Morbus Fabry bei pädiatrischen Patienten

Morbus Fabry bei pädiatrischen Patienten stellt eine komplexe klinische Herausforderung dar, die durch frühe Symptome, fortschreitende Beteiligung mehrerer Organe und erhebliche Verzögerungen bei der Diagnose gekennzeichnet ist.

Was ist Morbus Fabry?

Die Anderson-Fabry-Krankheit oder einfacher Morbus Fabry ist nach dem britischen Arzt William Anderson und dem deutschen Arzt Johann Fabry benannt, die die Krankheit 1898 erstmals unabhängig voneinander beschrieben haben.

Es handelt sich um eine seltene X-chromosomale lysosomale Speicherkrankheit, die durch pathogene Varianten im GLA-Gen verursacht wird, welches für das Enzym Alpha-Galactosidase A (α-Gal A) kodiert. Dieser Enzymmangel führt zur Anhäufung von Globotriaosylceramid (Gb3) und seinem deacylierten Derivat Lyso-Gb3 in verschiedenen Geweben, was zu fortschreitenden Zellschäden und einem breiten Spektrum klinischer Manifestationen führt. Die Krankheit galt traditionell als eine Erkrankung, die erst im Erwachsenenalter auftritt. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass der pathologische Verlauf der Fabry-Krankheit bereits früh im Leben, oft schon in der Kindheit, beginnt und Symptome hervorruft, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können.

Die Fabry-Krankheit folgt einem X-chromosomalen Vererbungsmuster, da das für die Erkrankung verantwortliche GLA-Gen auf dem X-Chromosom lokalisiert ist. Männer sind in der Regel stärker betroffen, da das Vorhandensein einer pathogenen Variante zu einem vollständigen Enzymmangel führt. Im Gegensatz dazu können bei Frauen mit zwei X-Chromosomen aufgrund der zufälligen Inaktivierung von X-Chromosomen, auch als Lyonisierung bekannt, unterschiedliche klinische Manifestationen auftreten. Dieser Prozess kann zu einer mosaikartigen Ausprägung der Krankheit führen, bei der einige Zellen das normale Allel exprimieren, während andere die mutierte Version exprimieren. Es wurden über 800 verschiedene Mutationen im GLA-Gen identifiziert, die zur Heterogenität des Krankheitsbildes und des Schweregrades beitragen.

Klinische Manifestationen

Das klinische Spektrum der Fabry-Krankheit bei pädiatrischen Patienten ist vielfältig und führt oft zu einer verzögerten Diagnose. Zu den ersten Anzeichen gehören neuropathische Schmerzen, die durch brennende Empfindungen in den Extremitäten gekennzeichnet sind, insbesondere bei fieberhaften Erkrankungen oder nach körperlicher Anstrengung. Ein weiteres häufiges Symptom ist Hypohidrose oder Anhidrose, was zu Hitzeintoleranz und Bewegungseinschränkungen führt. Gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall und Verstopfung werden häufig gemeldet und können häufiger auftretende gastrointestinale Störungen bei Kindern imitieren, was zu Fehldiagnosen führen kann.

Hauterscheinungen wie Angiokeratome können als kleine, dunkelrote oder schwarze Papeln auftreten, die sich hauptsächlich im Bereich des „Badeanzugs“ befinden, obwohl sie im Frühstadium übersehen werden können. Augenbefunde wie eine vertikillierte Hornhaut, die durch eine Spaltlampenuntersuchung erkennbar ist, sind asymptomatisch, dienen aber als wichtige diagnostische Hinweise. Eine Herzbeteiligung, einschließlich linksventrikulärer Hypertrophie und Arrhythmien, sowie frühe Anzeichen einer Niereninsuffizienz, wie Proteinurie, können sich im Kindesalter schleichend entwickeln, was die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überwachung unterstreicht.

Diagnose

Eine frühzeitige Diagnose des Morbus Fabry erfordert einen hohen Grad an Verdacht, insbesondere bei Kindern mit einer familiären Vorgeschichte oder klinischen Anzeichen. Enzymaktivitätstests sind von entscheidender Bedeutung, insbesondere bei Männern, bei denen eine deutlich verringerte α-Gal A-Aktivität diagnostisch ist. Bei Frauen können die Enzymwerte aufgrund der Inaktivierung des X-Chromosoms im Normalbereich liegen, sodass für eine endgültige Diagnose ein Gentest erforderlich ist. Eine molekulare Analyse zur Identifizierung pathogener Varianten im GLA-Gen bestätigt die Diagnose und erleichtert das familiäre Screening.

Therapeutischer Ansatz

Seit ihrer Einführung im Jahr 2001 ist die Enzymersatztherapie (EET) der Eckpfeiler der Behandlung des Morbus Fabry. Die EET zielt darauf ab, die Gb3-Akkumulation zu reduzieren, die Symptome zu lindern und Organschäden zu verhindern oder zu verzögern. Die beiden wichtigsten rekombinanten Formen, Agalsidase Alpha und Agalsidase Beta, unterscheiden sich geringfügig in ihrer Struktur und ihren Dosierungsschemata, sind aber beide wirksam.

Migalastat, ein oral verabreichtes pharmakologisches Chaperon, bietet eine Alternative für Patienten mit anfälligen GLA-Mutationen, einschließlich der über 12-Jährigen. Diese Therapie stabilisiert das mutierte Enzym und verbessert seine Restaktivität. Obwohl nicht universell anwendbar, stellt Migalastat einen bedeutenden Fortschritt in personalisierten Behandlungsstrategien dar.

Die unterstützende Pflege bleibt ein integraler Bestandteil des umfassenden Managements (Management von neuropathischen Schmerzen, kardiovaskulären Komplikationen, Nierenschutz, psychologischer Unterstützung).

Präemptive Behandlung: ein neues Paradigma

Neue Erkenntnisse unterstreichen die Vorteile einer frühzeitigen Intervention, noch bevor offenkundige Symptome auftreten. Eine bahnbrechende Studie, in der behandelte und unbehandelte Männer mit klassischer Fabry-Krankheit verglichen wurden, zeigte, dass eine frühzeitige Einleitung der Enzymersatztherapie die Inzidenz von Nieren- und Herzkomplikationen signifikant reduziert. Diese Erkenntnis stellt den traditionellen Ansatz, auf klinische Anzeichen einer Organbeteiligung zu warten, in Frage und unterstützt einen Paradigmenwechsel hin zu einer präventiven Therapie.

Das Konzept der präventiven Behandlung gewinnt an Bedeutung und spiegelt den Wandel von einem reaktiven zu einem proaktiven Krankheitsmanagement wider. Im Gegensatz zur präventiven Behandlung, die darauf abzielte, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern, zielt sie jetzt auf die ersten pathologischen Veränderungen ab, bevor klinische Symptome auftreten. Dieser Ansatz basiert auf dem Wissen, dass die Pathologie des Morbus Fabry lange vor dem Auftreten von Symptomen beginnt, mit nachweisbarer Gb3-Akkumulation im fetalen Gewebe und einem schleichenden Verlauf im Säuglingsalter.

Die E-TREAT-Studiengruppe unter der Schirmherrschaft von SIMMESN (Italienische Gesellschaft für die Erforschung erblicher Stoffwechselkrankheiten und Neugeborenen-Screening) steht an vorderster Front dieser Veränderung und setzt sich für eine frühzeitige therapeutische Intervention auf der Grundlage solider klinischer Nachweise und Biomarker ein. Ihre Arbeit unterstreicht das Potenzial einer frühzeitigen Enzymersatztherapie, nicht nur das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen, sondern auch die Überlebensrate und Lebensqualität von pädiatrischen Patienten zu verbessern. Die Einführung präventiver Behandlungsprotokolle stellt einen Fortschritt in der Behandlung der Fabry-Krankheit dar und unterstreicht die Bedeutung der Früherkennung und frühzeitigen Intervention.

Fortschritte bei Diagnosetechniken sowie ein tieferes Verständnis der Krankheit haben den Weg für wirksamere Behandlungsstrategien geebnet. Der Übergang zu einer frühzeitigen und präventiven Behandlung stellt einen Paradigmenwechsel dar und bietet neue Hoffnung auf bessere Ergebnisse und eine höhere Lebensqualität.

Quelle:
  1. Spada M, Burlina A, Donati MA, Gasperini S, Pession A. Therapeutic approach to pediatric patients with classic Fabry disease: towards a new paradigm. JIM 2024; 1 (3): e593. DOI: 10.61012_20248_593 

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