Vor dem Hintergrund eines prognostizierten Defizits der gesetzlichen Krankenkassen von 17 Milliarden Euro im Jahr 2023 – andere Schätzungen gehen von bis zu 24 Milliarden Euro aus – fordert der GKV-Spitzenverband dringend Klarheit vom Gesetzgeber durch ein Finanzstabilisierungsgesetz. Ein nicht mit anderen Ressorts abgestimmter Referentenentwurf war im März nach wenigen Tagen wieder vom Bundesgesundheitsministerium zurückgezogen worden.
Zur Abdeckung des von der GKV erwarteten Defizits wäre es erforderlich, den Beitragssatz um mindestens 1,1 Prozentpunkte anzuheben, unter anderem auch deshalb, weil Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bereits bei seinem Amtsantritt Leistungskürzungen kategorisch ausgeschlossen hat. Der GKV-Spitzenverband, so deren Vorsitzende Dr. Doris Pfeiffer bei einem Presseseminar in Sommerfeld bei Berlin, sieht daher den Staat gefordert und schlägt drei Maßnahmen vor:
Seit Wochen wird mit großer Spannung ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums erwartet, nicht zuletzt auch von der pharmazeutischen Industrie, die befürchtet, als einzige Gruppe unter den Leistungserbringern massiv von Einsparungen betroffen zu sein, beispielsweise durch eine Mixtur diverser Abschläge auf Preise und Erstattungsbeträge. Im ersten Entwurf war aufgrund dieser Maßnahmen eine Entlastung der Kassen um rund drei Milliarden Euro vorgesehen – viel zu wenig, um das Finanzierungsloch zu decken. Angesichts ihrer Zusagen – keine Beitragserhöhungen, keine Leistungseinschnitte, Einhaltung der Grenzen für die Neuverschuldung ab 2023 – hat sich die Bundesregierung in ein nicht auflösbares Dilemma manövriert. Die Ziele sind in dieser Kombination nicht erreichbar.
Neben der Krankenversicherung droht auch der gesetzlichen Pflegeversicherung nach einem aktuell für 2022 erwarteten Finanzloch von 2,3 Milliarden Euro im kommenden Jahr ein noch weiter wachsendes Defizit. Ohne eine Erhöhung des Bundeszuschusses müssten die Beitragssätze um 0,35 Prozent auf 3,4/3,75 Prozent angehoben werden, so das für die Pflegeversicherung zuständige Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer. Der Verband fordert eine Erhöhung des Bundeszuschusses von 4 Milliarden Euro zur Finanzierung bislang nicht gedeckter Corona-Maßnahmen sowie weitere 3,3 Milliarden Euro zur Abdeckung von Sozialversicherungsbeiträgen, die die Pflegekassen für pflegende Angehörige übernehmen. Der GKV-Spitzenverband kritisiert, dass die Pflegekassen derzeit nur durch Kredite liquide gehalten werden, die über kurz oder lang wieder zurückgezahlt werden müssen. Dabei drohen den Pflegekassen weitere Kostensteigerungen: die Tarifbindung von Pflegeeinrichtungen ab September und neue bundeseinheitliche Personalschlüssel.
Der Expertenrat der Bundesregierung empfiehlt mit Blick auf den Herbst effektive Vorkehrungen gegen steigende Infektionszahlen und eine nicht auszuschließende erneute Überlastung des Gesundheitswesens und kritischer Infrastrukturen. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung haben die umfassenden Empfehlungen, die innerhalb der nächsten sechs Monate bundesweit in verschiedenen Politikfeldern umgesetzt werden sollen, ausdrücklich begrüßt. Der Expertenrat hat drei unterschiedliche Szenarien durchkalkuliert, von denen keines als ausgeschlossen gelten kann:
Die Experten empfehlen eine daran angepasste Strategie unter anderem mit folgenden Elementen:
Die zur Marktreife entwickelte mRNA-Technologie und die seit Dezember 2020 zugelassenen, in Deutschland entwickelten und hergestellten Impfstoffe haben zu einem Superboom der Biotechnologie-Branche geführt. So stieg der Umsatz sprunghaft um 279 Prozent auf 26,32 Milliarden Euro, die Forschungs-und Entwicklungsinvestitionen wuchsen um 54 Prozent auf 3,84 Milliarden Euro. Dies geht aus einer Umfrage des Branchenverbandes BIO Deutschland unter 750 privaten deutschen Unternehmen hervor. Die Zahl der Arbeitsplätze stieg um 16 Prozent. Wesentlich zu dem außerordentlichen Wachstum beigetragen haben die beiden Unternehmen BioNTech und CureVac. Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland, sieht die Chance, das Deutschland zu einem international führenden Biotechnologie-Standort werden kann. Das erfordere auch geeignete politische Rahmenbedingungen, um die technologische Souveränität zu sichern.