Zusammenhang zwischen Gehirn und Darm bei Autismus

Bis zu 90 Prozent aller Autisten leiden an Magenproblemen, aber bislang konnten Untersuchungen noch keinen Grund dafür erkennen. Eine aktuelle Studie deckt auf, dass Genmutationen, die im Gehirn und im Magen auftreten, hierfür verantwortlich sein könnten.

Darmprobleme bei Autismus auf Genmutationen zurückzuführen

Bis zu 90 Prozent aller Autisten leiden an Magenproblemen, aber bislang konnten Untersuchungen noch keinen Grund dafür erkennen. Eine aktuelle Studie deckt auf, dass Genmutationen, die im Gehirn und im Magen auftreten, hierfür verantwortlich sein könnten.

Aktuelle Untersuchungen bestätigen, dass bei Autismus eine Verbindung im Nervensystem besteht, die das Gehirn mit dem Darm verknüpft. Durch die Fokussierung auf den Darm könnte also auf der Suche nach potentiellen Behandlungsmöglichkeiten eine völlig neue Richtung eingeschlagen werden.

Die leitende Forscherin Professor Elisa Hill-Yardin von der RMIT University merkt an, dass ForscherInnen für gewöhnlich bei Autismus das Gehirn untersuchen, aber Forschungen zur Verknüpfung mit dem Nervensystem des Darms noch sehr jung sind. Sie sagt: "Wir wissen, dass das Gehirn und der Magen viele Neuronen miteinander teilen. Jetzt können wir zum ersten Mal nachweisen, dass sie ebenfalls für Autismus relevante Genmutationenen teilen."

"Bis zu 90 Prozent aller Autisten leiden unter Magenproblemen, was sie oftmals im täglichen Leben stark beeinträchtigt. Unsere Entdeckungen legen nahe, dass diese gastrointestinalen Probleme auf die gleichen Mutationen zurückzuführen sind, die auch für Gehirn- und Verhaltensauffälligkeiten verantwortlich sind", äußert sich Hill-Yardin. "Das eröffnet Möglichkeiten für ein grundsätzliches neues Denken auf der Suche nach Behandlungsmaßnahmen, die die Lebensqualität von Autisten verbessern."

Die Darm-Gehirn-Verbindung beim Autismus-Gen

Die Studie deckt auf, dass die Genmutation, die als grundlegende Ursache für Autismus erkannt wurde, ebenfalls für dysfunktionale Auffälligkeiten im Darm verantwortlich ist. Die Studie verknüpft neue Ergebnisse aus Tierversuchen mit einer zuvor unveröffentlichten Studie, die 2003 von einem schwedisch-französischen Forschungsteam durchgeführt wurde.

Basierend auf dieser Studie führte das RMIT-Forschungsteam seine Untersuchungen anhand der Funktion und Struktur von Mäusedärmen durch, die von der gleichen Genmutation betroffen waren. Wie die ForscherInnen feststellten, betrifft diese Mutation Darmkontraktionen, die Anzahl an Neuronen im Dünndarm, die Geschwindigkeit, mit der sich Essen durch den Dünndarm bewegt, und Verknüpfungen mit einem entscheidenden Autismus-Neurotransmitter.

Die ForscherInnen entdeckten ebenfalls entscheidende Unterschiede in den Darmmikroben der Mäuse mit und ohne Genmutation, obwohl beide sich in gleichen Umgebungen aufhielten. Hill-Yardin merkt an, dass es mehr als 150 Autismus-bezogene Genmutationen gibt, die neuronale Verbindungen verändern. Sie ergänzt: "Aufgrund der von uns nachgewiesenen Verbindung gehen wir davon aus, dass ein sehr umfangreicher Mechanismus vorliegt. Diese Erkenntnis legt nahe, dass Mutationen, welche Verbindungen zwischen Neuronen betreffen, ebenfalls hinter den Darmproblemen vieler Patientinnen und Patienten stecken könnten."

Neue Möglichkeiten in der Behandlung von Autismus

Laut Hill-Yardin erkläre es die Studie zum neuen Ziel, die Entwicklung von Therapien voranzutreiben, die sich besonders auf Neurotransmitter im Darm fokussieren. "Wir haben auch die Notwendigkeit erkannt, herauszufinden, wie bestehende Autismus-Medikamente sich auf den Darm auswirken", merkt die Professorin an.

Hill-Yardin ergänzt: "Wir wissen bereits, dass die Mikroben über die Gehirn-Darm-Achse miteinander agieren. Eventuell könnte ihre Justierung also zu Verbesserungen von Stimmung und Verhalten führen. Das würde die Genmutation nicht umkehren, aber wir könnten vielleicht ihre Auswirkungen reduzieren und somit die Lebensqualität von Autisten und ihren Familien deutlich verbessern."

Quelle:
Suzanne Hosie, Melina Ellis, Mathusi Swaminathan, Fatima Ramalhosa, Gracia O. Seger, Gayathri K. Balasuriya, Christopher Gillberg, Maria Råstam, Leonid Churilov, Sonja J. McKeown, Nalzi Yalcinkaya, Petri Urvil, Tor Savidge, Carolyn A. Bell, Oonagh Bodin, Jen Wood, Ashley E. Franks, Joel C. Bornstein, Elisa L. Hill‐Yardin. Gastrointestinal dysfunction in patients and mice expressing the autism‐associated R451C mutation in neuroligin‐3. Autism Research, 2019; DOI: 10.1002/AUR.2127