Die Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen entkoppelt sich immer weiter von der Entwicklung der deutschen Wirtschaftsleistung. So stiegen die Leistungsausgaben der GKV im ersten Quartal 2024 um 7,5 Prozent, während die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,2 Prozent zurückging und die Inflationsrate bei 2,6 Prozent lag. Das Defizit der Krankenkassen belief sich auf 776 Millionen Euro, die Finanzreserven schrumpften auf 7,6 Milliarden Euro, das sind 0,3 Monatsausgaben. Gesetzlich vorgeschrieben sind 0,2 Monatsausgaben. Das Defizit im Gesundheitsfonds ließ dessen Reserve um 4,5 auf 4,9 Milliarden Euro schrumpfen. Diese Entwicklung müsse man "ernst nehmen", so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Sie zeige die Notwendigkeit von Reformen. Bereits im vergangenen Jahr lag das Defizit der Krankenkassen nach den nun vorliegenden endgültigen Abrechnungsergebnissen bei 1,89 Milliarden Euro.
Abermals überproportional sind die Ausgaben für Krankenhäuser mit 1,95 Milliarden Euro oder 8,5 Prozent gestiegen. Sie seien ein maßgeblicher Treiber der Ausgabenentwicklung. Ursächlich sind eine starke Preiskomponente von fünf Prozent und die von den Krankenkassen voll zu refinanzierenden Pflegepersonalkosten von plus 10,5 Prozent. Kräftig gestiegen um 50 Prozent sind die Ausgaben für ambulante OP's in Kliniken.
Ebenfalls stark zugenommen haben die Ausgaben für Arzneimittel mit 9,1 Prozent oder 1,12 Milliarden Euro. Ursächlich dafür ist unter anderem die Rückführung des gesetzlichen Rabatts von 12 auf 7 Prozent. Ohne diesen Effekt stiegen die Ausgaben um 7 Prozent. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die ambulante spezialfachärztliche Versorgung kräftig an Bedeutung gewinnt. So stiegen die im Rahmen der ASV verursachten Arzneimittelkosten um 221 Millionen Euro, ein Plus von 54 Prozent.
Auch die Ausgaben für ambulante ärztliche Versorgung scheinen stärker zu steigen als in den Vorquartalen: Hier liegt der Zuwachs bei 4,7 Prozent oder 558 Millionen Euro; hierbei handelt es sich allerdings um Schätzwerte, da noch keine endgültigen Abrechnungen vorliegen. Die Ausgaben für extrabudgetäre Psychotherapie nahmen um 7,7 Prozent zu.
Besonders dynamisch haben sich darüber hinaus Reha und Prävention entwickelt: Für Schutzimpfungen sowie Vorsorge- und Reha-Leistungen wendeten die Krankenkassen jeweils 13 Prozent mehr auf.
Das erste bereits in der konkreten Umsetzung befindliche Element der Krankenhausreform, der Bundesklinikatlas, kommt nicht aus der Kritik – obwohl das digitale Leistungs- und Qualitätsverzeichnis für stationäre Leistungen bereits mehrfach vom IQTIG überarbeitet worden ist. Mit dem letzten Update wurde eine grundlegende Vereinfachung realisiert. So werden die suchbaren Krankheiten nicht mehr nach detaillierten OPS-Codes oder ICD-Klassifikation aufgeführt, sondern in 20 wichtigen Eingriffsarten zusammengefasst, die etwa 70 Prozent der Klinikfälle abdecken. Damit sind allerdings auch erhebliche Lücken entstanden. Zum Beispiel sind im Bereich der Lungenerkrankungen lediglich Lungenentzündungen aufgeführt. Außerdem ist der Therapiebereich Diabetes völlig aus dem Atlas verschwunden. Der Berufsverband Deutscher Internisten – nicht der einzige Kritiker des Atlas – sieht in dem jetzt vorliegenden Werk keinen Nutzen für Patienten mehr. Er sei unausgereift und praxisfern und somit typisch für viele Digitalprojekte und Gesetzentwürfe, so die Präsidentin des Berufsverbandes, Dr. Christine Neumann-Grutzeck.
Die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums für ein Gesundes-Herz-Gesetz stoßen bei ärztlichen Organisationen und bei Krankenkassen unisono auf scharfe Kritik. Massive Bedenken richten sich gegen Eingriffe in Kompetenzen der Selbstverwaltung, etwa des Gemeinsamen Bundesausschusses, aber auch gegen geplante teils detaillierte Vorgaben für einen erweiterten Einsatz von Statinen, was in Widerspruch zu Leitlinien einzelner Fachgesellschaften steht.
Das Ziel des Gesetzes ist es, Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen massiv auszuweiten. Regelhaft sollen Krankenkassen Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren zur J1 einladen, unter anderem auch um zur HPV-Impfung und über die Risiken des Rauchens zu beraten. Für Erwachsene sind ebenfalls Einladungsverfahren im Alter von 25, 35 und 50 Jahren vorgesehen, um Risiken von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes zu detektieren. War bislang der GBA für die Entwicklung von Anamnesebögen zuständig, so zieht dies nun das Gesundheitsministerium in seiner Kompetenz. Das gleiche gilt für die Vergütung der neuen Leistungen, die nicht mehr im Bewertungsausschuss von KBV und Kassen verhandelt werden soll. Die bislang in Leitlinien beispielsweise der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin festgelegten altersbezogenen Risiko-Scores für den Einsatz von Statinen will das Bundesgesundheitsministerium senken und damit den Einsatz dieser Arzneimittel deutlich erweitern.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann kritisiert dies als "Pillen-statt-Präventions-Gesetz". Die Chefs des Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier halten dies für einen falschen Weg: Tests und Medikamentenvergabe nach dem Gießkannenprinzip lehne man ab, ein zielgerichteter Einsatz von Statinen müsse vielmehr auf Basis individueller ärztlicher Indikationsstellung vorgenommen werden.
Der letzte in Europa noch aktive Hersteller von Metamizol, die Firma Euroapi in Frankfurt-Höchst, hat angekündigt, die Produktion des Wirkstoffs Ende 2025 einzustellen. Der im Jahr 1922 von dem damaligen Pharma-und Chemieunternehmen Hoechst entwickelte Wirkstoff ist das wichtigste und am meisten verordnete verschreibungspflichtige Analgetikum. Wegen gravierender Nebenwirkungen war es Anfang der 1980er Jahre in Deutschland der Rezeptpflicht unterstellt worden, ist in anderen Ländern aber verschreibungsfrei. Mit der Entscheidung von Euroapi, das am Standort Höchst etwa zwei Dutzend generische Wirkstoffe herstellt, wird ab Ende nächsten Jahres nur noch Metamizol in China hergestellt. Damit entsteht in einem weiteren Indikationsbereich der Medizin ein neues Klumpenrisiko für eine sichere Versorgung.