Der Wirkstoff Polihexanid schützt das kostbare Augenlicht vor Protozoen
Ende letzten Jahres erfolgte in Europa die Zulassung von Polihexanid für die Behandlung der Akanthamöben-Keratitis bei Kindern ab 12 Jahren und Erwachsenen.
Seltene Augeninfektion mit potentiell verheerenden Folgen
Die Acanthamoeba gehört zur Gattung der humanpathogenen Protozoen. Sie ist verbreitet und kommt in verschiedenen Lebensräumen wie Wasser, Luft, Boden und Staub vor. Im Jahr 1974 wurde zum ersten Mal die Acanthamoeba-Keratitis auf sie zurückgeführt. Bei dieser gefährlichen Augeninfektion bestand bisher eine potenziell schlechte Prognose. In der heutigen Zeit sind vor allem Kontaktlinsenträger von dieser seltenen Erkrankung betroffen.4
In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Anzahl an Kontaktlinsenträgern kontinuierlich zugenommen. In Verbindung mit unzureichenden Hygienemaßnahmen sowie unsachgemäßen Handhabungsmethoden erhöht diese Entwicklung die Inzidenz der - sonst seltenen Erkrankung - Acanthamoeba-Keratitis.4
Abbildung 1: In der Abbildung ist ein ausgeprägtes Ringinfiltrat der Hornhaut erkennbar, welches durch Acanthamoeba verursacht wurde. Das Foto wurde von Jesse Vislisel, MD und Brice Critser, CRA aufgenommen und zur Verfügung gestellt.5
Die Acanthamoeba-Keratitis ist eine schmerzhafte Augeninfektion, die im schlimmsten Fall zur Erblindung des betroffenen Auges führen kann. Acanthamoeba befällt hierbei zunächst die Hornhaut des Auges. Unbehandelt kann diese Infektion mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen, die sogar eine Hornhauttransplantation notwendig machen.4
Inzidenz Kontaktlinsen-assoziierter Keratitiden in Europa
Eine selektive Literatursuche in PubMed durch das Forschungsteam um Maier P. ergab, dass bei Kontaktlinsenträgern, die jährliche Inzidenz für eine Kontaktlinsen-assoziierte Keratitis bei rund 2–4/10 000 liegt. In den meisten Fällen sind Bakterien die Ursache (91-100 %). In seltenen Fällen sind jedoch auch Acanthamoeba (1-5 %) oder Pilze (3-7 %) hierfür verantwortlich.6 Umgekehrt sind 83 bis 93 % der Patienten mit Acanthamoeba-Keratitis Kontaktlinsenträger.7
Diese humanpathogenen Protozoen gelangen über die Kontaktlinse auf die Hornhautoberfläche. Die Kontaktlinse verhindert, dass sie durch den Tränenfilm und die Bewegung der Augenlider weggewischt werden, sodass es zu einer Hornhautinfiltration kommen kann. Ein großes Problem bei der Diagnosestellung ist, dass die Acanthamoeba-Keratitis zunächst ein Chamäleon ist. Wird sie früh diagnostiziert und behandelt, so ist sie meist selbstlimitierend. Leider wird die Diagnose jedoch oft viel zu spät gestellt. Bisher erfolgte in solchen Fällen eine intensive topische antibiotische Therapie mit anschließender notfallmäßiger Hornhauttransplantation. Dies ging mit einem Verlust an Sehkraft und damit auch an Lebensqualität einher. Bis zur Zulassung von Polihexanid stellte die spät diagnostizierte Acanthamoeba-Keratitis eine Herausforderung für Arzt und Patient dar.6
Abbildung 2: In der vorliegenden Abbildung ist ein konzentrisches Ringinfiltrat bei einem Kontaktlinsenträger mit früher Acanthamöben-Keratitis erkennbar. Das Foto wurde von Jesse Vislisel, MD und Stefani Karakas, CRA aufgenommen und zur Verfügung gestellt.5
Der Wirkstoff Polihexanid
Polihexanid ist ein Wirkstoff, der bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren zur Behandlung von Acanthamoeba-Keratitis eingesetzt wird.7 Der Wirkstoff Polihexanid in der Dosis 0,8 mg pro/ml wird in Form von Augentropfen appliziert. Polihexanid zerstört die Zellmembran und auch die Chromosomen der Acanthamoeba und bekommt so diese sonst dramatisch verlaufende Augeninfektion in den Griff.4
Laut Studiendaten (Phase-III-Studie ODAK) lag die Heilungsrate mit Polihexanid als Monotherapie bei über 86 %. Essentiell ist hierbei die zuverlässige Einhaltung des Behandlungsprotokolls.3
Der Behandlungsplan umfasst eine 19-tägige intensive Behandlungsphase mit einer Fortsetzungsphase. Während der Intensivphase sollen die Augentropfen in den ersten fünf Tagen tagsüber 16-mal stündlich in das betroffene Auge getropft werden. Im Anschluss daran erfolgt die Applikation sieben Tage lang alle zwei Stunden achtmal täglich - hiernach sieben Tage lang sechsmal täglich alle drei Stunden. Nach Abschluss dieser Intensivphase beginnen die Patienten mit der Fortsetzungsphase: Augentropfen werden nun alle vier Stunden viermal täglich in das betroffene Auge gegeben bis der Patient geheilt oder für einen Zeitraum von maximal 12 Monaten.8
Fazit für die Praxis:
- Die Acanthamoeba-Keratitis war bisher eine visusbedrohende Erkrankung mit schlechter Prognose.
- Mit Polihexanid als Monotherapie können Heilungsraten von über 86 % erreicht werden.
- Die Behandlung mit Polihexanid ist für Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren zugelassen.
Rare Disease Day am 28. Februar 2025
Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.
- Lee MJ. et al. (2020). Case series: Delayed diagnoses of Acanthamoeba keratitis. Am J Ophthalmol Case Rep. 2020 Jun 10;19:100778.
- Dart JKG. et al. (2024). The Orphan Drug for Acanthamoeba Keratitis (ODAK) Trial: PHMB 0.08% (Polihexanide) and Placebo versus PHMB 0.02% and Propamidine 0.1. Ophthalmology. 2024 Mar;131(3):277-287.
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https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/2024/20240822163020/anx_163020_de.pdf
- Somani SN. et al. (2023). Acanthamoeba Keratitis. 2023 Nov 23. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2025 Jan.
- https://webeye.ophth.uiowa.edu/eyeforum/atlas/pages/acanthamoeba/index.htm#gsc.tab=0
- Szentmáry N. et al. (2012). Klein. Monatsbl. Augenheilkd. 2012; 229: 521–528 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart. New York · ISSN 0023-2165.
- Maier P. et al. (2022). Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 669-74; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0281
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https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/akantior
- Genehmigung der Abbildungen:
https://webeye.ophth.uiowa.edu/eyeforum/atlas/pages/acanthamoeba/index.htm#gsc.tab=0