Nach Auffassung des Deutschen Ärztetages sind in Zukunft mindestens 6.000 zusätzliche Medizinstudienplätze notwendig, um langfristig den Versorgungsbedarf der alternden Gesellschaft in Deutschland befriedigen zu können. Im Vergleich zu jetzt wären dies 17.000 Studienplätze. In der weiteren Begründung heißt es, bereits 1990 habe es in der alten Bundesrepublik 14.000 Studienplätze gegeben, die Zahl wurde bis 1993 auf 11.000 reduziert. Seitdem sei aber die Arbeitsbelastung erheblich gewachsen, unter anderem habe die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle seit 1991 um mehr als 40 Prozent zugenommen. Ferner sei der Anteil der Teilzeitarbeitenden von vier Prozent im Jahr 2001 auf nunmehr 31 Prozent gestiegen. Und rund 20 Prozent der Ärzte, in manchen Fächern wie der Kinderheilkunde sogar ein Viertel, werde in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Notwendig seien aber auch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und eine systematische Bemessung des ärztlichen Personalbedarfs. Dazu wurde auf dem Ärztetag ein Modell vorgestellt, das zunächst für die Intensivmedizin entwickelt wurde.
Zudem müsse die Wissenschaftlichkeit des Studiums sichergestellt werden. Dies könne nur an staatlichen Universitäten geschehen. Keine Alternative sieht der Ärztetag darin, dass zunehmend private „Universitäten“ die Lücke schließen und Studienplätze gegen hohe Gebühren anbieten. Um die Bedeutung der evidenzbasierten Medizin zu betonen, hat der Ärztetag ferner die Homöopathie aus dem Weiterbildungskatalog gestrichen.
Der Ärztetag hat sich gegen Pläne der Bundesregierung gewandt, statt einer Gesamtreform der Notfallversorgung zunächst eine verpflichtende, standardisierte Ersteinschätzung einzuführen. Ein entsprechendes Projekt des Gemeinsamen Bundesausschusses sollte ausgesetzt werden. Der Ärztetag hält es für verfehlt, mit der Ersteinschätzung Fakten zu schaffen, bevor nicht eine Gesamtkonzeption für die Notfallversorgung vorliegt.
Ferner sei eine grundlegende Reform der Krankenhausversorgung notwendig. Bund und Ländern müssten die Krankenhausplanung und –finanzierung gemeinsam im Rahmen der Daseinsvorsorge gestalten und sicherstellen. Dies müsse einhergehen mit einer weitreichenden Reform des Vergütungssystems, das sich an tatsächlichen erbrachten Leistungen, dem notwendigen Personalbedarf, der flächendeckenden Versorgung und notwendigen Vorhaltekosten orientieren müsse. Die Bildung einer Expertenkommission wird begrüßt; darin müssten aber auch Ärzte vertreten sein.
Der Ärztetag hat den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einhellig und scharf verurteilt. Vor dem Hintergrund der inzwischen mehr als 800.000 vor dem Krieg geflüchteten Menschen fordern die Delegierten eine Verbesserung der medizinischen Versorgung in Deutschland. Neben Präsenzdolmetschern müssten auch Telefon- oder Videodolmetscher eingesetzt werden. Der Gesetzgeber müsse dazu die im Koalitionsvertrag vereinbarte Sprachmitteilung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen als Bestandteil des SBG V umsetzen. Ohne differenziertes Sprachverständnis sei im ärztlichen Behandlungsprozess keine ausreichende Information und Aufklärung von Patienten mit Migrationshintergrund möglich. Viele Flüchtlinge sind schwer traumatisiert und benötigen auch psychotherapeutische Leistungen.
Für Hilfseinsätze in der Ukraine oder in den Grenzregionen der Anrainerstaaten haben sich inzwischen mehr als 1.500 Ärzte bei der Bundesärztekammer registriert. Ihr Einsatz soll in Absprache des ukrainischen und deutschen Gesundheitsministeriums disponiert werden.
Der Ärztetag hat den Gesetzgeber aufgefordert, konkrete Schritte gegen das wachsende Engagement von Privatinvestoren und die damit einhergehende Kommerzialisierung der Medizin zu unternehmen. Notwendig sei es, die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren durch Krankenhäuser an einen fachlichen, räumlichen und regionalen Bezug zu deren Versorgungsauftrag zu koppeln. Ferner seien explizite und sanktionsbewehrte Regelungen notwendig, nach denen Träger gewährleisten müssen, dass Ärzte berufsrechtliche Vorgaben einhalten können. Dem fortschreitenden Aufkauf von Praxen durch Private Equity müsse Einhalt geboten werden. Dazu sollte ein öffentlich einsehbares MVZ-Register geschaffen werden. Dies hatte bereits am Wochenbeginn auch die Vertreterversammlung der KBV gefordert.
Gesundheitsstatus und Wohlstand sind eindeutig positiv korreliert. Das geht aus dem Morbiditäts-Atlas der Barmer Ersatzkasse hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Danach leben die gesündesten Deutschen in Hamburg, Bremen und Baden-Württemberg, am Ende des Rankings steht die Bevölkerung in Thüringen. Auch bei einzelnen Krankheiten existieren erhebliche regionale Unterschiede, die ebenfalls Wohlfahrtsunterschiede widerspiegeln: So liegt der Anteil der Herzkranken in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt um bis zu 40 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, In diesen drei Bundesländern hatten im Jahr 2020 zwischen 357 und 363 von 1.000 Einwohnern Herzerkrankungen. In Hamburg, Bremen und Baden-Württemberg waren es nur 195 bis 219 je 1000 Einwohner. Erhoben wurde auch die branchenspezifische Morbidität. Auffällig ist hier vor allem das Gesundheits- und Sozialwesen: In keiner anderen Branche ist der Anteil an Menschen mit Kopfweh und Migräne derart hoch. 2020 waren deswegen 66 von 1000 Versicherten in ärztlicher Behandlung.
Der allgemeine Krankenstand bei Versicherten der Techniker Krankenkasse ist im vergangenen Jahr auf 13,9 Fehltage nach 14,6 Tagen im Vorjahr gesunken. Eine Ausnahme bilden die Pflegeberufe, deren Krankenstand von 24,8 auf 25,8 Tage stieg und damit fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt ist. Jeweils 5,8 Fehltage entfallen in der Altenpflege auf psychische Erkrankungen sowie Beschwerden des Muskel- und Skelettsystems; in der Krankenpflege ist diese Morbidität etwas niedriger. Die Techniker Krankenkasse hält es für dringend geboten, berufsspezifische Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu implementieren.