Orphan Drugs: Forschungs-Pipelines bleiben produktiv
Forschung, Zulassung, Markteinführung - bis ein neues Medikament zur Verfügung steht, müssen einige Hürden überwunden werden. Diese Orphan Drugs kommen vermutlich 2023 auf den Markt.
Neue Entwicklungen bei der Markteinführung von Medikamenten und Orphan Drugs
Die Wirkstoff-Pipeline der forschenden Arzneimittelhersteller bleibt weiter gut gefüllt: Insgesamt 76 neue Substanzen könnten in näherer Zukunft den Patienten zur Verfügung gestellt werden, davon sind 28 Arzneimittel gegen seltene Krankheiten. Dies geht aus einer Erhebung des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) hervor, die den Stand beantragter und jüngst erteilter Zulassungen zum Stichtag 4. Januar 2023 wiedergibt.
Unmittelbar vor der Markteinführung stehen 29 Wirkstoffe, für die die EU-Kommission aufgrund einer positiven Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) eine Zulassung bereits erteilt hat. Neun Arzneimittel davon haben den Status eines Orphan Drug:
- Pretomanid der Hersteller TB Alliance und Mylan gegen Tuberkulose: das 6-Nitroimidazo-Oxazin hemmt die bakterielle Proteinsynthese und die der Ketomykolsäure der Zellwand. Der Wirkstoff wird als Tablette in Kombination mit Bequalin und Linezolid angewendet und verkürzt die Behandlungsdauer wesentlich.
- Obiltoxaximab von SFL Pharmaceutical dient in Kombination mit einem Antibiotikum der Vorbeugung und Behandlung des Milzbrandes.
- Somapacitan von Novo Nordisk ist ein neuartiges Wachstumshormonderivat mit wöchentlichem Therapieintervall (bislang täglich).
- Lonapegsomatropin von Ascendis Pharma ist ein pegyliertes Prodrug des humanen Wachstumshormons, das an einen Carrier konjugiert ist und so den Wirkstoff länger anhaltend freisetzt; es handelt sich um die erste wöchentlich statt täglich zu verabreichende Formulierung für Kinder ab drei Jahren sowie für Erwachsene.
- Ciltacabtagen-Autolecel von Legend Biotech/Janssen-Cilag ist als CAR-T-Gentherapie ein ATMP zur Behandlung des Multiplen Myeloms.
- Avalglucosidase alfa von Sanofi Genzyme ist zugelassen zur Behandlung des Morbus Pompe; es handelt sich um eine weiterentwickelte Enzymersatztherapie mit einem nicht als neu eingestuften Wirkstoff.
- Teclistamab von Janssen zur Behandlung des Multiplen Myeloms ist ein neuer Wirkstoff: Der bispezifische monoklonale Antikörper richtet sich gegen das BCMA-Antigen auf Myelomzellen und gegen CD3 auf T-Lymphozyten.
- Fosdenopterin von Origin Bioscience ist ein neues Nukleinsäurederivat und wird als Substanzersatztherapie bei Molybdän-Mangel Typ A eingesetzt; es ist das erste Arzneimittel gegen diese Krankheit.
- Mitapivat von Agios Pharmaceuticals ist ein Pyruvat-Kinase-Stimulans, das insbesondere die Pyruvat-Kinase der roten Blutkörperchen aktiviert und deren ATP-Synthese aufrechterhält.
Diese Orphan Drugs stehen kurz vor der EU-Zulassung
Acht weitere Wirkstoffe befinden sich in der Schlussphase der EU-Zulassung; hier ist bereits die positive Einschätzung des Ausschusses für Humanarzneimittel erteilt. Davon haben fünf neue Substanzen eine Anerkennung als Orphan Drug:
- Maralixibat von Mirum Pharmaceuticals zur Behandlung der cholestatischen Lebererkrankung bei Patienten mit Allalille-Syndrom ist ein oraler Hemmer des apikalen Natrium-abhängigen Gallensäuretransporters (ASBT); es ist das erste Arzneimittel gegen diese Erkrankung.
- Tabelecleucel von Atara Biotherapeutics ist indiziert bei Epstein-Barr-Virus-assoziierten lymphoproliferativen Erkrankungen: Der Wirkstoff besteht aus allogenen zytotoxischen T-Lymphozyten, die auf Tumor-assoziierte Antigene ausgerichtet sind, die von Zellen exprimiert werden, die mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert sind. Die Behandlung führt zur Lyse der EBV-infizierten Zellen und verhindert das Wachstum EBV-assoziierter Krebszellen. Der Wirkstoff ist als neuartige Therapie (ATMP) eingestuft.
- Tremelimumab von AstraZeneca wird zur Behandlung von hepatozellulärem Karzinom und von metastasiertem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom eingesetzt. Der voll humanisierte IgG2 monoklonale Antikörper zielt auf CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4) und trägt dadurch zur T-Zellaktivierung bei.
- Etranacogen Dezaparvovec von Uniqure/CSL Behring ist eine Gentherapie zur Behandlung der Hämophilie B. Das Medikament enthält einen nicht-reproduzierenden rekombinanten Adenovirus-assoziierten Vektor, der mit der Genkassette der Padua-Variante des Faktor IX ausgestattet ist. Derzeit läuft noch die Phase-III-Studie.
- Cipaglukosidase alfa von Amicus Therapeutics ist indiziert zur Behandlung von Morbus Pompe. Der neue Wirkstoff ist eine rekombinante Alpha-Glucosidase (rhGAA) mit optimierter Kohlenhydratstruktur, um die Aufnahme zu verbessern.
Anteil der Orphan Drugs weiterhin hoch
Für weitere 39 Wirkstoffe haben Hersteller die Zulassung beantragt, 14 davon sind Substanzen zur Behandlung seltener Krankheiten. Hier liegt noch kein Votum des EU-Ausschusses für Humanarzneimittel vor.
Damit setzt sich auch in näherer Zukunft der in der Vergangenheit zu beobachtende Trend fort. Von den 47 im vergangenen Jahr in Deutschland neu eingeführten Substanzen waren mehr als ein Drittel Orphan Drugs.
Rare Disease Day
Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.