Bei Menschen mit Gewichtsproblemen dürften eine Entdeckung der letzten Jahre für Erleichterung gesorgt haben – Wissenschaftler, welche die unseren Körpern bevölkernden Bakterien genauer untersuchten, endeckten im Rahmen verschiedener Studien eine Verbindung zwischen Übergewicht und einer aus der Balance geratenen Darmflora. Demnach ist es denkbar, dass zusätzliche Pfunde nicht immer das bloße Resultat einer übermäßigen Kalorienzufuhr darstellen. Vielmehr will man herausgefunden haben, dass bei vielen Menschen auch die Zusammensetzung der Bakterien im Verdauungstrakt darüber entscheidet, ob man gegenüber Übergewicht anfällig ist oder nicht.
Eine neue Studie, die alle gegenwärtig verfügbaren Daten zu diesem Thema zusammenfasste und analysierte, stellt genau diese Theorie nun jedoch in Frage. Der entsprechende Review wurde in der Zeitschrift MBIO veröffentlicht.
Aus diesem geht hervor, dass die Bakterienpopulationen im Verdauungstrakt übergewichtiger Menschen keine klaren gemeinsamen Merkmale vorweisen, welche sie von den Mikrobiomen von Personen mit einem gesunden Gewicht unterscheiden.
Die Tatsache, dass es mit Hilfe von insgesamt mehr als 1.000 Teilnehmern aus insgesamt 10 großen Studien nicht gelungen ist eine eindeutige “Signatur” zu identifizieren, wird vielen übergewichtigen Menschen vermutlich nicht gefallen – hätte diese Theorie doch eine scheinbar einfache Lösung für ihre Gewichtsprobleme bereitgehalten. Auch wird die Erkenntnis jene Unternehmen enttäuschen, welche Produkte verkaufen, die darauf abzielen unsere Darmflora durch Ballaststoffe, Nährstoffe sowie “gute” Bakterien zu verändern.
Dennoch stellt diese ernüchternde Entdeckung nach Ansicht der Forscher von der University of Michigan Medical School (UM) einen spannenden Befund dar. Für sie bedeutet das Ergebnis vor allem eines: Die Zusammenhänge zwischen unseren Mikrobiomen und unserer Gesundheit sind komplexer als bisher angenommen – es gibt also auch weiterhin noch viel zu lernen.
Die Autoren haben eine offene Website erstellt, auf der andere Forscher sehen können, auf welchem Weg sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind. Darüber hinaus werden dort stets neue Daten aus Studien zu dem Thema hinzugefügt, um mit der Suche nach Verbindungen in Echtzeit fortzufahren. Da sich so im Laufe der Zeit immer mehr Daten ansammeln, soll auch die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse immer weiter ansteigen. Möglicherweise gelingt es auf diese Weise zukünftig spezifische Verbindungen und Signaturen zu identifizieren.
Erstautoren der Arbeit sind Marc Sze, Ph.D., und sein Mentor Patrick Schloss, Ph.D., Professor für Mikrobiologie an der UM.
Fettleibigkeit ist heutzutage zweifellos ein Gesundheitsrisiko von epidemischem Ausmaß. Verschiedene Studien schlugen zuletzt vor, dass sich die bakteriellen Mikrobiome zwischen adipösen und normalgewichtigen Menschen nicht nur unterscheiden, sondern auch das Risiko für die Entstehung von Übergewicht vorhersagen können. Sze und Schloss wollten dem nachgehen und prüfen, ob die vorhandene Literatur diese Thesen tatsächlich stützt. Hätte sich diese nämlich bewahrheitet, so hätte dies viele positive Auswirkungen auf das zukünftige Management von Adipositas haben können.
Die Forscher schlussfolgern, dass aus den bisher verfügbaren Daten keine Signaturen oder gar Prädiktoren von und für Fettleibigkeit hervorgehen. Und selbst wenn es eine solche Unterschrift geben sollte, so wäre sie aufgrund der Vielfalt der Mikroben aus biologischer Sicht nicht besonders nützlich. Laut den Autoren sei dies ist ein warnendes Beispiel, dafür, dass mehr Aufwand betrieben werden müsse, um eindeutig zu klären, was wir wissen und was nicht.