Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Ethikrat für kontrollierte Nutzung von KI in Medizin
Der Deutsche Ethikrat spricht sich für eine kontrollierte Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin aus, der Marburger Bund liefert Verbesserungsvorschläge für die Krankenhausreform: mehr aus KW 12 erfahren.
Ethikrat sieht Vorteile durch die Nutzung von KI in der Medizin
In einer vom Bundestag erbetenen Stellungnahme hat sich der Deutsche Ethikrat für eine kontrollierte Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin ausgesprochen. In Forschung, Diagnostik und Therapie könne KI beschleunigend und qualitätsverbessernd wirken, den Zugang zur Versorgung erleichtern und Ärzte entlasten. Grundsätzlich müsse der Einsatz von KI allerdings stets von Plausibilitätsprüfungen begleitet sein. Der Ethikrat gibt dazu neun Empfehlungen ab:
- Bei Entwicklung, Erprobung und Zertifizierung medizinischer KI-Produkte bedarf es einer engen Zusammenarbeit mit relevanten Zulassungsbehörden und medizinischen Fachgesellschaften.
- Bei der Auswahl von Trainings-, Validierungs- und Testdatensätzen soll durch Monitoring und Dokumentationspflicht sichergestellt werden, dass alle für die betreffenden Patientengruppen relevanten Faktoren (Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen, Komorbiditäten) berücksichtigt werden.
- Beim Design von KI-Produkten zur Entscheidungsfindung muss die Ergebnisdarstellung die Gefahr von Automatismen transparent machen und die Notwendigkeit einer reflexiven Pausibilitätsprüfung der von KI vorgeschlagenen Handlungsweise unterstreichen.
- Bei der Sammlung, Verarbeitung und Weitergabe gesundheitsbezogener Daten müssen generell strenge Anforderungen an Aufklärung, Datenschutz und Schutz der Privatheit gestellt werden.
- Bei durch empirische Studien belegter Überlegenheit von KI-Anwendungen gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden muss sichergestellt sein, dass diese allen Patientengruppen zur Verfügung stehen.
- Für erwiesen überlegene KI-Anwendungen soll eine rasche Integration in die klinische Ausbildung von Ärzten erfolgen, um eine breite Nutzung zu ermöglichen und Zugangsbarrieren abzubauen. Das gilt prinzipiell auch für andere Gesundheitsberufe.
- Bei routinemäßiger Anwendung von KI-Komponenten muss gewährleistet sein, dass eine sorgfältige Plausibilitätsprüfung stattfindet. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Gefahr eines Verlustes von theoretischem wie haptisch-praktischem Erfahrungswissen.
- Bei fortschreitender Ersetzung ärztlicher, therapeutischer und pflegerischer Handlungssegmente durch KI-Komponenten muss nicht nur sichergestellt werden, dass Patienten über entscheidungsrelevante Umstände vorab informiert werden. Darüber hinaus muss Kommunikation stattfinden, um dem drohenden Gefühl einer zunehmenden „Verobjektivierung“ entgegenzuwirken und das Vertrauensverhältnis zu schützen.
- Eine vollständige Ersetzung des Arztes durch ein KI-System gefährdet das Patientenwohl und ist auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass schon heute in bestimmten Versorgungsbereichen ein akuter Personalmangel besteht. Die Verantwortlichkeit von Ärzten für die Planung, Durchführung und Überwachung des Behandlungsprozesses wird durch KI nicht überflüssig.
Marburger Bund: Krankenhausreform nicht zu Ende gedacht
In einer am 23.03. veröffentlichten Kurzbewertung der Pläne zur Krankenhausreform listet der Marburger Bund eine Reihe von Schwachpunkten auf und entwickelt weitergehende Forderungen. Generell begrüßt die Ärztegewerkschaft die Reform, bei der Finanzierung und Planung grundlegend verändert werden sollen. Sinnvoll sei auch der angestrebte Kompromiss durch die Bund-Länder-Kommission. Im Einzelnen gibt der Marburger Bund zu bedenken:
- Eine zielgerichtete Reform müsse von realistischen Annahmen ausgehen. Dazu gehörten Daten über tatsächlich verfügbare und mit Personal hinterlegte Bettenkapazitäten; dies sei bislang nicht bekannt.
- Die Auswirkungsanalyse der Deutschen Krankenhausgesellschaft zeige Risiken für die Versorgungssicherheit. Dies müsse insbesondere für Leistungen gelten, die flächendeckend in erreichbarer Nähe zur Verfügung stehen müssten; sonst drohe die Gefahr einer Wartelistenmedizin.
- Die Klinikreform müsse mit der geplanten Notfallreform verzahnt werden und bedürfe einer Stärkung der ambulanten Medizin. Durch Telemedizin müsse Spezialwissen in die Fläche gebracht werden.
- Die Reform des Vergütungssystems bleibe hinter den Erwartungen des Marburger Bundes zurück; er plädiert für eine komplette Abschaffung des DRG-Systems. Die partielle Beibehaltung der DRGs führe nicht zu einer Korrektur des Anreizsystems. Der Mengenanreiz würde bestehen bleiben. Das Papier der Regierungskommission liefere keine Hinweise, in welchem Verhältnis die bisherigen Vergütungselemente wie Zuschläge oder Abschläge und der Sicherstellungszuschlag zur geplanten Vorhaltevergütung stehen.
- In dem Modell der Regierungskommission sei nicht ersichtlich, welche Gründe für den vorgeschlagenen Leistungsgruppenmix und deren Zuordnung zu den Leveln maßgeblich waren. Der Marburger Bund hält die strikte Kopplung von Leistungsgruppen und Versorgungsleveln nicht für notwendig. Vermisst werden präzise Aussagen zu Kooperationsmöglichkeiten von Kliniken in einer Region.
- Schätzungen zufolge verfügen 650 der 1900 Krankenhäuser nicht über eine Notfallversorgung nach den Vorschriften des GBA; diese Krankenhäuser müssten damit rechnen, dem Level 1i zugeordnet zu werden. Davon betroffen seien besonders Bundesländer mit vielen dünn besiedelten Regionen.
- Der Marburger Bund spricht sich für den systematischen Ausbau von Kooperationen aus: jedes regionale Krankenhaus sollte durch eine Kooperationsvereinbarung mit einem überregionalen Maximalversorger verbunden sein. Dazu müsse eine telemedizinische Infrastruktur geschaffen werden, die auch mit ambulanten Zentren verbunden sei.
- Die Krankenhausreform müsse die Notwendigkeit und Sicherstellung der ärztlichen Weiterbildung berücksichtigen, Dazu müsse eine trägerübergreifende Verbundweiterbildung organisiert werden.
Wettbewerb um das Amt des Präsidenten der Bundesärztekammer
Bei den anstehenden Neuwahlen für die Spitze der Bundesärztekammer beim nächsten Ärztetag wird es zu einer Kampfabstimmung kommen. Neben dem Amtsinhaber Dr. Klaus Reinhardt bewirbt sich auch die Vorsitzende des Marburger Bundes, die aus Rüdesheim am Rhein stammende Infektiologin Dr. Susanne Johna. Der Bielefelder Allgemeinarzt Reinhardt ist seit 1977 – nach dem Rücktritt des damaligen Lungenfacharztes Professor Hans-Joachim Sewering – der erste niedergelassene Arzt im Amt des Bundesärztekammer-Präsidenten seit Jahrzehnten. Seitdem waren alle Präsidenten – Karsten Vilmar, Jörg-Dietrich Hoppe und Frank-Ulrich Montgomery - Klinikärzte und Vorsitzende des Marburger Bundes.