Diagnose, Therapie, Prognose: Seltene Krebserkrankungen

Seltene Krebserkrankungen kommen – zusammengezählt – relativ häufig vor. Allein in Deutschland erkranken jährlich rund 100.000 Menschen an einer seltenen Krebserkrankung. Ein Überblick.

Fast 200 verschiedene seltene Krebserkrankungen

Wie bei seltenen Erkrankungen gestaltet sich auch die Diagnosestellung der unterschiedlichen seltenen Krebserkrankungen nicht einfach. Die Symptome können oft nicht malignen und auch häufiger vorkommenden Erkrankungen ähneln. Dennoch gibt es einige Symptomenkomplexe, die den Kliniker bei der Diagnosestellung einer seltenen Krebserkrankung auf den richtigen Pfad leiten. Von den fast 200 verschiedenen seltenen Krebserkrankungen werden in diesem Artikel folgende 4 seltene Krebserkrankungen behandelt: 

Allgemein ist festzuhalten, dass ein großes Problem in der Entwicklung von Medikamenten für seltene Krebserkrankungen sowohl die geringe zu erwartende Kapitalrendite als auch die herausfordernde Organisation klinischer Studien ist.1

Das Gallengangskarzinom (cholangiozelluläres Karzinom: CCA)

Das CCA gehört zu den primären Lebertumoren und stellt ein seltenes Malignom dar. Es zählt mit 2 % aktuell noch zu den seltenen bösartigen Erkrankungen. Die Inzidenz für das CCA nimmt jedoch in der westlichen Welt stetig zu. Aufgrund der hohen Sterblichkeit verursachen CCAs auch in Deutschland einen erheblichen Anteil der krebsbedingten Todesfälle. Ein Grund hierfür könnte die erst späte Diagnosestellung sein. Sie wird oft erst in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung gestellt. 2,3

Inzidenz und Einteilung

Cholangiokarzinome sind eine heterogene Gruppe bösartiger Erkrankungen. Sie entstehen aus einer malignen Transformation von Cholangiozyten. Je nach Lokalisation lässt sich diese heterogene Gruppe der CCA in unterschiedliche Subtypen einteilen: 

Die Lokalisation des CCA hat Auswirkungen auf das Erscheinungsbild, die Diagnostik, die Behandlungsmöglichkeiten und die Prognose dieser seltenen bösartigen Erkrankung.2,3

Symptomatik 

Die Diagnose des intrahepatischen Subtyp wird häufig zufällig gestellt. In den meisten Fällen berichten die Patienten von einem Völlegefühl. Dieses lässt sich auf die die Größe der Lebermasse zurückzuführen. Nur in wenigen Fällen gehören Schmerzen zu der IHCCA-Symptomatik. Die Leberfunktion ist beim Großteil der IHCCA-Patienten regelrecht. Beim extrahepatischen Subtyp fallen die betroffenen Patienten häufig durch einen Ikterus auf. Weitere Symptome eines EHCCA sind ein allgemeines Unwohlsein und ungewollter Gewichtsverlust. In manchen Fällen zeigen sich Schmerzen im rechten oberen Quadranten.2,3

Risikofaktoren

Die Cholangiokarzinogenese wird durch eine Reihe von Risikofaktoren mitbeeinflusst: Hierzu zählen die cholestatische Lebererkrankungen wie die primär sklerosierende Cholangitis und fibropolyzystische Lebererkrankungen sowie die Leberzirrhose und Gallensteinleiden. Auch bestimmte Infektionskrankheiten, wie Hepatitis B und C sowie eine parasitäre Besiedlung mit dem Leberegel erhöhen das Risiko für ein Cholangiokarzinom. Weitere Risikofaktoren sind entzündliche Erkrankungen des Körpers wie entzündliche Darmerkrankungen und chronische Bauchspeicheldrüsenentzündungen, sowie Toxine wie Alkohol und Tabak, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit und nichtalkoholische Fettlebererkrankungen und genetische Erkrankungen.2,3

Therapieoptionen

Bedingt durch die späte Diagnosestellung ist ein chirurgisches Vorgehen mit kurativer Intention in vielen Fällen nicht mehr möglich. Das das lokal fortgeschrittene oder metastasierte CCA wird durch eine Kombination aus Gemcitabin und Cisplatin behandelt. Die durchschnittliche Überlebenszeit unter dieser Kombinationstherapie liegt bei etwa 12 Monate. Die Entwicklung neuer molekular zielgerichteter und immunologischer Behandlungsoptionen hat bei dieser seltenen Krebserkrankung oberste Priorität.2-5

Die chronische myeloische Leukämie (CML) 

Die chronische myeloische Leukämie (CML) zählt zu den myeloproliferativen Neoplasien. Sie ist durch die Präsenz des BCR-ABL1-Onkogens charakterisiert und besteht überwiegend aus proliferierenden Granulozyten. Ein charakteristisches Merkmal der CML ist die Philadelphia-Chromosom/Translokation t(9;22)(q34;q11.2). Die prädisponierenden Risikofaktoren für die CML sind weiterhin unklar.6

Inzidenz 

Die CML hat weltweit eine jährliche Inzidenzrate von 0,87 Menschen pro 100.000. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz an. Für die Bevölkerungsgruppe mit über 70 Lebensjahren beträgt die Inzidenz 1,52 pro 100.000. Das männliche Geschlecht überwiegt, jedoch nur in einem leichten Ausmaß. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt bei 56 Jahren.6

Symptomatik 

Risikofaktoren

Therapieoptionen

Eine Heilung der CML ist aktuell durch Medikamente nicht möglich. Das Ziel aktueller medikamentöser Therapien ist, eine Krankheitsprogression zu verhindern. Therapeutisch zum Einsatz kommen Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI), Interferon-alpha (IFN-α) und Chemotherapeutika. Kommt es unter medikamentöser Therapie zu einem Fortschreiten der Erkrankung, so ist der nächste Schritt die Stammzelltransplantation.9

Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) 

Inzidenz und Wachstumsmuster

Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist das häufigste Lymphom. Es macht rund 25-30 % aller Non-Hodgkin-Lymphome aus. Das DLBCL stellt sich typischerweise als schnell wachsende Masse oder auch als extranodaler Bereich dar. Es handelt sich um einen aggressiven Tumor.10

Symptomatik 

Risikofaktoren

Therapieoptionen

Die Behandlung von DLBCL hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Hierzu zählen die Art der Erkrankung (indolent oder aggressiv) sowie der molekulare Subtyp. Durch die passende Wahl der Chemotherapie kann die Überlebenszeit jedoch deutlich verlängert werden. Die Heilungsrate ist begrenzt. Medikamentös können z.B. beim GCB DLBCL Rituximab zusammen mit Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (R-CHOP) zum Einsatz kommen. Beim ABC-DLBCL und auch bei Double-Hit- und Triple-Hit-Lymphomen waren die Therapieergebnisse der R-CHOP jedoch schlecht.6

Das Retinoblastom

Inzidenz und Wachstumsmuster

Das Retinoblastom zählt zu den seltenen Krebserkrankungen des Auges. Bei Kindern stellt das Retinoblastom jedoch das häufigste primäre intraokulare Malignom dar: Es tritt bei 1 von 18000 Geburten auf und macht rund 3 % aller Krebserkrankungen im Kindesalter aus. Das Retinoblastom besteht aus Retinoblasten, die in den meisten Fällen undifferenziert sind. Sie bilden Strukturen, die als Rosetten bekannt sind. Durch diese Strukturen ist eine Unterteilung in verschiedene Differenzierungsgrade möglich. Das Tumorwachstum kann endophytisch (im Glaskörper) oder exophytisch (im subretinalen Raum) sein. Ein gemischtes Erscheinungsbild wurde jedoch auch beobachtet. Sobald der Sehnerv vom Tumor befallen wird, kann es zu einer Ausbreitung in den Subarachnoidalraum und folglich auch in das Gehirn kommen.14

Symptomatik 

Kinder mit Retinoblastom werden meist im ersten Lebensjahr vorstellig, wenn es sich um eine bilaterale Erkrankung handelt. Ist nur ein Auge betroffen, so wird der Augenarzt erst im Alter von 3 Jahren aufgesucht. Die häufigsten Erscheinungsbilder bei Erstvorstellung sind:

Risikofaktoren

Das bilaterale Retinoblastom ist in 98% der Fälle durch eine keimbahn-spezifische Mutation verursacht. Lediglich 5% sind durch familiäre Vorbelastung bedingt, während 95% sporadisch auftreten.14

Therapieoptionen

Chemotherapie: 

Intravenöses Carboplatin, Etoposid und Vincristin werden je nach Grad des Retinoblastoms in drei bis sechs Zyklen verabreicht. Die Chemotherapie kann mit lokalen Behandlungsmethoden kombiniert werden. Eine Einzeltherapie mit Carboplatin oder nur zwei der genannten Chemotherapeutika ist auch möglich, z.B. als Überbrückungstherapie zur Vermeidung aggressiver Maßnahmen. Das Zytostatikum Melphalan kommt bei Vorliegen einer Glaskörperaussaat des Tumors intravitreal zum Einsatz. Zur Maximierung der Tumorkontrolle erfolgt auf die Chemoreduktion eine Kryotherapie oder eine transpupilläre Thermotherapie.14

Kryotherapie:

Behandlungsmethode für prääquatoriale Tumoren ohne tiefere Invasion oder Glaskörperaussaat.

Brachytherapie:

Diese Methode kommt bei anterioren Tumoren ohne Glaskörperaussaat sowie bei Resistenz gegen die Chemotherapie zum Einsatz. 

Externe Strahlentherapie:

Bei Retinoblastomen handelt es sich zwar um strahlenempfindliche Tumore, diese Behandlungsmethode wird jedoch aufgrund der Nebenwirkungen und dem Risiko eines sekundären Malignoms vermieden. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören die Strahlenneuropathie, die Katarakt, sowie die Hypoplasie der Augenhöhle.

Enukleation:

Kommt bei einer Infiltration der Vorderkammer, bei einem neovaskulären Glaukom, bei einer Invasion des Sehnervs und wenn mehr als die Hälfte des Glaskörpervolumens betroffen ist, zum Einsatz.14 

Referenzen:

  1. http://www.rarecancerseurope.org/Events/Past-Events/EP-Meeting-Orphan-Drugs-for-Rare-Cancers
  2. Khan A. S. et al. (2019). Cholangiocarcinoma. Surg Clin North Am. 2019 Apr;99(2):315-335. 
  3. Labib P. L. Molecular Pathogenesis of Cholangiocarcinoma. BMC Cancer. 2019 Feb 28;19(1):185.
  4. Jödicke L. et al. (2020). Personalisierte Therapie des cholangiozellulären Karzinoms [Personalized treatment of cholangiocellular carcinoma (CCA)]. Internist (Berl). 2020 Feb;61(2):170-174. 
  5. Elvevi A. et al. (2022). Clinical treatment of cholangiocarcinoma: an updated comprehensive review. Ann Hepatol. 2022 Sep-Oct;27(5):100737. 
  6. Eden R. E. et al. (2022). Chronic Myelogenous Leukemia. 2022 May 13. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan–. PMID: 30285354.
  7. https://www.nhs.uk/conditions/chronic-myeloid-leukaemia/
  8. https://www.cancer.org/cancer/chronic-myeloid-leukemia/causes-risks-prevention/risk-factors.html
  9. https://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/leukaemien/cml/
  10. Sandeep A. Padala. (2022). Diffuse Large B Cell Lymphoma. StatPearls.
  11. https://www.journalonko.de/thema/lesen/diffuses_grosszellige_b_zell_lymphom_dlbcl 
  12. https://www.cancersupportcommunity.org/diffuse-large-b-cell-lymphoma-dlbcl
  13. Non-Hodgkin lymphoma risk factors. American Cancer Society. Accessed August 20, 2022.
  14. Husnain Ishaq et al. (2022). Retinoblastoma. StatPearls.

Rare Disease Day

230124-Rare-Disease-Day-Bann..Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.