Psychedelika in der Psychiatrie: gestern, heute – und morgen?
In der psychiatrischen Therapieforschung ist die Psychedelika-unterstützte Psychotherapie derzeit einer der spannendsten Bereiche. Wohin kann die Reise noch gehen?
Psychedelika-Forschung: Psilocybin ist “Spitzenreiter”
Im Rahmen der INSIGHT-Konferenz 2023 sprach Prof. Dr. med. Gerhard Gründer über “Psychedelika in der Psychiatrie: Gegenwart und Zukunft”. Dabei lieferte der Referent einen Überblick zu den wichtigsten Psychedelika-Forschungen der vergangenen Jahre sowie deren Studiensettings – und sprach über die Rahmenbedingungen für deutlichere Resultate, die für Zulassungen auf breiterer Basis unerlässlich sind.
Ein Großteil moderner klinischer Studien zu Psychedelika entfällt laut Gründer auf die Anwendung von Psilocybin. Hier sind aktuell – Stand 01.09.2023 – 149 verschiedene Studien gelistet. Hauptindikation zur Behandlung stellen hierbei MDD, therapieresistente Depressionen oder Angst bzw. Depression am Lebensende dar. Weitere in Studien erprobte Anwendungsmöglichkeiten laut Gründer:
- PTBS
- Substanzgebrauchsstörung
- Anorexia Nervosa
- Schmerzerkrankungen
- Zwangsstörung
- Bipolar II
- BPS u. MD
In diesen Forschungsbereichen hätte Psilocybin enorme Effektstärken von teilweise 3 aufgewiesen – allerdings, verdeutlicht der Mediziner, sind die Studiensettings auch sehr klein, was wiederum schnell zu hohen Effektstärken führt.
Psychedelika in klinischer Erprobung: ein Überblick
Einige der Psilocybin-Studien stellt Prof. Gründer kurz vor. Ein Auszug:
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Carhartt-Harris et al., N Engl J Med 2021; 384: 1402-1411: Studie zu Psilocybin vs. Escitalopram bei Depression; primärer Endpunkt nach 6 Wochen, “keine ausreichende statistische Power” → 59 Patienten in Studie; mittlere Werte des QIDS-SR-16 bei Studienbeginn betrugen 14,5 in Psilocybin-Gruppe und 16,4 in der Escitalopram-Gruppe. Mittlere (±SE) Veränderungen der Werte von der Baseline bis zur Woche 6 betrugen -8,0±1,0 Punkte in Psilocybin-Gruppe und -6,0±1,0 in Escitalopram-Gruppe; Unterschied zwischen den Gruppen von 2,0 Punkten entspricht (95% Konfidenzintervall [CI], -5,0 bis 0,9) (P=0,17)
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Barrett et al. Effects of Psilocybin-Assisted Therapy on Major Depressive Disorder: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2021 May 1;78(5):481-489. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2020.3285.: Psilocybin bei unipolarer Depression, randomisierte, kontrollierte Studie mit 27 Patienten mit MDD; 17 Teilnehmer (71 %) hatten in Woche 1 und 17 (71 %) in Woche 4 klinisch signifikante Reaktion auf die Intervention (≥50 % Verringerung des GRID-HAMD-Scores); 14 Teilnehmer (58 %) in Woche 1 und 13 Teilnehmer (54 %) in Woche 4 befanden sich in Remission (GRID-HAMD-Score ≤7).
Ebenfalls stellte Gründer im Rahmen des Vortrags die “EPIsoDE-Studie” zur Wirksamkeit und Sicherheit von Psilocybin bei behandlungsresistenter unipolarer Depression – an der der Referent selbst beteiligt ist – vor. Dabei handelt es sich um eine randomisierte, bizentrische, doppelblinde, aktiv placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie in Phase II. Im Rahmen der Studie wird den Teilnehmenden Psilocybin in zwei Dosen oder ein Placebo verabreicht. Die Teilnehmen erhalten entweder eine geringe (5mg) oder hohe (25mg) Dosierung, der primäre Endpunkt liegt bei 6 Wochen. Anschließend erhalten die Teilnehmen aus der Kohorte mit geringer Dosierung die hohe Dosierung (25mg), Probanden in der höher dosierten Kohorte erhalten entweder geringe Dosierung (5mg) oder erneut die hohe Dosierung (25mg), sekundärer Endpunkt ist bei 12 Wochen. Erste Ergebnisse werden laut Gründer Anfang 2024 erwartet.
Zukunft der Psychedelika-unterstützte Psychotherapie: nicht ohne größere Studiensettings
Gibt es also eine Zukunft für die Psychedelika-unterstützte Psychotherapie, lautet eine Frage aus dem Plenum? Die gibt es, so Gründer, durchaus, wenn man die hohe Anzahl klinischer Studien betrachtet – bis zur routinierten klinischen Anwendung werden aber noch Jahre vergehen. Zum einen liege das an behördlichen Regulierungen, man betrachte nur das Thema Cannabislegalisierung. Zum anderen, gibt Prof. Gründer zu verstehen, benötigt die medizinische Forschung mit Psychedelika unbedingt größere Studienkohorten und längere Studienzeiträume von mindestens sechs Monaten. Ein letztes entscheidendes Kriterium, gerade in Deutschland: Studien zur Psychedelika-unterstützte Psychotherapie müssten auch konkret nachweisen, dass im Vergleich zur obligatorischen Therapie ein besserer Effekt vorliegt.
- Prof. Dr. med. Gerhard Gründer: Psychedelika in der Psychiatrie – Gegenwart und Zukunft. INSIGHT Conference 2023; 01.09.2023, 11.00 - 11.30 Uhr.
- Carhartt-Harris et al., N Engl J Med 2021; 384: 1402-1411
- Barrett et al. Effects of Psilocybin-Assisted Therapy on Major Depressive Disorder: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2021 May 1;78(5):481-489. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2020.3285.
- Lea J. Mertens, Michael Koslowski, Felix Betzler, Ricarda Evens, Maria Gilles, Andrea Jungaberle, Henrik Jungaberle, Tomislav Majić, Andreas Ströhle, Max Wolff, Stefan Wellek, Gerhard Gründer: Methodological challenges in psychedelic drug trials: Efficacy and safety of psilocybin in treatment-resistant major depression (EPIsoDE) – Rationale and study design; Neuroscience Applied, Volume 1 2022, 100104, ISSN 2772-4085, https://doi.org/10.1016/j.nsa.2022.100104.