Bei Erkältungen verordnen niedergelassene Ärzte Antibiotika mittlerweile sorgsamer: 2016 haben knapp 27 Prozent der Beschäftigten, die erkältungsbedingt krankgeschrieben waren, Antibiotika verschrieben bekommen. 2008 waren es noch rund 38 Prozent. Das zeigen Vorabdaten aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse. Bei Beschäftigten, die erkältungsbedingt nur kurz - ein bis maximal drei Tage - krankgeschrieben waren, zeigt sich ein besonders starker Verordnungsrückgang: 2016 erhielten durchschnittlich etwa 19 Prozent von ihnen Antibiotika verordnet, 2008 waren es noch gut 30 Prozent.
"Die Trendwende geht in die richtige Richtung, auch wenn weiterhin im Schnitt gut jeder vierte wegen Erkältung krankgeschriebene Beschäftigte Antibiotika verschrieben bekommt", sagt Tim Steimle, approbierter Apotheker und Leiter des Fachbereichs Arzneimittel der TK. "Daher sollten Ärzte und Patienten bei dem Thema nicht lockerlassen. Denn nicht jede Erkältungskrankheit erfordert ein Antibiotikum. Die überwiegende Zahl der Erkältungsinfekte ist durch Viren hervorgerufen - und gegen eine Virus-Infektion hilft das Medikament nicht. Antibiotika wirken nur gegen Bakterien." So empfiehlt beispielsweise die neue ärztliche Leitlinie zur Behandlung von Nasennebenhöhlenentzündungen, Antibiotika wie bisher nur in Ausnahmefällen einzusetzen.
Der Verordnungsrückgang fällt zusammen mit den 2008 begonnenen Anstrengungen der Politik, die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen. 2015 hat das Bundeskabinett die neue "Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie" (DART 2020) beschlossen. Auch die G20-Staaten haben das Thema mittlerweile auf ihre Agenda gesetzt, zuletzt beim Gipfel der Gesundheitsminister am 19. und 20. Mai in Berlin. Die Diskussion um Antibiotikaresistenzen hat den Verordnungsrückgang möglicherweise befördert. So sind Antibiotika - gezielt eingesetzt - eines der wichtigsten und effektivsten Mittel im Kampf gegen bakterielle Infektionen. Andererseits führt ein falscher Einsatz genau zum gegenteiligen Effekt. Es können sich multiresistente Erreger (MRE) bilden, gegen die Antibiotika nicht mehr wirken. Weltweit verbreiten sich Resistenzen immer mehr.
"Ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen ist Patientenaufklärung", sagt Dr. Andreas Meusch, Direktor des WINEG, des Wissenschaftlichen Instituts der TK. Denn Patienten können selbst viel dafür tun, um sich zu schützen und zu verhindern, dass sich multiresistente Erreger weiter ausbreiten. Anknüpfend an die wissenschaftliche Diskussion, hat sein Team mit Hygieneexperten der Berliner Charité ein Informationskonzept entwickelt. Es verbindet sachliche Aufklärung und praktikable Handlungsempfehlungen, um für das Thema zu sensibilisieren. Das Online-Angebot umfasst Hinweise zum richtigen Umgang mit Antibiotika, einen Erklärfilm, Experten-Interviews, einen Web-Test, um das eigene MRE-Risiko zu ermitteln sowie Hygieneempfehlungen. Die Krankenversicherung spricht aber auch Vertragspartner an und unterstützt die "Aktion Saubere Hände", die die Händedesinfektion in Krankenhäusern verbessert und hilft, Klinikinfektionen zu vermeiden. Mehr als 1.000 Einrichtungen beteiligen sich mittlerweile daran.