Das Mikrobiom ist in aller Munde. Annähernd jede Erkrankungen wird mittlerweile mit den Mikrobiota in Verbindung gebracht, was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass sie den menschlichen Körper im Verhältnis von 10 zu 1 gegenüber menschlichen Zellen besiedeln. Auch die Psychiatrie beschäftigt sich zunehmend mit der Rolle, die das Mikrobiom bei psychischen Erkrankungen spielt. Morbus Parkinson ist ein Beispiel, anhand dessen der derzeitige Stand der Forschung auf dem DGPPN Kongress in Berlin diskutiert wurde.
Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Diskussion um das Mikrobiom vor allem durch große Firmen und den Vertrieb probiotischer Lebensmittel befeuert und ist seitdem immer populärer geworden. Mittlerweile gehört das Mikrobiom zu den Top-Themen der Wissenschaft, was naheliegt, denn ungefähr 37 Prozent der menschlichen DNA sind bakteriellen Ursprungs. Der Mensch lebt gewissermaßen als symbiotisches Lebewesen mit einer Vielzahl anderer Organismen zusammen.
Andreas Schwiertz, Mikrobiologe und Molekularbiologe aus Herborn, sagt „wir sind nicht alleine“ und meint damit, dass mikrobielle Gemeinschaften bereits in fast allen Organen nachgewiesen wurden, sogar im Gehirn. Die Forschung geht davon aus, dass möglicherweise sogar der Fötus im Mutterleib bereits von Bakterien besiedelt wird und räumt somit mit noch immer herrschenden Reinheits- oder Sterilitätsparadigmen auf.
Bakterien dienen der Aufspaltung von Nahrungsbestandteilen und der Produktion von Neurotransmittern, wie GABA oder Serotonin. Nachgewiesen ist, dass es eine Darm-Hirn-Achse gibt, das heißt, dass Prozesse, die sich sich im Darm abspielen, Auswirkungen auf die Gehirntätigkeit haben. Ein Problem bei der Erforschung der Zusammenhänge ist allerdings, dass keine prospektiven Studien durchgeführt werden können. Bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung beispielsweise kann man keine Aussage darüber treffen, ob die bakterielle Veränderung durch die Erkrankung zustande kommt oder ob sie zu der Erkrankung führt. Lediglich eine retrospektive Untersuchung der Veränderungsprozesse ist möglich.
Bereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass Parkinson auch eine Magen-Darm-Erkrankung ist. Außerdem zeigen Forschungsergebnisse, dass Patienten, bei denen bereits eine Vagotomie durchgeführt wurde, ein signifikant geringeres Risiko aufweisen, an Parkinson zu erkranken. Befragungen unter an Parkinson-Patienten ergaben, dass das die Patienten am meisten belastende Symptom Obstipation ist. Eine gestörte Darmtätigkeit spricht dafür, dass nicht genügend Energie aus kurzkettigen Fettsäuren zur Verfügung steht, um die Darmperistaltik aufrecht zu erhalten. Untersuchungen an gesunden und erkrankten Personen haben ergeben, dass sich die mikrobielle Zusammensetzung bei Parkinson-Patienten grundlegend verändert. Auch wurde festgestellt, dass bei Parkinson klassische Entzündungsparameter vorliegen. Es konnte also gezeigt werden, dass alle Parkinson-Patienten eine veränderte bakterielle Gemeinschaft sowie einen entzündeten Darm aufwiesen.
Eine Therapie in Richtung Ernährungsumstellung, bei der die Produktion von Buttersäure angetriggert wurde, ergab bei den Patienten eine Verbesserung der Werte. Durch die Umstellung veränderten sich alle weiteren Parameter, d.h. die Entzündungswerte gingen zurück, die Buttersäureproduktion stieg an und die bakterielle Gemeinschaft veränderte sich. Was zum derzeitigen Zeitpunkt noch aussteht, ist eine Beurteilung der klinischen Werte. Man kann jedoch bereits sagen, dass sich das subjektive Empfinden der Patienten verbesserte.
Quelle: DGPPN 2018, „Das Darm-Mikrobiom und psychische Erkrankungen: Grundlagen und Beispiele“, 29.11.2018