Frauengesundheit und Geschlechtergerechtigkeit – 3 Missionen für den Alltag

Frauen spenden öfter Organe, profitieren aber weniger davon, werden bei Herzinfarkten seltener richtig behandelt und leiden häufiger unter Medikamentennebenwirkungen. Prof. Hasenburg zeigt drei Wege zu mehr Geschlechtergerechtigkeit im Gesundheitswesen.

Plädoyer für Geschlechtergerechtigkeit und bessere Frauengesundheit

Frauen sind in Deutschland und in nahezu allen Ländern der Welt bei den Lebendspenden überrepräsentiert. „Zwei Drittel aller Lebendspenden einer Niere kommen von Frauen“, berichtete Prof. Dr. Annette Hasenburg, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit, Universität Mainz, auf dem FOKO Düsseldorf1. Sie sind laut BZgA auch häufiger als Männer bereit, Organe zu spenden: 36% der Frauen haben das in einem Organspendeausweis dokumentiert, bei den Männern sind es 27%. Von ihrer höheren Spendenbereitschaft profitieren die Frauen allerdings weniger als Männer.

Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) erhielten im Jahr 2023 zu zwei Dritteln Männer eine neue Niere, Leber, Lunge oder ein neues Herz. Die Situation ist nicht nur in Deutschland so: Eine australische Studie zeigt, dass Frauen auch früher sterben, wenn ihre Nieren versagen und sie unter der Dialyse auf ein Spenderorgan warten. Auf der Warteliste für eine Lungentransplantation stehen 57,8% Frauen und 42,2% Männer. Eine neue Lunge erhalten dann 58,7% der Männer und 41,3% der Frauen.

Frauengesundheit in der Kardiologie

Bei Brustschmerzen werden Frauen seltener auf Herzinfarkt getestet. Sie erhalten bei einem Herzinfarkt bestimmte Therapien (wie etwa die akute Reperfusionstherapie bei STEMI) seltener als Männer. Frauen werden bei thorakalen Schmerzen seltener zum Kardiologen überwiesen und müssen in der Notaufnahme länger warten. Kardiologische Untersuchungen werden bei Frauen häufiger falsch durchgeführt und sie sterben häufiger an einem Herzinfarkt als Männer.

Auch Nebenwirkungen von Medikamenten treten bei Frauen häufiger auf. Eine Analyse mit 23.300 Krebspatientinnen zeigt: Frauen weisen ein höheres Risiko für Nebenwirkungen unter Immuntherapien, zielgerichteten Therapien und Chemotherapien auf. Bislang gibt es keine geschlechtsspezifisch verabreichten Medikamente (außer bei Brustkrebs und Prostatakarzinom). Auch die Dosierung wird bis heute nach der Körperoberfläche und nicht nach unterschiedlicher Körperzusammensetzung oder unterschiedlicher Clearance von Medikamenten bestimmt.

Männer wiederum erkranken häufiger an Krebserkrankungen. Ausnahmen sind Brustkrebs sowie Schilddrüsen- und Gallengangskarzinome. Auslöser, Risikofaktoren und Ursachen sind vielschichtig: geschlechtsspezifische Gene, geschlechtsspezifische Regulation der Genaktivität durch Hormone, verstärktes Risikoverhalten (Alkohol, Ernährung, Rauchen) und die geringere Nutzung des Angebots von Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen. 

Um Geschlechtergerechtigkeit und damit auch eine bessere Frauengesundheit zu erreichen, leiten sich für Hasenburg drei Missionen für den Alltag ab:

1. Klinische Geschlechtergerechtigkeit
Interventionelle klinische Studien sind notwendig, um geschlechtsspezifische Dosierungsschemata zu evaluieren – unter Berücksichtigung von Wirksamkeit und Toxizität.
Die Behandlung sollte diesbezüglich nicht nur auf Erkrankungen im Allgemeinen und Krebserkrankungen im Speziellen ausgerichtet werden, sondern auch auf:

2. Politische Geschlechtergerechtigkeit
Überfällig ist aus Hasenburgs Sicht ein paritätischer Anteil von Frauen in Führungspositionen: in Forschungsorganisationen, Behandlungszentren und Krankenhäusern.
Notwendig ist auch die Umsetzung der zehn Punkte der Lancet-Kommission „Frauen, Macht und Krebs“, die einen feministischen und intersektionalen Ansatz für die Krebsbehandlung fordern, darunter:

DKFZ führt 37,4% der Krebserkrankungen auf Lebensstil zurück

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) beziffert den Anteil der Krebsfälle, die dem Lebensstil geschuldet sind, auf 37,4%. Eine Studie aus 2018 kommt zu dem Schluss, dass ein beträchtlicher Anteil der Krebserkrankungen auf Übergewicht, zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung und Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Aus Sicht des DKFZ sind konsequente Präventionsmaßnahmen nötig, um den Anteil der lebensstilbedingten Krebsfälle zu verringern.

Auch Hasenburg betont, dass das größte Potential zur Senkung der Sterblichkeit nicht in der Vorsorge, Diagnostik oder Therapie liegt, sondern in der Prävention. Die DELCaP-Studie zeigt, dass ein gesunder Lebensstil das Rückfallrisiko nach Brustkrebs senken kann. Dass körperliche Bewegung die Prognose bei Brustkrebs verbessern kann, ergab auch eine Studie aus 2022. Und auch das Sterberisiko war bei moderater körperlicher Aktivität um 60% niedriger als bei fehlender Bewegung. Daraus leitet Hasenberg die dritte Mission für den Alltag ab: 

3. Krebs-Prävention

Ein wichtiger Baustein in der Prävention sind zudem Impfungen: So zeigte eine Studie aus Schweden, dass die HPV-Impfung bei Mädchen und Frauen im Alter von 10 bis 30 Jahren mit einem deutlich geringeren Risiko für Gebärmutterhalskrebs verbunden ist.

Quellen:
  1. FOKO Fortbildungskongress 2025 BVF Akademie, Düsseldorf, CCD Stadthalle, 13. – 15. März 2025