Mit Ausnahme des Hausärzteverbandes ist der in der Woche vor Ostern veröffentlichte Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) eher zurückhaltend, teilweise mit deutlicher Kritik aufgenommen worden. Vor allem die Krankenkassen haben sich aufgrund der nicht unerheblichen neuen Finanzbelastungen negativ positioniert. Die wichtigsten Neuerungen:
Ziel der Reform ist, alle Leistungen von Hausärzten ohne Abschlag zu vergüten und gleichzeitig Druck aus dem System zu nehmen, indem die Kontakthäufigkeiten potenziell vermindert werden. Dazu wird der Quartalsbezug der bisherigen Vergütung durch einen Jahresbezug abgelöst: Hausärzte erhalten für die Betreuung chronisch Kranker – Patienten mit lang andauernder, lebensverändernder Erkrankung, die eine Dauermedikation erfordert – eine jährliche Versorgungspauschale. Diese kann in Abhängigkeit von der Komplexität des Versorgungsbedarfs in Stufen zwischen GKV und KBV vereinbart werden. Ferner erhält der Bewertungsausschuss den Auftrag, eine Vorhaltepauschale – ebenfalls in Stufen – zu vereinbaren, die typische hausärztliche Leistungen wie Haus- und Pflegeheimbesuche, bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten und Anwendungen der Telematikinfrastruktur – beispielsweise elektronische Patientenakte, Medikationsplan, elektronische Notfallakte – abbilden soll. Ferner wird die Budgetierung für alle hausärztlichen Leistungen aufgehoben.
Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall – bislang vor allem ein bürokratisches Ärgernis für viele davon betroffene Ärzte und möglicherweise auch eine Abschreckung, sich als Vertragsarzt niederzulassen – wird die Bagatellgrenze auf 300 Euro je Quartal, Krankenkasse und Betriebsstätte angehoben. Dies gilt für alle Vertragsärzte.
Für die Fachärzte sind mit diesem Gesetz keine Veränderungen der Honorarsystematik geplant. Allerdings arbeitet das BMG an einem zweiten Versorgungsgesetz, mit dem auch Forderungen der Fachärzte aufgegriffen werden könnten.
Im Vergleich zu 2020 soll die Zahl der Medizinstudienplätze bis 2030 um 5.000 erhöht werden. Bis 2022 haben die Länder bereits 722 zusätzliche Studienplätze errichtet, weitere rund 1.170 sind bis 2026 geplant. Aufgrund der demografischen Entwicklung – einerseits eine hohe Zahl aus dem Berufsleben ausscheidender Ärzte, andererseits eine deutlich steigende Morbiditätsbelastung – sieht das Bundesgesundheitsministerium erheblichen Mehrbedarf für Ausbildungskapazitäten der Medizinfakultäten. Daher sollen ab 2026 weitere 3.100 Studienplätze mit hälftiger Förderungsfinanzierung der GKV aufgebaut und unterhalten werden. Das BMG geht von durchschnittlich 35.200 Euro an jährlichen Kosten für einen Medizinstudienplatz aus, von denen die GKV die Hälfte tragen soll. Die Belastung für die Kassen liegt 2026 bei 110 Millionen Euro und dann ab 2031 bei konstant 660 Millionen Euro jährlich. Geschaffen wird dazu ein Fonds, der aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gespeist und vom Bundesamt für Soziale Sicherung verwaltet werden soll. Studenten, die einen solchermaßen geförderten Studienplatz erhalten, sollen sich verpflichten, mindestens zehn Jahre in der ärztlichen Versorgung tätig zu sein.
Aus Projekten des GBA-Innovationsfonds hat sich nach Auffassung des BMG ein Bedarf an Gesundheitskiosken ergeben, die nun mit einem neuen Paragraf 65g als Leistung der GKV etabliert werden sollen. Deren Aufgaben: Erbringung von Leistungen der allgemeinen Beratung und Unterstützung bei der medizinischen und präventiven Bedarfsermittlung, Beratung und Vermittlung von Leistungen zur Prävention und zur medizinischen Behandlung einschließlich Telemedizin, die Durchführung einfacher medizinischer Routineaufgaben im Rahmen ärztlicher Delegation. Gesundheitskioske stehen unter der Leitung einer qualifizierten Pflegefachkraft (Community Health Care Nurse). Die Finanzierung erfolgt zu 74,5 Prozent aus Mitteln der GKV, 5,5 Prozent der PKV und 20 Prozent der Kommunen. Das Projekt muss evaluiert werden. Das BMG kalkuliert, dass ein Gesundheitskiosk im Schnitt mit vier Fachkräften besetzt ist und jährliche Gesamtkosten von 400.000 Euro verursacht. Perspektivisch geht das Ministerium davon aus, dass bis 2028 rund 220 Gesundheitskioske errichtet sein könnten. Das würde Gesamtkosten von 88 Millionen Euro erfordern, von denen gut 70 Millionen Euro auf GKV und PKV entfallen würden.
Primärversorgungszentren (Paragraf 73a) sollen eine hausärztliche Versorgung, ergänzt durch zusätzliche berufsgruppenübergreifende, koordinierte, kooperative und versorgungssteuernde Leistungselemente gekennzeichnet sein. Sie liegen in ärztlicher Hand und müssen von mindestens drei Hausärzten mit einem vollen Versorgungsauftrag errichtet werden. Die Anforderungen: Kooperationsvereinbarung mit einem Gesundheitskiosk, mit Fachärzten und nichtärztlichen Leistungserbringern. Eine Anerkennung der KV ist notwendig. KBV und GKV-Spitzenverband legen die Anforderungen im Detail fest und vereinbaren auch Vergütungen.
Im Gemeinsamen Bundesausschuss erhalten Vertretungen der Pflegeberufe ein Mitberatungs- und Initiativrecht, soweit es um Regelungen geht, die die Pflegeberufe betreffen. Die Beteiligung der Patientenvertretung wird insoweit gestärkt, als Patientenvertreter bei Entscheidungen des Bundesausschusses eine erneute Beratung, also eine "zweite Lesung", verlangen können.
In Reaktion auf die seit einigen Jahren im internationalen Vergleich zurückfallende Attraktivität Deutschlands als Forschungsstandort, insbesondere bei klinischen Studien, hat das Bundeskabinett kurz vor Ostern den Entwurf eines Medizinforschungsgesetzes verabschiedet. Es zielt vor allem darauf ab, bürokratische Prozesse zur Genehmigung klinischer Studien zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dazu soll die Zusammenarbeit der Arzneimittelzulassungsbehörden optimiert, dezentrale klinische Prüfungen außerhalb von Prüfzentren ermöglicht, Standardvertragsklauseln für Sponsoren und Prüfzentren eingeführt, eine unabhängige spezialisierte Ethikkommission für komplexe und eilige Verfahren eingerichtet und Ethikkommissionen der Länder auf bestimmte Verfahrenstypen spezialisiert werden. Ferner können Arzneimittelhersteller künftig vertrauliche Erstattungsbeträge für ihre Arzneimittel vereinbaren. Sind im Rahmen von klinischen Studien spezielle strahlenschutz-relevante Genehmigungen erforderlich, so werden die dazu notwendigen Verfahren beim Bundesamt für Strahlenschutz mit denen des Arzneimittel- und Medizinproduktegesetzes harmonisiert. Anträge können künftig auf einem einheitlichen Portal eingereicht werden. Prüffristen werden verkürzt, nuklearmedizinische Einrichtungen werden von der Erlaubnispflicht bei Herstellung radioaktiver diagnostischer Prüfpräparate befreit.
Organisationen der pharmazeutischen Industrie und der medizinischen Forschung haben die geplanten Reformen begrüßt. Von Seiten der Krankenkassen wird die Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge jedoch kritisiert.
Die Zahl der in der vertragsärztlichen Versorgung tätigen Ärzte und Psychotherapeuten ist 2023 um 1,2 Prozent auf 187.411 gestiegen. Dabei nahm die Zahl der Psychotherapeuten mit plus 3,4 Prozent deutlich stärker als die der Mediziner (plus 0,7 Prozent) zu.
Angesichts des anhaltenden Trends zur Anstellung und Teilzeitarbeit sieht die KBV die Gefahr eines "Ausblutens" der ambulanten Versorgung, die mit rund einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten das Rückgrat der Versorgung bilde.
Von den rund 188.000 Ärzten und Psychotherapeuten ist die überwiegende Zahl – 124.653 – in eigener Praxis tätig. Erstmals hat 2023 die Zahl der angestellten Ärzte und Psychotherapeuten die magische Grenze von 50.000 überschritten; seit 2013 hat sich ihre Zahl verdoppelt. Noch dynamischer entwickelte sich die Teilzeitbeschäftigung mit einem Plus von 235 Prozent auf mehr als 60.000. Der Frauenanteil steigt weiter und liegt nun auch bei Haus- und Augenärzten bei knapp über 50 Prozent. Das Durchschnittalter liegt konstant bei 54,1 Jahren.