In allerletzter Minute haben die Koalitionsfraktionen bei den abschließenden Beratungen des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes eine neue Bestimmung zur Patientensteuerung aufgenommen: Danach sollen Patienten, die die Notaufnahme eines Krankenhauses in Anspruch nehmen, aber dort nicht als Notfall eingestuft werden, nicht mehr in die reguläre vertragsärztliche Versorgung verwiesen, sondern nur noch in der Notdienstpraxis in oder am Krankenhaus versorgt werden. Die Einzelheiten dazu soll der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie bestimmen. Begründet wird dies damit, dass mit dieser Regelung der Aufwand für Patienten, aber auch Gesundheitspersonal verringert werde. Ist am Krankenhaus keine Notdienstpraxis eingerichtet, soll die Behandlung in der Notfallambulanz erfolgen.
Die KBV spricht von einer "Nacht-und-Nebel-Aktion", mit der die Koalition ihre eigenen Pläne für eine Reform der Notfallversorgung konterkariere. Dabei sei die Selbstverwaltung im Gemeinsamen Bundesausschuss bereits weit vorangeschritten, in einer Richtlinie die Einzelheiten zur qualifizierten Ersteinschätzung von Patienten bei mutmaßlichen Notfällen zu regeln. Den Klinikärzten in Notaufnahmen werde ein Bärendienst erwiesen, da diese nun noch stärker belastet würden. Die KBV bedauert und kritisiert, dass der Sachverstand der Ärzte erneut nicht in die Beratungen einbezogen worden sind. Auch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung sieht die Gefahr, dass Fehlsteuerungen mit dieser übereilten Regelung verstetigt und verschärft werden.
Dagegen argumentiert die Deutsche Krankenhausgesellschaft, dass Kliniken solche Patienten, die nicht unmittelbar behandlungsbedürftig sind, auch in Zukunft an Vertragsärzte weiterleiten werden. Die Sorge vor einer Überlastzung der Notdienstpraxen an Kliniken hält sie für nicht begründet. Es sei an den KVen, ihrer Verpflichtung zur umfassenden ambulanten Notfallbehandlung auch tatsächlich nachzukommen.
Nach einer langwierigen, von mehreren Warnstreiks begleiteten Tarifauseinandersetzung haben sich der Marburger Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber auf neue Gehälter für Ärzte an kommunalen Krankenhäusern geeinigt. Insgesamt steigen die Gehälter um 8,8 Prozent, und zwar zum 1. Juli 2023 um 4,8 Prozent und zum 1. April 2024 um 4 Prozent. Ferner erhalten die Ärzte einen Inflationsausgleich in Höhe von 2.500 Euro, die abgabenfrei sind. Der Tarifvertrag läuft 18 Monate bis zum 1. Juli 2024.
Ein Teil der von den Bundesländern vorgeschlagenen Maßnahmen zur Regulierung von iMVZ sind nach Auffassung des Verwaltungs- und Europarechtlers Professor Martin Burgi von LMU München nicht grundgesetz- und europarechtskonform. Das gelte für die Beschränkung der Gründung von MVZ auf einen Radius von 50 Kilometer um das Krankenhaus, das Verbot fachgleicher MVZ und die Festsetzung von höchstzulässigen Versorgungsquoten, heißt es in einem Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbandes der MVZ-Betreiber. Diese Eingriffe kollidierten mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung, das nur dann eingeschränkt werden dürfe, wenn gravierende Gemeinwohlbelange dies erfordern. Dafür gebe es aber kleine Evidenz: Noch im Januar hatte das Bundesgesundheitsministerium in seiner Antwort auf eine parlamentarische Umfrage der Unionsfraktion dargelegt, dass dazu keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen. Für verfassungs- und europarechtlich unproblematisch hält Burgi hingegen das Verbot der Konzeptbewerbung und der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, wenn die ärztliche Unabhängigkeit nicht gewährleistet ist, sowie die Überprüfung der Versorgungsaufgaben und Transparenzvorgaben über die Eigentümerstruktur.
Die Parteispitzen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen erwägen zur Schließung des GKV-Finanzdefizits in einer Größenordnung von rund 14 Milliarden Euro im kommenden Jahr eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Diese liegt gegenwärtig bei 4.987,50 Euro und definiert den Maximalbeitrag, den Versicherte bei den gesetzlichen Kassen zahlen müssen. Je nach Ausmaß der Anhebung dieser Grenze ist die Finanzwirkung für die Kassen erheblich. Widerstand kommt dagegen von der FDP.
Das Instrument hat politische Vorteile, weil nur relativ wenige Besserverdienende davon betroffen sind und eine breite Mehrheit von künftigen Beitragssatzsteigerungen entlastet werden könnten. Aber die ökonomischen Nebenwirkungen sind beträchtlich: Für Bezieher von Einkommen von über 5.000 Euro steigt die Abgabenlast signifikant und kumuliert zugleich mit einer progressiv steigenden Einkommensteuer. Für Ledige würde damit die Grenzabgabenbelastung insgesamt auf etwa zwei Drittel jedes zusätzlich verdienten Euro steigen. Da verhindert werden muss, dass gutverdienende GKV-Versicherte in die PKV wechseln, müsste zugleich die Pflichtversicherungsgrenze angehoben werden. Das wiederum würde dazu führen, dass der Kreis der potenziellen Privatversicherten schrumpfen würde.
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für patentgeschützte Arzneimittel hat sich zwischen 2018 und 2022 von 14,5 auf rund 28 Milliarden Euro fast verdoppelt. Dies geht aus dem Report "Arzneimittel-Fokus – Pillen, Preise und Patente" hervor, den das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua) im Auftrag der Techniker Krankenkasse erstellt hat. Der Report analysiert dazu Preispolitik und Innovationsstrategien der Industrie. So führten geringfügige Molekülveränderungen zu neuen Wirkstoffen und Patenten. Oder die Zulassung für eine neue Indikation, zu beobachten bei MS-Präparaten, seien um ein Vielfaches im Vergleich zur ursprünglichen Indikation gestiegen. TK-Chef Jens Baas kritisiert: "Unser Report zeigt, dass die Versichertengemeinschaft viel Geld für angebliche Innovationen zahlt, die jedoch gar keine echten Innovationen sind." Dabei blieben tatsächliche Forschungs- und Entwicklungskosten intransparent.
Die Roche Pharma AG hat in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen Bestimmungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes angestrengt. Das Unternehmen sieht in den neu eingeführten Abschlägen auf Erstattungsbeträge, die nach der frühen Nutzenbewertung zwischen Herstellern und Kassen vereinbart werden, einen unzulässigen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Zur Entlastung der GKV wurde für alle patentgeschützten Arzneimittel zum einen ein zeitlich befristeter Abschlag eingeführt, zum anderen für solche innovativen Arzneimittel, die im Rahmen einer Behandlung in einer freien Kombination eingesetzt werden, additiv ein weiterer Abschlag vorgeschrieben. In der Kumulation kann dies zu Preissenkungen von über 30 Prozent führen.
Klagen der Pharma-Industrie gegen gesetzliche Eingriffe vor dem Bundesverfassungsgericht waren bislang nie erfolgreich. Bei den ähnlich gelagerten Festbeträgen, als deren Folge die Hersteller ehemals patentgeschützter Arzneimittel entweder ihre Preise massiv senken oder andernfalls mit erheblichen Absatzeinbußen rechnen mussten, scheiterte die Bayer AG 2002 mit ihrer Klage in Karlsruhe.