Die ab dem 1. Juli geltende neue Testverordnung führt nach Ansicht der KBV und etlicher Ärzteorganisationen zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung durch Ärzte und der Prüfung durch die KVen, für die die Stichprobe auf zwei Prozent der Leistungserbringer angehoben worden ist.
Die nun bis zum 25. November geltende Verordnung der Bundesregierung sieht vor, dass die kostenlosen Bürgertestungen nach Paragraf 4a grundsätzlich abgeschafft werden. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen und zum Teil Selbstbeteiligungsregeln, die Ärzte überprüfen müssen. Dies sind im Einzelnen:
Die Anspruchsberechtigung muss durch Ausweise und/oder entsprechende Dokumente nachgewiesen werden; der Arzt ist zur Prüfung verpflichtet. Dies gilt beispielsweise auch für die geplante Teilnahme an Veranstaltungen, etwa durch eine Eintrittskarte.
Geändert haben sich die Vergütungsregelungen: Die an die Leistungserbringer für Leistungen der Labordiagnostik mittels eines Nukleinsäurenachweises einschließlich ärztlicher Laborleistungen zu zahlende Vergütung wird von 43,56 auf 32,39 Euro verringert. Die Vergütung von Sachkosten für PoC-Antigentests und für Antigentests zur Eigenanwendung werden von 3,50 auf 2,50 Euro gesenkt. Die ärztliche Vergütung für alle mit dem Test zusammenhängenden Leistungen wird von acht auf sieben Euro gesenkt.
Die Vorstände der KBV und der KVen halten die zahlreichen Vorgaben, die die Rechtsverordnung für die Anspruchsberechtigung macht, für nicht durchführbar.
"Vor dem Hintergrund der schon jetzt bestehenden eklatanten Betrugsproblematik können die KVen Bürgertestungen unter diesen Rahmenbedingungen zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen"
Reaktion der KBV und KVen
Auf ein Protestschreiben der KBV und der KVen habe das Bundesgesundheitsministerium postwendend reagiert und einen Dialog unterbreitet. Dazu sei die KBV bereit, erklärte deren Vorsitzender Dr. Andreas Gassen.
Der Berufsverband der Laborärzte kritisiert unter Qualitätsaspekten die weiterhin möglichen Bürgertests und fordert eine Fokussierung des Testgeschehens auf die ärztliche Labordiagnostik. Notwendig sei auch die vom Expertenrat der Bundesregierung geforderte Einführung einer Multiplex-PCR zur parallelen Bestimmung mehrerer respiratorischer Keime in der Coronavirus-Testverordnung. Unter Verweis auf monatliche Ausgaben von bis zu einer Milliarde Euro für Antigen-Schnelltests könne das gesamte Testgeschehen ohne Mittelkürzung wieder in die ärztliche Verantwortung zurückgeführt werden, so der Berufsverbandsvorsitzende Dr. Andreas Bobrowski.
Das Bundesgesundheitsministerium und die KBV haben sich auf die Modalitäten der Abrechnung von in Testzentren durchgeführten Coronatests geeinigt. Hinsichtlich der Bedingungen und insbesondere der Prüfung der Anspruchsberechtigung der in Praxen durchgeführten Tests ändert sich für Ärzte nichts an der am 30. Juni in Kraft getretenen modifizierten Testverordnung.
KVen nehmen, so in einer gemeinsamen Erklärung von BMG und KBV, weiterhin die Abrechnungen der Testzentren entgegen und nehmen die Auszahlungen vor. Die Bedenken der KBV hinsichtlich der Prüfungen nehme das BMG ernst, heißt es. Aufgabe der KVen sei es, die Akkreditierung der Testzentren und die rechnerische Richtigkeit der Abrechnung zu prüfen. Nach Auszahlung gehen die Abrechnungen an den Bund weiter. Danach werde die Plausibilität überprüft, Auffälligkeiten werden an die Ordnungsbehörden der Kommunen weitergegeben. Die Ordnungsbehörden teilen den KVen mit, ob und ij welcher Höhe Rückforderungen erfolgen müssen. Aus Sicht der JKBV ist damit klargestellt, dass KVen nicht für Betrugsfälle verantwortlich gemacht werden können.
Aus dem Hartmannbund kommt Kritik an dieser Einigung: Sie helfe zwar den KVen, für die Ärzte an der Basis sei damit aber nichts gewonnen, so der Vorsitzende des Arbeitskreises "Ambulante Versorgung", Dr. Marco Hensel. Sie müssten weiterhin die Selbstauskünfte und die Anspruchsberechtigung zu testender Personen prüfen und überdies die Zuzahlungen kassieren. Das treffe die Praxen völlig unvorbereitet.
Der Plan des Bundesgesundheitsministeriums, mit dem Gesetz zur Stabilisierung der GKV-Finanzen eine 2019 mit dem TSVG eingeführte Vergütungsregelung neuer Patienten aufzuheben, kann die Ärzte nach Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung rund 400 Millionen Euro kosten. Das entspreche dem Leistungsbudget von 1.650 Ärzten und Psychotherapeuten, so der Institutsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Für Patienten, die dringend einen Arzttermin suchen, bedeute diese effektiv eine Leistungskürzung. Dies widerspreche auch Reformplänen der Bundesregierung, die Notfallaufnahmen von Kliniken zu entlasten und die ambulante Medizin zu stärken.
Für die am 11. Juli startenden Tarifverhandlungen mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) über neue Gehälter für die mehr als 20.000 Ärzte an den Unikliniken fordert der Marburger Bund eine Erhöhung um 8,9 Prozent sowie eine bessere Bezahlung von Nacht- und Wochenenddiensten. Begründet wird dies mit der Dreifachbelastung der Uniärzte: die Behandlung schwerkranker Patienten mit Mitteln der hochspezialisierten Medizin, ihr Beitrag zur Forschung und ihre Ausbildungsleistungen. Außerdem seien die Ärzte trotz hoher Belastungen der Universitätsmedizin bei der Gewährung von Corona-Prämien bislang leer ausgegangen. Die Zuschläge für Arbeit in der tiefen Nacht (0 bis 4 Uhr) sollen auf 40 Prozent, für Sonntagsarbeit auf 50 Prozent und für Samstagsarbeit auf 20 Prozent erhöht werden. Ferner soll für langjährige Oberärzte eine neue Entgeltstufe geschaffen werden, um diese Mediziner langfristig an die Unikliniken zu binden.
Versicherten über 60 Jahren sollen über die für sie von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen intensiver beraten und aufgeklärt werden. Das ist das Ziel des Projekts "ALIVE" (ALtersspezifische Impfinanspruchnahme VErbessern). Das von Innovationausschuss des GBA geförderte Projekt wurde vom Verband der Ersatzkassen initiiert; Partner sind unter anderem die KBV sowie die KVen Nordrhein, Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein. Die Umsetzung erfolgt in 1.000 zufällig ausgewählten Hausarztpraxen, deren Ärzte und MFA im Vorfeld eine spezielle Online-Fortbildung absolviert haben. Das Projekt läuft bis März 2024, es wird vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung und die Uni Oldenburg evaluiert.