In der NICHE-2-Studie zur neoadjuvanten Immuntherapie wurde das Ansprechen bei MMR-profizientem und MMR-defiziente Dickdarmkrebs im Frühstadium untersucht. Die Patienten erhielten im 1. Zyklus eine Immuntherapie mit Nivolumab und Ipilimumab (2 Wochen) und im 2. Zyklus nur Nivolumab. Im Anschluss an die Therapien wurden sie operiert. Mit einem sehr beeindruckenden Outcome: 95% der Patienten zeigten eine Verkleinerung des Tumors und ein starkes pathologisches Ansprechen. Für Dr. Ilhan-Mutlu sind diese Daten wegweisend und möglicherweise sogar praxisverändernd. Denn 98% der Patienten konnten rechtzeitig operiert werden und die Verträglichkeit der Immuntherapien war sehr gut. Offen bleibt die Frage, ob die Patienten mit kompletter Remission die OP vielleicht nicht benötigt hätten.
In einer Studie zum lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom mit dMMR erhielten die Patienten 6 Monate lang eine Immuntherapie mit Dostarlimab und wurden nach Auswertung der radiologischen und endoskopischen Befunde in zwei Gruppen eingeteilt: Chemotherapie oder normales Follow up bei einer kompletten klinischen Remission. 14 Patienten zeigten ein klinisches, radiologisches und endoskopisches Ansprechen. Es gab keine starken Nebenwirkungen und kein Patient benötigte eine Chemotherapie, Strahlentherapie oder einen chirurgischen Eingriff. Zwar sei dies ein sehr kurzer Beobachtungszeitraum, aber die Patienten zeigten bisher kein Rezidiv. Für Ilhan-Mutlu ein starkes Signal für eine Immuntherapie bei dMMR/MSI-Tumoren.
Mit der GERCOR NEONIPIGA-Phase-2-Studie untersuchte das Forschungsteam 32 Patienten mit fortgeschrittenem dMMR/MSI-H-Adenokarzinom des Magens/GEJ. Sie erhielten 3 Monate lang eine neoadjuvante Behandlung mit Nivolumab und Ipilimumab. Dabeizeigte sich eine komplette Remission bei. 58,6% der Patienten.
Die Phase-3-Studie CodeBreaK 200 zur Zweitlinientherapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) mit KRAS G12C-Mutation untersuchte die Therapie mit Sotorasib im Vergleich zur Therapie mit Docetaxel. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben und wurde erreicht. Allgemeines Ansprechen, CR, TTR und DOR waren im Sotorasib-Arm verbessert. Ilhan-Mutlu sieht dies als ein starkes Signal, dass die Onkologie einen neuen Pantumormarker hat.
Ähnliche Ergebnisse erreichte die CodeBreak 100-Phase-1/2-Studie zur Therapie des Pankreaskarzinoms mit KRAS p.G12C-Mutation. Bisher gibt es bei Bauchspeicheldrüsenkrebs kaum eine Therapie, die erfolgreich war, außer PARP-Inhibitoren, so Ilhan-Mutlu. 38 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom wurden ab der Zweitlinie mit Sotorasib behandelt. Die Ansprechrate lag bei 37,1 Prozent, das Progressionsfreie Überleben lag bei 4 Monaten und das Gesamtüberleben bei fast 7 Monaten. Der Effekt ist für Ilhan-Mutlu “nicht die Welt“. Bei einer molekular präselektierten Gruppe würde man mehr erwarten. Nichtsdestotrotzsei es ein starkes Signal dafür, dass dieser Marker weiterentwickelt werden muss, da die Therapie gut toleriert wurde.
Studien zu Her2 begannen Anfang der 90er-Jahre, als die Patientin Barbara Bradfield mit extrem niedriger Überlebensrate als erste Patientin eine zielgerichtete Therapie erhielt. Ilhan-Mutlu bezeichnet Her2 als das "erste Kind" in der Targeting-Therapie und sie findet es wenig überraschend, dass Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) so erfolgreich war. Es sei nicht nur wirksam bei Her2-hochexprimierten Patienten, durch den Bystander-Effekt sei eine gewisse Wirkung auch bei Zellen vorhanden, die Her2 nicht in hohem Ausmaß exprimieren.
Die randomisierte Phase-3-Studie Destiny-Breast04 untersuchte die Therapie mit Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) im Vergleich zur Behandlung nach Wahl des Arztes (TPC) bei Patientinnen mit HER2-armem inoperablem und/oder metastasierendem Brustkrebs (mBC). Für ihre Studie haben die Forscher die bisherige Her2-Klassifikation in 4 Bereiche geteilt: IHC3+, 2+, 1+ und 0+. Die beiden mittleren Werte galten den Patienten mit niedrig exprimierten Her2, um die es in der Studie ging. In dieser Studie wurde die Gruppe randomisiert nach Chemotherapie und CDK4/6-Inhibitoren. Ilhan-Mutlu hält diese Studie für klinisch relevant und statistisch signifikant, da die Kurve bei allen Patienten unabhängig vom Hormonrezeptorstatus eine deutliche Veränderung zeigte. Leider hätten 12% der Patienten eine interstitielle Lungenerkrankung entwickelt, weshalb eine engmaschige Kontrolle empfohlen wird. Die Daten sind für die Onkologin praxisrelevant, Ilhan-Mutlu hofft auf eine baldige Zulassung.
Tuxedo-1 ist eine einarmige Phase-2-Studie, die die Therapie mit Trastuzumab-Deruxtecan bei 15 Patienten mit HER2-positivem Brustkrebs mit Hirnmetastasen untersuchte. Mehr als 73% der Studienteilnehmerinnen zeigten ein intrakranielles Ansprechen, was eine gute Nachricht für die Patienten sei.
Eine Studie zur Therapie des Ovarialkarzinoms ist Athena MONO. Viele Parp-Inhibitoren sind bei dieser Krebsform bereits im Einsatz. Die Subgruppenanalyse machte deutlich, dass alle Patientinnen mit einer platinhaltigen Therapie von der Erhaltungstherapie mit Rucarib profitierten, am meisten aber die BRCA-positiven Patientinnen. Damit hat Rucaparib für Ilhan-Mutlu das Potential, zu einem neuen Standard zu werden.
In der Phase-III-Studie PROpel wird die Kombination aus Abirateron und Olaparib in der Erstlinie gegenüber Abirateron und Placebo bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs (mCRPC) untersucht. In einer ersten Analyse wurden die wichtigsten Biomarker und aktuelle Ergebnisse vorgestellt. Ergebnisse zeigen, dass die Olaparib-Therapie bei BRCA-positiven Patienten am meisten gewirkt hat.
Die SWOG S1801-Studie verglich Pembrolizumab in der adjuvanten Therapie und in der neoadjuvanten Therapie von Melanomen. Pembrolizumab verbesserte als neoadjuvante Therapie das ereignisfreie Überleben bei resektablen Melanomen im Stadium 3 bis 4. Die Forscher haben Tumorbiologie und Wirkmechanismus der Immuntherapie neu definiert und einen Teil der adjuvanten Standardtherapie 3 Zyklen vor der chirurgischen Resektion des Tumors eingesetzt. Ilhan-Mutlu bezeichnet die Resultate als "sensationell". Es sei zwar keine neue Therapie, der Unterschied sei mit 72 zu 48% aber sehr groß.
Zur Therapie des Nierenzellkarzinoms (RCC) wurden mehrere große Phase-3-Studien herausgegeben, die verschiedene Immuntherapien bei Patienten mit einem Hochrisiko-Nierenzellkarzinom untersuchten. Sie nutzen als Ausgangsgrundlage die Keynote 564 Pembrolizumab vs. Placebo, in der die Patienten nach der Resektion des Tumors ein Jahr Pembrolizumab erhalten hatten und die positive Ergebnisse erzielt hatte. Die Checkmate-914-Studie untersuchte Nivolumab und Ipilimumab als Erhaltungstherapie, die Immotion 010-Studie untersuchte Atezolizumab und die PROSPER-Studie Nivolumab periOP vs. Observation. Alle drei Studien konnten nicht überzeugen. Zwar sei die Keynote-Studie davon nicht beeinflusst, die negativen Ergebnisse der neuen Studien würden die uroonkologischen Gesellschaften aber in den kommenden Monaten sicherlich beschäftigen.
Die Kombination Nivolumab und Ipilimumab ist eine von mehreren Optionen in der Erstlinientherapie von metastasierten Nierenzellkarzinomen. Die COSMIC-313-Studie hat untersucht, welche relevanten Kombinationen es außerdemgibt. Daher wurde die Triplett-Therapie aus Cabozantinib, Nivolumab und Ipilimumab verglichen mit der Kombination aus Nivolumab, Ipilimumab und einem Placebo. Sie ist die erste Phase-3-Studie, die in der Kontrollgruppe eine der neuen Immuntherapien verwendet hat: Nivolumab plus Ipilimumab. Beim progressionsfreien Überleben schnitt die Studie gut ab, allerdings sollte die Hälfte der Patienten die Therapie aufgrund der Nebenwirkungen vorzeitig abbrechen. Dennoch sei die Kombination interessant, jedoch nur für selektierte Patienten geeignet.
Die ESMO-Guidelines zum Hepatozellulären Karzinom (HCC) wurden 2022 aktualisiert. Beim HCC mit BCLC C gibt es nun zusätzlich zur Standardtherapie aus Atezolizumab und Bevacizumab die Optionen aus Sorafenib und Lenvatinib. Innerhalb der Standardtherapie mit Sorafenib ist die Therapie möglich mit Cabozantinib, Regorafenib und Ramucirumab. Nach der Therapie mit Atezolizumab und Bevacizumab/Lenvatinib sind die Optionen Sorafenib, Lenvatinib, Cabozantinib, Regorafenib und Ramucirumab.
Die Himalaya-Studie ist eine randomisierte Phase-3-Studie und untersucht Durvalumab und Tremelimumab als Erstlinienbehandlung bei Patienten mit inoperablem hepatozellulärem Karzinom. Die Studie wurde auf vier Arme randomisiert: Tremelimumab und eine Einzeldosis Durvalumab; Durvalumab; Sorafenib und Tremelimumab und 4 Dosen Durvalumab. Die Einzeldosis Tremelimumab und Durvalumab verlor gegen Sorafenib, wogegen Durvalumab in der Monotherapie Sorafenib nicht unterlegen war. Beide Therapieoptionen wurden gut toleriert.
Patienten mit resezierbarem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom profitieren in der Phase-3-Studie CheckMate-816 davon, wenn sie vor der Resektion des Tumors eine neoadjuvante Chemotherapie kombiniert mit dem Immuncheckpointblocker Nivolumab erhielten. Das ereignisfreie Überleben stieg auf 31,6 Monate im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie mit 20,8 Monaten. Die Therapie senkte das Sterberisiko um 37%. Möglicherweise könnte bei einigen Patienten auf eine Resektion verzichtet werden.
Quelle: Ilhan-Mutlu, A. Das Beste aus der Onkologie (V7). Das Beste aus dem Jahr 2022, DGHO-Kongress 2022, Wien