Wochenrückblick: Bundestagswahl 2025 - Unklare Gesundheitspläne trotz dringender Probleme

Parteien bleiben trotz großer Gesundheitskrisen vage. Bundestagswahl 2025 enthüllt fehlende Klarheit in Reformansätzen.

Bundestagswahl 2025: Vage Aussagen zur Gesundheitspolitik

Trotz brennender Probleme in etlichen Bereichen des Gesundheitswesens und eines Reformtorsos als Hinterlassenschaft der Ampelkoalition – wachsende Defizite bei Kranken- und Pflegeklassen, gravierende Strukturmängel in der Klinikversorgung, wirtschaftliche Schieflagen trotz hoher Subventionen, Lieferengpässe bei Arzneimitteln – bleiben die gesundheitspolitischen Aussagen in den von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen am Dienstag vorgelegten Wahlprogramme weitgehend vage; am präzisesten fallen dabei noch die programmatischen Aussagen der SPD aus, die weitgehend auf der Agenda der zu Ende gehenden Legislaturperiode aufbauen. Die wichtigsten Aussagen zu einigen Kernpunkten:

Medizinische Versorgung, insbesondere zu Ärzten und Krankenhäusern:

Die CDU will die Planungshoheit der Länder für die Kliniken unberührt lassen. Die stationäre Grundversorgung soll flächendeckend, auch auf dem Land, gesichert werden, spezialisierte Leistungen konzentriert und zusammen mit der ambulanten und fachärztlichen Versorgung gedacht werden. Ein kalter Strukturwandel müsse vermieden werden. Die Notfallversorgung soll reformiert, der Rettungsdienst gestärkt werden. Haus- und Kinderärzte sollen die Patientensteuerung übernehmen und Leistungen besser koordinieren.

Bündnis 90/Die Grünen wollen die Vertragsärzte bei der Bürokratie entlasten, den Sprechstundenanteil erhöhen und so Wartezeiten verkürzen. In ländlichen Regionen sollen zusätzlich GemeindegesundheitspflegerInnen eingesetzt werden. Die Krankenhausreform soll nachgebessert werden. An den Kosten der Reform soll auch die private Krankenversicherung beteiligt werden. Oberste Priorität habe eine bestmögliche, schnell erreichbare Grundversorgung. 

Die SPD erneuert ihre Absicht, die Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars durchzusetzen. Ferner sollen für Haus- und Kinderärzte die Aus- und Weiterbildungskapazitäten erhöht werden. Der schnelle Zugang zur Versorgung soll durch Termingarantien der Krankenkassen und der KVen abgesichert werden, die Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatienten müssten beseitigt werden.  Bei Nichteinhaltung der Garantien sollen Versicherte einen Anspruch auf Beitragsrückerstattung bekommen. Die SPD will das Konzept der Gesundheitskioske als zusätzliche Versorgungsoption für vulnerable Gruppen wiederbeleben. Die Gründung kommunaler MVZ soll erleichtert werden. Ausdrücklich betont die SPD die Stärkung der Prävention, auch zur langfristigen Kostensenkung, insbesondere mit Blick auf Krebs, Schlaganfall und Herzinfarkt, sowie die Nutzung der Digitalisierung, etwa auch der ePA für die Prävention.        

Finanzierung der Kranken-Pflegeversicherung:

Die CDU macht hierzu eine ganz vage Aussage: Um die GKV „zukunftsfest“ aufzustellen, strebe man mehr Effizienz beim Einsatz von Beitragsgeldern und stärkeren Wettbewerb der Kassen an. Für die Pflegeversicherung, bei der kein Wettbewerb existiert, ist das irrelevant.

Präziser sind die Aussagen der Grünen: Kranken- und Pflegeversicherung sollen von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden, die Finanzierung von Rentenbeiträgen für pflegende Angehörige sowie GKV-Leistungen für Bürgergeld-Empfänger müssten vom Staat finanziert werden. Als Fernziel bleibt die Bürgerversicherung bei den Grünen auf der Agenda: zunächst mit einem Finanzausgleich zwischen GKV und PKV und einer Verbeitragung auch von Kapitaleinkünften. 

Ebenso spricht sich die SPD für einen Finanzausgleich zwischen gesetzlicher und Privater Kranken- und Pflegeversicherung aus. Versicherungsfremde Leistungen müssten stärker aus Steuermitteln finanziert werden.  

Arzneimittelversorgung und Industrie:

Die CDU will Engpässe bei Arzneimitteln und Medizinprodukten abbauen, Lieferketten sichern und die Entwicklung von Reserveantibiotika, Impfstoffen, Kinderarzneimitteln und Krebstherapeutika verbessern. Das gelte auch für Orphan Drugs. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland einmal „die Apotheke der Welt“ gewesen sei, müsse es politischer Anspruch sein, „die Pharma- und Gesundheitswirtschaft zu einer echten Leitökonomie zu machen“. 

Die SPD spricht sich für eine Stärkung der Produktion von Arzneimitteln in Deutschland und Europa aus. Dazu sollen Krankenkasse Verträge über größere Liefermengen und für längere Zeiträume mit den Herstellern am Standort Europa abschließen. 

Zu diesem Leistungsbereich gibt es von Bündnis 90/Die Grünen keine Aussage. 

Suizidprävention und Pflegekompetenz: Zwei Gesetze noch in dieser Legislatur?

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Entwürfe für ein Gesetz zur Suizidprävention und zur Erweiterung der Kompetenzen für Pflegeberufe beschlossen. Diese Gesetze seien nach intensiven Vorarbeiten und basierend auf Beschlüssen des Bundestages etwa zur Suizidprävention zwischen den Fraktionen unstrittig, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, sodass Hoffnung bestehe, dass sie noch in dieser Legislaturperiode im Januar verabschiedet werden könnten. 

Mit dem Suizidpräventionsgesetz werde auf die „schreckliche“ Tatsache reagiert, dass sich jährlich in Deutschland 10.000 Menschen das Leben nehmen. Nun soll eine Bundesfachstelle errichtet werden, die folgende Aufgaben hat:

Das Pflegekompetenzgesetz soll hochqualifizierte Pflegeberufe attraktiver machen und ihnen auch die Übernahme heilkundlicher Leistungen ermöglichen. Das betrifft etwa das Wundmanagement bei Diabetes und Demenz. Ferner sollen die Pflegeberufe eigenverantwortlich Folgeverordnungen für bestimmte Hilfsmittel ausstellen können. An der Ausgestaltung der erweiterten Kompetenzen sollen die Organisationen der Pflegeberufe systematisch beteiligt werden. Dazu gehören auch erweiterte Kompetenzen in der Prävention. Im Vertrags- und Leistungsrecht soll sichergestellt werden, dass die pflegerische Versorgung auch für innovative Wohnformen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit durch die Pflegversicherung abgedeckt ist.     

Ferner kündigte Lauterbach an, dass die Rechtsverordnung über die Einrichtung des Transformationsfonds für die Krankenhausreform, die am 1. Juli 2025 in Kraft treten soll, noch in dieser Legislaturperiode vom Bundeskabinett verabschiedet werden kann. Zwei weitere Rechtsordnungen, die ab 2026 wirksam werden, seien ebenfalls in Vorbereitung, so dass die Krankenhausreform im Zeitplan sei.

Keine Chance sieht Lauterbach hingegen für die Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung. Es sei widersinnig, wenn die FDP jetzt dazu einen Antrag stelle. Gerade das FDP-geführte Finanzministerium habe das entsprechende Gesetz über Monate hinweg blockiert.

Zum Jahresbeginn 2025: Änderungen in der Gesundheitsversorgung

Mit dem Jahreswechsel tritt eine Reihe von versorgungsrelevanten Neuerungen in Kraft, die das Bundesgesundheitsministerium zusammengestellt hat. Die wichtigsten Veränderungen:

Binnen Jahresfrist: Jeder Vierte GKV-Versicherte in Kliniknotaufnahme

Innerhalb von zwölf Monaten hat etwa ein Viertel der gesetzlich Versicherten wegen eines vermuteten medizinischen Notfalls die Notaufnahme eines Krankenhauses aufgesucht. 60 Prozent davon wurden ambulant, 40 Prozent stationär behandelt. In vielen Fällen hätten allerdings auch die Dienste der Vertragsärzte ausgereicht und in Anspruch genommen werden können, wenn die Terminvermittlung funktioniert hätte. Das ist das Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Repräsentativumfrage im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes vom Frühjahr dieses Jahres.

Danach haben 68 Prozent der Befragten eine Dringlichkeit der Behandlung vermutet. 38 Prozent berichteten, dass zum Zeitpunkt der Erkrankung die Praxen geschlossen waren. Zwölf Prozent war keine Alternative zum Krankenhaus bekannt. 28 Prozent gaben an, die gesundheitlichen Probleme hätten auch in einer Arztpraxis behandelt werden können, zwölf Prozent waren sich unsicher, 60 Prozent hielten die Inanspruchnahme einer Klinik für notwendig. Von denjenigen, die eine Behandlung in der Arztpraxis für möglich gehalten haben, hätten 58 Prozent das auch wahrgenommen – unter der Voraussetzung, dass ihnen eine Terminservicestelle binnen 48 Stunden einen Termin hätten vermitteln können. Darin sieht der GKV-Spitzenverband einen gravierenden Mangel und fordert dringend eine Reform der Notfallversorgung.   

Neue Tarifgehälter für MFA

Nach Ablauf der Erklärungsfrist haben der Verband der medizinischen Fachberufe und die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferi8nnen und Medizinischen Fachangestellten das Ergebnis ihrer Verhandlungen für einen neuen Tarifvertrag veröffentlicht. Danach steigen die Gehälter mit Wirkung vom 1. Januar 2925 linear um 3,85 Prozent. Zum 1. Januar 2026 kommt es zu unterschiedlichen Steigerungsraten, die im Durchschnitt 3,4 Prozent ausmachen. Etwas stärker steigen die Gehälter in den unteren vier Berufsjahrstufen. Darüber hinaus wurde eine neue Berufsjahrstufe für das 29. Bis 32. Berufsjahr vereinbart. Die Ausbildungsvergütungen steigen ab dem Jahreswechsel auf 1000/1100/1200 Euro und ab 2026 jeweils um 50 Euro. Ferner wurde der Urlaubsanspruch auf 29 Tage, für MFA ab dem 55. Lebensjahr auf 31 Tage erhöht.  

Bundesausschuss erweitert das ASV-Angebot

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf seiner letzten Plenumssitzung in diesem Jahr am Donnerstag den Katalog für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) um drei Indikationen erweitert: die allogene Stammzelltransplantation, Tumoren des lymphatischen, blutbildenden Gewebes und schwere Erkrankungen der Blutbildung. Auf Basis der Qualitäts- und Qualifikationsanforderungen der jetzt beschlossenen Richtlinie. Die noch vom Bundesgesundheitsministeriums genehmigt werden muss, können interdisziplinäre Teams von Vertrags- und Krankenhausärzten dann im kommenden Jahr die Bildung eines ASV-Teams dem erweiterten Landesausschuss anzeigen. 

Alternative für Influenza-Impfung:

In einem weiteren Beschluss hat der Bundesausschuss die Empfehlung der Ständigen Impfkommission in die Schutzimpfungsrichtlinie übernommen: Danach können GKV-Versicherte über 60 Jahre auch mit den neuen MF59-adjuvantierten Impfstoffen ab der Grippesaison gegen Influenza geimpft werden. Sobald die Richtlinie vom BMG genehmigt ist, können diese Impfstoffe, sofern verfügbar, auch in der laufenden Influenza-Saison eingesetzt werden.

Qualitätssicherung bei Sepsis in Kliniken:

Ab 2026 müssen Krankenhäuser Qualitätsberichte über Diagnosen und Therapie bei Sepsis strukturiert berichten. Dies sieht ein neues Qualitätssicherungsverfahren des Bundesausschusses vor. Die Fragebögen der Daten, die erhoben werden und die von Sozialdaten der Kassen ergänzt werden, sollen im Sommer zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse sollen in die Qualitätsberichte der Kliniken sowie in die Vergleichsportale einfließen und einen Verbesserungsprozess auslösen. Die Daten sind auch für Patienten und zuweisende Ärzte ab 2026 transparent.

Erheblicher Zusatznutzen für Osimertinib:

In einer erneuten Nutzenbewertung aufgrund einer neuen, länger laufenden Studie hat der Gemeinsame Bundesauschuss dem Krebstherapeutikum Osimertinib zur Behandlung des nicht kleinzelligen Lungenkrebses nach einer vollständigen Entfernung des Tumors einen erheblichen Zusatznutzen zuerkannt. Das ist eine Bestbewertung, die nur äußerst selten erteilt wird. Neben einer signifikant verbesserten Überlebensrate war vor allem die starke Verminderung der Rezidivrate für die Bewertung ausschlaggebend.  

Hilfsmittel für Wundbehandlung: Ersatzkassen zahlen bis März

Die Ersatzkassen haben sich bereit erklärt, Hiklfsmittel für die Wndbehandlung entsprechend einer Bitte des Bundesgesundheitsministers weiterhin bis zum 2. März zu bezahlen. Hintergrund ist, dass am 2. Dezember eine gesetzliche Übergangsregelung für diese Hilfsmittel ausgelaufen ist, sodass die Produkte nicht mehr Leistungsrecht der Kassen sind. Als Folge des Scheiterns der Ampel-Koalition konnte diese Regelung nicht verlängert werden.   

Ärzte an kommunalen Kliniken: 92 Prozent für Streik

Die seit sechs Monaten erfolglos geführten Verhandlungen um einen Tarifvertrag für Ärzte an kommunalen Krankenhäusern werden im Januar in Streiks münden. In einer Urabstimmung sprachen sich 92 Prozent der Betroffenen dafür aus. Der Urabstimmung vorausgegangen waren fünf Verhandlungsrunden mit dem Verband kommunaler Arbeitgeber, die allesamt erfolglos geblieben waren. Der Marburger Bund fordert eiune lineare Gehaltserhöhung von 8,5 Prozent, Verbesserungen bei der Rufbereitschaft und den Bereitschaftsdienstentgelten sowie eine Reform der Regelungen für die Schichtarbeit. 

Arzneimittelinnovationen 2024: Orphan Drugs dominant

Insgesamt sind im ablaufenden Jahr in Deutschland 43 von der European Medicinal Agency (EMA  in Amsterdam neu zugelassene Arzneimittel auf den Markt gekommen, für weitere 22 wurde die Indikation erweitert. 18 Neuzulassungen wurde der Orphan Drug-Status zuerkannt. Drei dieser Arzneimittel dienern der Behandlung von Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie, weitere Medikamente sind zur Behandlung von Myasthenia gravis geeignet. Weiterhin dominant unter den Neuzulassungen sind Krebstherapeutika (12), darunter fünf Kinase-Inhibitoren.  Mit zehn Neuzulassungen spielen Immuntherapeutika ebenfalls eine wichtige Rolle. Ferner wurden zwei Reserveantibiotika zugelassen, die auch gegen multiresistente Bakterien wirksam sind. Gegen Tollwut und das Atemwegsvirus RSV  kamen zwei neue Impfstoffe auf den Markt. Der RSV-Impfstoff ist der erste nach der Covid-19-Vakzine, der auf mRNA basiert.

Nur bei einem der 43 neu zugelassenen Arzneimittel waren deutsche Labore an der Entwicklung beteiligt, wie der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) mitteilt. Allerdings waren an der klinischen Forschung – durch Teilnahme an Studien – bei 31 Prozent der Neuzulassungen deutsche Kliniken und Arztpraxen beteiligt.  

Biotech-Branche gegen den Trend optimistisch 

Entgegen dem gesamtwirtschaftlichen Trend, wie er in dem sich ständig verschlechternden ifo-Geschäftsklima-Index zum Ausdruck kommt, hat sich die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in der deutschen Biotechnologie-Branche in den letzten zwölf Monaten deutlich aufgehellt. Das geht aus der jüngsten Trendumfrage voin BIO Deutschland unter 153 Biotech-Unternehmen hervor. Die Umfrage ist analog zum ifo-Index konstruiert. Danach beurteilen 33 Prozent ihre Geschäftslage als gut, 20 Prozent als schlecht. Für das kommende Jahr erwarten 37 Prozent eine Verbesserung der Geschäftslage, 16 Prozent eine Verschlechterung. Jedes zweie Unternehmen will neues Personal einstellen, 14 Prozent wollen Stellen abbauen. 42 Prozent wollen ihre F+E-Ausgaben erhöhen (plus 8 Prozent zum Vorjahr). 58 Prozent bewerten das politische Klima als befriedigend, 31 Prozent als schlecht. Zwei Drittel der an der Trendumfrage teilnehmenden Biotech-Unternehmen gehört zur medizinischen Biotechnologie.