischen Tendenzen; bei jedem hundertsten sind diese behandlungsbedürftig. Spätestens wenn die Hypochondrie jemanden ernsthaft belastet oder dazu führt, dass ein Betroffener bei realen Krankheiten aus Angst vor einer vermeintlich schrecklichen Diagnose nicht mehr zum Arzt geht, sollte professionelle psychologische Hilfe aufgesucht werden.
Arztbesuche können forciert aber auch vermieden werden
Sitzt der Hauptdarsteller des Films ständig im Wartezimmer eines Arztes, ist es in der Realität teilweise genau andersherum: Ein Hypochonder vermeidet den Arztbesuch, da er sich entweder nicht ernst genommen fühlt oder Angst hat, tatsächlich schwer krank zu sein und die furchtbare Diagnose lieber nicht mitgeteilt bekommen möchte. Dabei sind der eigentliche Schmerz oder das körperliche Leiden nicht einmal eingebildet. Nur die Schlussfolgerung eines Hypochonders ist falsch, da er davon ausgeht, dass eine ernsthaftem Erkrankung hinter den Symptomen stecken muss, während es sich in der Regel nur um ein alltägliches und zumeist harmloses Wehwehchen handelt. Selbst Panikattacken sind bei Hypochondern nicht ungewöhnlich, was dazu führt, dass sich tatsächlich vorliegende Panik-Symptome wie Schwindel, Übelkeit oder Verspannungen noch verschlimmern. Ein Teufelskreis entsteht, aus dem ein Betroffener häufig nicht mehr alleine ausbrechen kann. Die Gedanken drehen sich pausenlos um die vermutete Krankheit.
Hypochondrie betrifft häufig Menschen, die sowieso eher ängstlich sind und ständig in sich hineinhorchen. Kommen dann noch Erfahrungen mit schweren Krankheiten im persönlichen Umfeld oder Berichte von Fehldiagnosen oder ärztlichen Kunstfehlern dazu, kann das eine krankhafte Angst hervorrufen. Einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leistet das Internet – oder besser gesagt Doktor Google. Wer an sich recht harmlose Schlagworte wie „Schmerzen in der Brust“, „Hustenattacken“ oder „Ziehen in der Nierengegend“ bei Google oder einer Suchmaschine eingibt, landet unmittelbar auf einer Reihe von seriösen, halbseriösen oder komplett unseriösen Seiten. Im besten Fall ist es die „Apotheken Umschau“ oder „netdoktor“ im schlimmsten Fall ein Portal, das Therapie und Wunderheilung mit fragwürdigen Mitteln verspricht. Für diese Art von Scharlatanerie ist der Hypochonder besonders anfällig. Hier wird bekanntlich mit Ängsten gespielt und die Heilung von den Beschwerden könne nur auf die meist recht kostspielige angebotene Art und Weise erfolgen, so argumentieren die Anbieter.
Mitleid und Verständnis sorgen für Bestätigung
Doch wie soll das persönliche Umfeld mit jemandem umgehen, der offenkundig sich in Krankheiten hineinsteigert oder überall nur das Schlimmste vermutet? Dass Menschen in beruflich oder privat stressigen Phasen eher zu Ängsten neigen, ist nicht ungewöhnlich. Bevor man einen Hypochonder gleich als einen solchen abstempelt, gilt es zuerst die persönliche Situation genau zu hinterfragen. War jemand mal ernsthaft krank, ist es verständlich, dass er vor einer Wiederholung Angst hat.
Psychologen raten dazu, spätestens dann professionelle Hilfe aufzusuchen, wenn die Hypochondrie übermächtig wird, also mindestens ein halbes Jahr besteht und die Lebensqualität negativ beeinflusst. Typisch für Hypochonder ist zudem ein Vermeidungsverhalten, was dazu führen kann, dass bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden. Vermeidet beispielsweise jemand, der sich sein ganzes Leben über sportlich betätigt hat, körperliche Bewegung, kann dies zwangsläufig dazu führen, dass er sich wirklich schlapp und müde fühlt. Ein Hypochonder kann das als Bestätigung für eine Krankheit empfinden.
Wenn ärztliche Untersuchungen nicht dazu beitragen, die gesundheitlichen Bedenken auszuräumen, wird es Zeit für einen Gang zum Arzt oder Psychologen. Das persönliche Umfeld kann hier ermutigend wirken. Im Gegenzug sollte das persönliche Umfeld einen Hypochonder nicht noch bestätigen oder ihm mit Mitleid begegnen, da das dazu führt, dass die Beschwerden eher noch aufrecht erhalten werden. Eine gemeinsame Suche bei Doktor Google führt auch selten zu vernünftigen Ergebnissen. Ein einfacher Arztbesuch ist da wesentlich sinnvoller.
Der Blogeintrag ist auch bei der Huffington Post erschienen:
//www.huffingtonpost.de/volker-thoms/wie-doktor-google-uns-zu-_b_5104725.html