Diabetes: gut eingestellt am Straßenverkehr teilnehmen

Wie können Menschen mit Diabetes sicher am Straßenverkehr teilnehmen? Auf dem DDG 2023 stellte Dr. Wolfgang Wagener die neue Leitlinie "Diabetes und Straßenverkehr" vor.

Interview mit Dr. Wolfgang Wagener

Studien zu rtCGM und AID-Systemen: dringend benötigt

Dr. Wolfgang Wagener richtet einen deutlichen Aufruf an alle Verkehrsforschenden: Es werden dringend Studien zu rtCGM und AID-Systemen benötigt. Zum aktuellen Zeitpunkt gäbe es in Deutschland noch keinerlei Untersuchungen, die sich mit kontinuierlicher Glukosemessung durch Real-Time-Messgeräte oder Automatischer Insulin-Dosierung befassen, lediglich Einzeluntersuchungen. Aus diesem Grund seien die Leitlinien-Updates überwiegend auf technologische Erneuerungen im Vergleich zu 2017 bezogen. Weitere Forschung sei dringend erforderlich, da durch die genannten Methoden die Hypoglykämie-Gefahr deutlich verringert werden könnte. Außerdem müssten Mediziner im Hinterkopf behalten, dass sich Menschen mit Diabetes immer mehr auf technologische Hilfsmittel verlassen – in der klinischen Praxis werde der Faktor oftmals unzureichend abgedeckt.

Auch eine Aufklärung zum Umgang mit Diabetes-Technologie ist laut Wagener dringend erforderlich. Menschen mit Diabetes bekämen nicht einfach Tools an die Hand, die alles automatisch lösen. Patientinnen und Patienten müssten lernen mit den Geräten in verschiedenen Situationen umzugehen. Hier sieht Wagener die ärztliche Seite in der Verantwortung, Aufklärungsarbeit zu leisten. Dieser Vorgang müsse auch dokumentiert und von Ärzten und Patienten unterschrieben werden.

Diskriminierung aufgrund von Diabetes-Diagnose darf nicht passieren

Die  Kfz-Verordnung verbietet Diabetes-Patienten nicht, ein Fahrzeug zu führen – Faktoren wie schwere Hypoglykämien oder Bewusstseinsverlust stellen allerdings klare Hinderungsgründe dar. Gerade Hypoglykämien verlaufen dem Internisten zufolge auch bei der selben Person nicht immer nach den gleichenn Mustern ab. Euphorie, Lethargie, vermindertes Reaktionsvermögen oder eingeschränkte Wahrnehmung könnten auftreten. Ein regelmäßiges Screening für Fahrtauglichkeit erachtet Dr. Wagener allerdings als schwierige Aufgabe, da in Deutschland sehr viele Menschen mit Diabetes leben. In politischen Debatten werde darüber diskutiert, ob ältere Fahrer und chronisch Kranke regelmäßig gescreent werden sollten. Bei Berufskraftfahrern finde ein solches Screening ab dem 50. Lebensjahr statt.

Bei allen Entscheidungen müsse man laut Wagener aber immer eine Frage im Hinterkopf behalten: Bei welchen Einschränkungen beginnt die Diskriminierung aufgrund einer Diabetes-Erkrankung? Dabei betont er eindringlich: "Berufliche Diskrimminierung allein aufgrund einer Diagnose darf nicht passieren." Gerade in der Arbeitsmedizin gäbe es leider überwiegend veraltete Regularien. Dabei sei zu beachten, dass Diabetiker, wenn sie stabil eingestellt sind, auch Bus und LKWs mit Schwerlast fahren dürfen. Wird die Therapie gut befolgt, spricht dem Mediziner zufolge auch nichts dagegen. Im Hinblick auf die Teilnahme am Straßenverkehr mit Diabetes könnte sich Deutschland laut Wagener noch etwas von England oder den USA abschauen – dort dürften sogar Piloten mit Diabetes ein Flugzeug fliegen. 

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