Wochenrückblick: Neue Infektionswelle und anhaltende Lieferengpässe

Eine frühe Welle an Atemwegsinfektionen stellt Hausarztpraxen vor große Herausforderungen. Lieferengpässe und die schleppende Digitalisierung des Gesundheitswesens bereiten der Medizin weitere Probleme.

Corona, Atemwegsinfekte und Grippe: Die Welle rollt

Nach Angaben der Vorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes, Professor Nicola Buhlinger-Göpfarth, ist in diesem Jahr bereits sehr früh im Herbst eine Welle an Corona-, Atemwegs- und Grippeinfektionen auf die Hausarztpraxen zugerollt. Die Lage sei angespannt, und es sei damit zu rechnen, dass Hausärzte neue Patienten außer in Notfällen nicht mehr annehmen könnten, sagte Buhlinger-Göpfarth der "Berliner Morgenpost". Man appelliere an Patienten mit erhöhtem Gesundheitsrisiko, sich rechtzeitig impfen zu lassen. Jeder schwere Fall, der vermieden werden könne, sei ein Segen sowohl für den Betroffenen als auch die versorgenden Ärzte. Als hinderlich wertet der Hausärzteverband die Hürden bei Impfungen, beispielsweise, dass es für Corona-Impfungen noch immer keine Einzeldosen gebe, sondern nur Gebinde für sechs Impfungen zur Verfügung stehen. Das erfordere, dass für jeden Impftermin sechs Impfwillige zusammengebracht werden müssten. Spontane Impfungen seien aber ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine hohe Impfquote. Wünschenswert wäre ferner ein Doppelimpfstoff gegen Covid-19 und Grippe.

Nach einer aktuellen Umfrage des Branchenverbandes Pharma Deutschland wollen sich in diesem Herbst 45,5 Prozent der Bundesbürger gegen Grippe impfen lassen, eine Impfung gegen Covid-19 planen nur 27,8 Prozent. Während generell die Impfbereitschaft der Ostdeutschen überdurchschnittlich hoch ist, stehen diese speziell der Corona-Impfung skeptischer gegenüber. Die niedrige Bereitschaft, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, wertet der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Dr. Elmar Kroth, als "besorgniserregende Entwicklung". Generell stehen immerhin 78,2 Prozent einer Impfung positiv gegenüber.  

 Trotz ALBVVG: Lieferengpässe bei Generika persistieren

Nach offiziellen Daten des Bundesinstituts für Arzneimittel sind derzeit für 496 Wirkstoffe Lieferengpässe gemeldet, das entspricht in etwa dem Vorjahresniveau. Bezogen auf Wirkstoffdosierungen und Packungsgrößen sind es nach Zählung des hessischen Apothekerverbandes sogar 1500. Insofern hat das Inkrafttreten des Gesetzes gegen Lieferengpässe, dass sich allerdings auf Kinderarzneimittel, Antibiotika und bestimmte Krebsarzneimittel beschränkt. Das Bundesgesundheitsministerium ist perspektivisch optimistischer: Es sieht aktuell keine Versorgungsengpässe, außerdem brauche das Gesetz Zeit, um zu wirken, etwa mit neuen Anschluss-Ausschreibungen und Verträgen an bislang, meist zwei Jahre dauernde Verträge.

Apotheker, Hersteller und GKV widersprechen den Ministeriums-Verlautbarungen; sie erwarten auch für die Zukunft keine signifikanten Verbesserungen. Bei Kinderarzneimitteln seien die Produktionskapazitäten bis zum äußersten ausgelastet, berichtete Pro Generika bereits vor Monaten. Kein einziges Unternehmen sehe aufgrund der nur sehr begrenzten Änderungen als Folge des ALBVVG einen hinreichenden Finanzspielraum und Planbarkeit für Investitionen in den Ausbau von Produktionskapazitäten in Deutschland. Als hinderlich wird dabei auch die von drei auf sechs Monate erhöhte Vorratsverpflichtung bei Abschluss von Versorgungsverträgen angesehen: Das binde Liquidität, die für Investitionen fehle. Auch die Praxis sei kontraproduktiv: Für das immer wieder von Lieferengpässen betroffene Tamoxifen, das vom BfArM als versorgungskritisch eingestuft wird und für das das Institut eine Preiserhöhung von 50 Prozent empfiehlt, liegt der Festbetrag unverändert bei 8,80 Euro abzüglich weiterer Rabatte. Die Hauptlast der Versorgung liegt gegenwärtig bei Hexal. 

Gesundheitsämter: Kaum Fortschritte bei der Digitalisierung 

Der von der EU und der Bundesregierung mit Milliarden-Beträgen geförderte Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst – darin sind allein 800 Millionen Euro für die Digitalisierung der Gesundheitsämter vorgesehen – hat in Bezug auf den Einsatz moderner Informationstechnologien bislang nur geringe Effekte gehabt. Nach einer Evaluierung durch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat es nur kleinere Fortschritte beim Einsatz von IT und im digitalen Datenaustausch. Mit Behörden gegeben. Insbesondere in Sicherheitsfragen – angesichts des Umgangs mit sensiblen Patientendaten von besonderer Bedeutung – hätten den Mitarbeitern qualifizierte Ansprechpartner gefehlt. Mitglieder des Bundesfachausschusses Digitalisierung zogen nach einer Sitzung am 25. September das Fazit, das der Pakt für den ÖGD in Bezug auf die Digitalisierung fast nichts gebracht habe. 

Dr. René Gottschalk, langjähriger Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, bestätigt dies gegenüber dem „Handelsblatt“: Ihm sei kein besonders erfolgreiches Digitalisierungsprojekt im Rahmen des Paktes bekannt. Nach wie vor sei die Arbeitssituation der Gesundheitsämter "unterirdisch". 

Auch in Bezug auf die geplante Aufstockung des Personals bleibt die Lage intransparent – effektive Verbesserungen lassen sich nicht nachvollziehen. Zwar sind mehr Ärzte als Amtsleitungen eingestellt worden, dafür hat die Zahl der Juristen abgenommen. Insgesamt sind zusätzlich 800 Mediziner in den Gesundheitsämtern beschäftigt worden; nicht bekannt ist allerdings, ob es sich dabei um anerkannte Fachärzte für das öffentliche Gesundheitswesen handelt.

KBV: ePA wird nur als Teamleistung erfolgreich

Nur wenn alle am ePA-Projekt Beteiligten – insbesondere die über 100 Anbieter von Praxisverwaltungs-Software – zielgerichtet und erfolgreich zusammenarbeiten, wird die Einführung der elektronischen Patientenakte zu Beginn des nächsten Jahres gelingen können, so KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Angesichts der vielen Chance, die die ePA biete, sei dies ausgesprochen wünschenswert. Mit Sorge sehe sie allerdings die sehr kurze Erprobungsphase der komplett neuen ePA von nur vier Wochen zwischen dem 15. Januar und dem 15. Februar in einigen Modellregionen. Es werde schwierig, in dieser kurzen Zeit auftretende Fehler zu beheben, bevor ab Mitte Februar der bundesweite Rollout startet.