Gesundheitsrisiken durch schlechte Luft in Flugzeugen?

Schlechte Luftqualität in Flugzeugen? Da ein Teil der Luft am Triebwerk abgezapft wird, kann es zu Kontaminationen mit Schadstoffen kommen, welche die Gesundheit beeinträchtigen können.

Luft in Passagierflugzeugen kann mit Schadstoffen belastet sein

Welche Luft atmen wir im Flugzeug?

Die Luft in einem Passagierflugzeug besteht in der Regel zu jeweils etwa der Hälfte  (± 10 Prozent) aus Umluft und Außenluft.4
Da die Umluft in der Kabine verteilt, was alle Mitreisenden an Gerüchen und Mikroorganismen mitbringen, ist die Klimaanlage mit einem HEPA-Filter (filtert Viren und Bakterien) und optional auch mit einem Aktivkohle-Filter ausgestattet, es gibt jedoch auch bedenkliche Berichte über den Einsatz von Pestiziden zur Desinfektion der Kabinenluft in Urlaubsfliegern.5

In diesem Beitrag wollen wir uns auf die andere Hälfte – die von außen zugeführte Luft – konzentrieren. Diese muss zunächst verdichtet werden, da auf der typischen Reisehöhe nur noch ein Bruchteil des Luftdruckes im Vergleich zum Meeresspiegel herrscht. Jeder Jet hat Verdichter bei sich, nämlich in jedem seiner Triebwerke. Diese verdichten die Luft, bevor sie in die Brennkammer und dann über die Turbine wieder nach außen strömt und das Flugzeug antreibt. Die Außenluft für die Kabine wird ebenfalls vom Verdichter des Triebwerks als sogenannte Zapfluft (bleed air) abgezweigt. Diese Bauweise hat sich weitgehend durchgesetzt, weil sie die Notwendigkeit eines zusätzlichen Verdichters für die Klimaanlage eliminiert (Ausnahme ist der Boeing 787 Dreamliner, bei dem die Frischluft über elektrische Kompressoren bereitgestellt wird). So können Komponenten und Energiebedarf eingespart und das Flugzeug preiswerter gebaut werden.3

Wie kann Triebwerksöl in die Kabinenluft gelangen?

Jeder hat schon einmal in ein Triebwerk geschaut. Damit sich die schweren Rotoren drehen können, müssen deren Wellen gelagert werden und für das Schmieren und Abdichten dieser Lager sind spezielle Öle notwendig, die das Triebwerk vor Zerstörung bewahren, aber leider gesundheitlich bedenkliche bis hochgiftige Zusätze enthalten. Konstruktionsbedingt kommt es regelmäßig zu kleinen Leckagen von Öl in den Triebwerksverdichter. Das austretende Öl pyrolisiert (verbrennt) bei Temperaturen bis zu 400 °C. 

In der Luft der meisten Flugzeuge sind hierdurch hochgiftige Nebenprodukte dieser erhitzten Triebwerksöle in geringen Mengen anwesend. Relevant ist vor allem das Einatmen von Organophosphaten (deren Toxizität wir bspw. von Insektiziden, Herbiziden und Pestiziden kennen). Sie werden mit Veränderungen der Genexpression, erhöhtem oxidativem Stress, Neuroinflammation und endokriner Disruption in Verbindung gebracht.1

Auch das starke Neurotoxin Trikresylphosphat (TCP) wird immer wieder benannt, weil es circa 3 Prozent des Triebwerksöls ausmacht. Von einem seiner zehn Isomere wurden 1930 30.000 Menschen in den USA teilweise gelähmt. Zwar kommt genau dieses heute in Triebwerksölen nicht mehr vor, aber über die Verwendung seiner weiteren fünf noch giftigeren Isomere ist wenig bekannt, da die Hersteller der Triebwerksöle dazu keine Angaben liefern.3 Bei der Pyrolyse können weniger giftige TCP-Isomere möglicherweise zu hochgiftigen Isomeren umgewandelt werden. 

Daneben enthalten Öl- und Hydraulikdämpfe in der Luftzufuhr auch ultrafeine Partikel, durch Hitze zersetzte Verbindungen und zahlreiche flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (wie das Neurotoxin Toluol, oder Formaldehyd und Benzol, die krebserregend sind).2 Gelegentlich kann auch Kohlenmonoxid aus defekten Triebwerksabgassystemen oder Kabinenheizungen in die Kabine gelangen.6

Hohe Exposition kann zum Problem werden

Die Luftfahrtindustrie beteuert, dass von der Kabinenluft keine Gefahr ausgehe. Wissenschaftliche Evidenz hierfür wurde jedoch bisher nicht erbracht und schwerwiegende Probleme mit der Kabinenluft sind umfangreich dokumentiert, schrieb die Aircraft Design and Systems Group (AERO) in einem Bericht von der zweiten internationalen Fachtagung zur Luftqualität in Passagierflugzeugen.3 Leider gibt es an Bord keine Sensoren hierfür und keine Grenzwerte, aber aufgrund der hohen Toxizität einiger Ölbestandteile können auch geringe Konzentrationen über längere Zeit krank machen.3 Die Bewertung ist schwierig, da von der Toxizität einzelner Stoffe nur begrenzt auf die von komplexen erhitzten Gemischen rückgeschlossen werden kann.2

Eine Studie zum aerotoxischen Syndrom, die in der Zeitschrift Public Health Panorama der Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht wurde, sah eine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen der bauartbedingten Luftkontamination und einem deutlichen Muster akuter und chronischer Symptome, von Kopfschmerzen und Schwindel bis hin zu Atem- und Sehstörungen.7,8

Bei einer nicht unerheblichen Zahl von Flügen kommt es zudem zu Fehlerfällen an den Dichtungen, sog. "Rauchereignissen" oder "Geruchsereignissen" (in ersterem Fall ist die Kabine von Rauch erfüllt, einhergehend mit Gerüchen, dazu gibt es im Internet diverse Videos). Piloten wurden hierdurch schon so akut beeinträchtigt, dass sie das Flugzeug nicht mehr sicher steuern konnten.3

Im Regelfall ist die Belastung der Kabinenluft mit Stoffen aus dem Triebwerksöl gering – aber eine Belastung ist vorhanden und Piloten und Crewmitglieder sind nach hunderten oder tausenden von Arbeits- oder Expositionsstunden auch schon ohne zusätzliche sichtbare Rauchereignisse erkrankt. In Studien wurde TCP während des normalen Flugbetriebes in 25–100 Prozent der Luftproben gefunden, TBP (Tributylphosphat) in 73 Prozent und geringe Mengen von TBP und Triphenylphosphat-Metaboliten in Urinproben bei 100 Prozent.8

Fazit

Treten Symptome wie Schwindel, Benommenheit, Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses und der Kognition, Übelkeit, Zittern, Müdigkeit, Koordinations- und Gleichgewichtssprobleme, Atembeschwerden, Husten, Schmerzen in der Brust oder Reizung der Augen, der Nase und des Rachens auf, sollte an ein aerotoxisches Syndrom gedacht oder nach einem Rauchereignis gefragt werden.1

Gewerkschaften und Piloten äußern seit Jahren, dass gefährliche Abgase in Flugzeugen, insbesondere in älteren Flugzeugen, ein viel größeres Problem darstellen, als allen bewusst ist und dass dies zu wenig untersucht und publik gemacht wird, seitens der Fluggesellschaften möglicherweise aus Angst vor finanziellen und rechtlichen Konsequenzen.6,9

Ähnlich wie bei Asbest und Tabak wird es möglicherweise viele Jahre gezielter Studien bedürfen, um einen kausalen Zusammenhang zwischen Organophosphaten und schweren Krankheiten, insbesondere solchen mit hoher Latenz (wie Krebs), nachzuweisen.

Von Berufsverbänden der Luftfahrt wurden eigentlich schon viele Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, etwa die Verwendung anderer Öle zur Schmierung der Triebwerke, eine Überwachung der Kabinenluft, der Einbau besserer Luftfilter und natürlich die Behebung des ursächlichen Konstruktionsmerkmales: den Bau von Flugzeugen, die ihre Druckluft nicht als "bleed air", sondern direkt aus der Atmosphäre beziehen. Dies würde natürlich zusätzliche Kosten für die Industrie bedeuten.10

Weitere Informationen zu expositionellen Risikofaktoren

Quelle:
  1. Piccinini, M. A silent threat in the skies: the under-reported dangers of ‘aerotoxic syndrome’. Canary https://www.thecanary.co/global/2024/01/22/aerotoxic-syndrome/ (2024).

  2. Burdon, J. et al. Health consequences of exposure to aircraft contaminated air and fume events: a narrative review and medical protocol for the investigation of exposed aircrew and passengers. Environmental Health 22, 43 (2023).

  3. International Aircraft Cabin Air Conference. Die Luft in der Kabine von Passagierflugzeugen ist möglicherweise mit gesundheitlich bedenklichen Stoffen belastet. https://www.fzt.haw-hamburg.de/pers/Scholz/Aero/AERO_PR_Kabinenluft_17-09-21.pdf.

  4. Luftqualität in der Flugzeugkabine. Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP https://www.ibp.fraunhofer.de/de/kompetenzen/umwelt-hygiene-sensorik/luftqualitaet-im-innenraum/luftqualitaet-in-der-flugzeugkabine.html.

  5. Marchitelli, R. Pesticide on planes: Parents call for changes after cabin fumigated with passengers on board. CBC News (2019).

  6. Sainsbury, M. Jetstar’s fumes show flying high is more toxic than you think. Crikey https://www.crikey.com.au/2024/05/31/jetstar-toxic-fumes-airlines/ (2024).

  7. Stirling, U. of. Flights can make aircrew sick, study suggests. https://medicalxpress.com/news/2017-06-flights-aircrew-sick.html.

  8. Michaelis, S., Burdon, J., Howard, C. V. & Europe, W. H. O. R. O. for. Aerotoxic syndrome: a new occupational disease? Public health panorama 03, 198–211 (2017).

  9. Contaminated air on flights could be making you sick. The Independent https://www.independent.co.uk/travel/news-and-advice/airlines-contaminated-air-recirculated-sickness-aerotoxic-syndrome-passengers-cabin-crew-university-of-stirling-a7797321.html (2017).

  10. Five UK airlines sued over toxic cabin air. The Independent https://www.independent.co.uk/travel/news-and-advice/uk-airlines-toxic-cabin-air-pollution-easyjet-british-airways-thomas-cook-airlines-jet2-virgin-atlantic-a8845341.html (2019).

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