Zwischen Distanz und Akzeptanz: CED-Behandlung im digitalen Zeitalter

"Es ist noch ein weiter Weg bis ins digitale Zeitalter" und "E-Health wird kommen, sie kommt schnell und wir sollten besser darauf vorbereitet sein", warnten zwei Referenten im Rahmen des ECCO-Kongresses.

"Es ist noch ein weiter Weg bis ins digitale Zeitalter" und "E-Health wird kommen, sie kommt schnell und wir sollten besser darauf vorbereitet sein", warnten zwei Referenten auf einem Symposium im Rahmen des 12. ECCO-Kongresses in Barcelona. 

Der Fortschritt in der Behandlung chronisch-entzündlicher Darmkrankheiten (CED) mit Biologika begann als Bummelzug: Von 1990 bis 2002 dauerte es 10 Jahre, bis Patienten nach der Diagnose TNFα-Blocker erhielten – und das nur zu knapp 4 %, berichtete Dr. Glen Doherty (University College Dublin) in seinem historischen Rückblick. Von 2003 bis 2008 waren es dann 10 % und die Zeit von der Diagnose bis zur Biologika-Therapie verkürzte sich auf die Hälfte. Zwischen 2009 und 2015 fuhr der Zug schneller: Über 16 % der CED-Patienten wurden mit Biologika behandelt und der Zeitraum bis zur erstmaligen Gabe hat sich auf 12 bis 18 Monate verkürzt. Nun geht es weiter mit dem ICE: Neben den TNF-Blockern fahren bereits IL-Blocker, Anti-Integrims und JAK-Inhibitoren mit, die in Zukunft die Therapien noch effektiver machen werden. 

"Wir leben in einer glücklichen Zeit, in der wir viele Wirkstoffe zur Verfügung haben", stellte Doherty in dem MSD-Symposium fest. Doch damit seien auch viele Herausforderungen für die Zukunft verbunden:

"Patienten sind skeptisch gegenüber der Telemedizin"

Mit dem Begriff "Telemedizin" könnten viele Menschen noch wenig anfangen, konstatierte Ignacio Marin-Jiménez (Hospital Gregorio Marañon, Madrid). "Irgendwas mit Internet und Medizin", antworteten sie auf die entsprechende Frage.

Skeptisch seien die Patienten auch gegenüber Studien, die die Effizienz von telemedizinischen Anwendungen messen möchten. Viele verweigern die Teilnahme. Die Gründe dafür wollte eine große britische Untersuchung wissen. [1] Zwei randomisierte Studien wurden verlinkt – eine mit depressiven, eine mit herzkranken Probanden. Sie sollte die Unterschiede messen zwischen konventionell betreuten Patienten, und jenen, die über Telefon und Internet Unterstützung erhielten.

83 % der Patienten (n = ca. 20.000) lehnten die Studieneinladung ab oder antworteten gar nicht darauf. Mehr als die Hälfte begründeten ihre Ablehnung mit fehlendem Internetzugang oder der Unfähigkeit, einen Computer zu benutzen. Das waren hautpsächlich Ältere oder Patienten aus weniger modernen Arzpraxen. 40 % meinten, dass sie keine zusätzliche Unterstüzung bräuchten und 27 % berichteten, dass sie zu beschäftigt wären. Die vierte Gruppe mit 15 % interessierte sich nicht für die Forschung.

"Solche Ergebnisse haben natürlich Auswirkungen auf das Engagement für die Telemedizin in der Praxis", bedauerte Marin-Jiménez. Aber man müsse auch die verschiedenen Kulturen beachten. Innerhalb Westeuropas schwankt die Internet-Penetration beträchtlich: In Portugal beträgt sie nur 67 %, in Dänemark dagegen 96 %.

Auch für eine Telemedizin-Studie mit dänischen und irischen CU-Patienten mussten doppelt so viele Patienten angefragt werden als schließlich teilgenommen hatten. [2] Von 333 Probanden in dieser Untersuchung erhielten die Hälfte ein Jahr lang die übliche Betreuung, die andere Hälfte wurde über ein Web-Portal unterrichtet und bei der Selbstbehandlung unterstützt. Immerhin 88 % der Web-Patienten bevorzugten diesen Ansatz, ihre Adhärenz und ihr Wissen über die Krankheit steigerte sich signifikant gegenüber der Kontrollgruppe. "Doch interessanterweise hatte sich bei der dänischen Kohorte auch die Lebensqualität verbessert, in der irischen jedoch nicht", bemerkte der spanische Gastroenterologe. 

Ein umfangreicher Review, der alle Studien zur Telemedizin bei COPD-Patienten untersuchte, kam zu einem wenig erfreulichen Ergebnis: Nur in 3 von 18 Studien hatte sich die Lebensqualität der Patienten verbessert, in den anderen 15 Studien hingegen nicht. [3]

Marin-Jiménez blieb dennoch optimistisch, forderte aber mehr Studien. "Die Telemedizin erscheint gut geeignet für das Management von CED-Patienten. Wenn wir die ‚Patient Related Outcomes‘ damit enger überwachen, können wir vielleicht auch die Lebensqualität verbessern. Aber es bleibt zu beweisen, ob ein einziger telemedizinischer Ansatz für alle CED-Patienten geeignet und in allen Phasen der Krankheit anwendbar ist", so sein Fazit.

"E-Health ist ein Teil des Lebens unserer Patienten"

Stephan Vavricka (Triemli Stadtspital Zürich) wunderte sich, dass sich in den ECCO- und anderen Guidelines das Wort "eHealth" kein einziges Mal findet. "Das ist merkwürdig, weil heute alles mit dem Internet verbunden ist. Die Europäische Kommission erwartet, dass die Ausgaben für das Internet der Dinge im Gesundheitssektor bereits 2018 über 300 Billionen Dollar erreichen und über 7 Millionen Patienten mit solchen Technologien behandelt werden".

Eine sehr aktuelle Studie aus den Niederlanden, die der Schweizer Gastroenterologe vorstellte, stimmt zuversichtlich: Sie fand viele Vorteile der Telemedizin für CED-Patienten: Sie sei sicher, reduziere Arztbesuche sowie Krankenhausaufenthalte und verbessere die Adhärenz. [4]

Seine eigenen Erfahrungen mit Telemedizin, so der Referent, seien durchweg positiv. In der Schweiz wurde eine mobile App für Ärzte und CED-Patienten entwickelt, um ein engmaschiges Monitoring zu ermöglichen sowie die Krankheitsaktivität und die Adhärenz zu dokumentieren. "Jeder nutzt diese App begeistert".

"Es gibt unzählige Webseiten zur Gesundheit", resümierte Vavricka. "Darunter auch solche, die den Patienten Befunde und Arztbriefe übersetzen oder ihm eine zweite Meinung anbieten. E-Health ist ein Teil des Lebens unserer Patienten und wir sollten die Möglichkeit nicht versäumen, sie zu nutzen."

Referenzen:

[1] Foster et al. Trials 2015 16:258 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4464859/

[2] Elkjaer et al. Gut 2017 https://gut.bmj.com/content/59/12/1652

[4] de Jong et al, Maastricht, Netherlands 12th ECCO 2017, OP017