Kolorektale Polypen charakterisieren und klassifizieren

Die moderne endoskopische Bildgebung hat die Diagnostik kolorektaler Polypen verändert. Neue Techniken ermöglichen eine genauere Unterscheidung zwischen gutartigen und malignen Läsionen.

Fortschritte in der Endoskopie

Die endoskopische Diagnose kolorektaler Polypen hat sich durch technische Fortschritte stark verbessert. Auf dem Kongress Viszeralmedizin 2024 stellte Dr. Evelien Dekker die neuesten Fortschritte vor, die auf dem Einsatz von hochentwickelten Endoskopietechniken beruhen. Dazu gehören Hochauflösungsendoskope und virtuelle Chromoendoskopie. Sie ermöglichen den Wechsel von Hochauflösungs-Weiẞlicht, Narrow Band Imaging (NBI) und Blue Light Imaging (BLI) zu wechseln. Diese Technologien haben zu einer nahezu perfekten Bilddarstellung geführt und sind für die optimale Diagnose von Polypen entscheidend.

Hochauflösende Bildgebung und virtuelle Chromoendoskopie

Traditionell wird zur Farbgebung in der Endoskopie blauer Farbstoff gespritzt. Das kann nun durch virtuelle Chromoendoskopie ersetzt werden. Bei dieser Methode werden optische Filter genutzt, um den Kontrast zwischen normalen und abnormen Schleimhautstrukturen zu vergrößern, dadurch ist eine präzisere Identifikation von Polypen möglich. Hochauflösende Endoskope bieten dabei eine deutliche Verbesserung der Bildqualität.

Europäische Leitlinien und deren Einfluss

Die europäischen Leitlinien für die endoskopische Praxis empfehlen den Einsatz fortschrittlicher Bildgebungstechniken als entscheidende Komponente bei der Therapieentscheidung. Solche Techniken unterstützen Ärzte dabei, die geeignete therapiebasierte Resektion von kolorektalen Neoplasien vorzunehmen, sei es die endoskopische Mukosaresektion (EMR) oder die endoskopische Submukosadissektion (ESD).

Klassifikationssysteme zur Charakterisierung von Polypen

Die Klassifizierung von Polypen ist entscheidend, um zwischen hyperplastischen, adenomatösen oder malignen Polypen zu unterscheiden. Hierbei spielen mehrere Klassifikationssysteme eine Rolle:

  1. Kudo-Pit-Muster: Ursprünglich von Professor Kudo in Japan entwickelt, stellt dieses System die Schleimhautstruktur durch Färbetechniken dar. Dabei gibt das Muster Hinweise auf die Natur der Läsion.
  2. NICE-Klassifikation: Diese Klassifikation vereinfacht die Differenzierung von Polypen durch die Bewertung von Farbe, Gefäßmustern und Oberflächenstruktur. Dabei wird NBI verwendet, um die Farbe des Polypen im Vergleich zur umgebenden Schleimhaut zu beurteilen.
  3. WASP-Klassifikation: Entwickelt zur Identifikation von sessilen serratierten Läsionen (SSLs). Diese Klassifikation nutzt Kriterien wie wolkige Oberflächen und unscharfe Begrenzungen, um diese schwer zu erkennenden Läsionen zu identifizieren.

Herausforderungen und die Notwendigkeit formeller Schulung

Die Anwendung dieser fortgeschrittenen Techniken setzt voraus, dass Gastroenterologen entsprechend geschult sind. Untersuchungen zeigen, dass selbst nach umfassender Schulung nicht alle Gastroenterologen die angestrebten diagnostischen Standards erreichen. Fehlinterpretationen können zu falschen Überwachungsintervallen und unzureichender Patientenversorgung führen.

Ausbildung und kontinuierliche Weiterbildung

Eine umfassende Ausbildung und kontinuierliche Qualitätssicherung sind unerlässlich. Nur durch regelmäßige Audits und Fortbildungen kann gewährleistet werden, dass Gastroenterologen in der Lage sind, präzise Diagnosen zu stellen und entsprechende therapeutische Entscheidungen zu treffen.

Bedeutung der Diagnose sessiler serratierter Läsionen

Sessile serratierte Läsionen (SSLs) sind von besonderem Interesse, da sie ein hohes Risiko für die Entwicklung von kolorektalen Karzinomen darstellen. SSLs sind oft schwer zu erkennen, da sie sich farblich wenig von der umgebenden Schleimhaut abheben und nicht in alle Klassifikationssysteme integriert sind.

Die WASP-Klassifikation kann genutzt werden, um SSLs anhand von vier spezifischen Kriterien zu identifizieren. Eine rechtzeitige und präzise Diagnose dieser Läsionen ist entscheidend, um das Auftreten von schnell fortschreitenden malignen Veränderungen zu verhindern.

Ausblick

Dank ständiger technischer Innovationen und verbesserter Klassifikationssysteme sind wir heute in der Lage, kolorektale Polypen mit größerer Präzision und Zuversicht zu diagnostizieren und zu behandeln als je zuvor. Dennoch hängt der Erfolg dieser Technologien stark vom Ausbildungsstand und der Erfahrung derjenigen ab, die sie anwenden. Zukünftige Entwicklungen in der Endoskopie werden sowohl technologische Verbesserungen als auch Fortschritte in der Aus- und Weiterbildung erfordern, um die Detektions- und Behandlungsfähigkeiten weiter zu optimieren.

Quelle:

Dr. Evelien Dekker: Characterization / Classification of Colon Polyps – what to use? In: DGVS meets ESGE: A deep dive into colorectal polyps – the ESGE Guideline on Management of Colorectal Polyps, 1. Oktober 2024