Wenn Sie den AppStore Ihres Smartphones öffnen und den Suchbegriff „Brustkrebs“ eingeben, finden Sie verschiedene Apps, die sich z.B. in den angebotenen Inhalten und in der Alterszielgruppe unterscheiden. Um abzuschätzen, ob Sie Ihrer Patientin eine App empfehlen können, achten Sie möglichst auf die folgenden Punkte:
DiGAs können Sie auf Kassenrezept verordnen (Muster 16). Auf dem Rezept sollten drei Angaben gemacht werden:
Sie geben Ihrer Patientin das Rezept mit. Die Patientin reicht es selbst bei ihrer Krankenkasse ein und erhält von dieser einen Freischaltcode. Mit dem Code kann sie die App, welche im AppStore oder Google Playstore zu laden ist, dann quasi "aufschließen".
Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen nach vorne zu bringen, hat Jens Herr Spahn 2020 das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) auf den Weg gebracht. Teil des DVG war die "Erfindung" der DiGAs, der Digitalen Gesundheitsanwendungen, die nun auch zum europäischen Exportschlager avancieren. Seitdem lassen sich Gesundheitsapps also in DiGAs (das sind bislang nur sehr wenige) und Nicht-DiGAs unterteilen.
DiGAs bieten meist deutlich mehr als Nicht-DiGAs, haben quasi ein "Gütesiegel" und einen nachgewiesenen medizinischen Nutzen. In einer aktuell in "Nature" publizierten Studie wurden DiGAs und "normale" Gesundheitsapps verglichen. Die DiGAs schnitten dabei deutlich besser ab. Und zwar v.a. aufgrund der Personalisierung der Inhalte, des Kundendienstes der Anbieter und der Benutzerfreundlichkeit (Npj Digital Medicine (2923)6:115).
Um DiGA zu werden, muss man ein CE-zertifiziertes Medizinprodukt sein, das auf digitalen Technologien basiert und erfolgreich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft wurde. Dann kann eine DiGA budgetneutral von allen Ärzten (unabhängig von der Fachrichtung) und Psychotherapeuten per Rezept verordnet werden. Die Kosten für die DiGA-Nutzung tragen die gesetzlichen Krankenkassen. Dabei sind die DiGAs nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung der bestehenden Leistungen und Versorgung der Patienten gedacht.
Zunächst muss ein positiver Versorgungseffekt, also ein nachgewiesener medizinischer Nutzen, belegt werden. Dafür müssen randomisiert-kontrollierte Studien durchgeführt werden (ähnlich einer Medikamentenzulassungsstudie). Darüber hinaus muss eine DiGA strenge Datenschutzvorschriften (nach DSGVO, Verbot der Datenspeicherung) und regelmäßige Datenschutzaudits erfüllen. Die Datensicherheit muss durch Pentests (beauftragte "Hacker"-Angriffe) und die ISO27001-Zertifizierung nachgewiesen werden. DiGAs müssen sich durch Nutzerfreundlichkeit (Robustheit und Barrierefreiheit) und eine hohe Qualität der medizinischen Inhalte auszeichnen. Und DiGAs müssen natürlich komplett werbefrei sein.
Aufgrund der beschriebenen Hürden und des mehr als steinigen Weges gibt es bislang nur wenig zugelassene DiGAs. Aktuell sind 47 Anwendungen gelistet. Die meisten Anträge werden im Laufe des Verfahrens zurückgezogen. Ob es für eine Indikation eine DiGA gibt, können Sie im DiGA-Verzeichnis des BfArM unter https://diga.bfarm.de/de nachsehen.
Es gibt aktuell nur zwei onkologische DiGAs. Beide sind für Mammakarzinom-Patientinnen entwickelt:
PINK! Coach ist eine Coaching-App. Sie hilft Ihren Patientinnen mit personalisierten und täglich wechselnden Zielen, sich mehr zu bewegen, gesünder zu ernähren und achtsam zu sein, sowie Nebenwirkungen der Therapien besser einordnen und damit umgehen zu können. Neben der Zielsystematik bietet die App eine Infothek mit umfassenden leitlinienkonformen, gut verständlichen Inhalten aus den Bereichen Bewegung, Ernährung und Achtsamkeit (Texte, Videos, Rezepte, Meditationen und Achtsamkeitsübungen), eine digitale Ablage für alle wichtigen Befunde und eine Community.
Den medizinischen Nutzen der App konnte in einer prospektiv randomisiert-kontrollierten Pilotstudie im August 2021 an der LMU München (Prof. Dr. N. Harbeck) nachgewiesen werden: Die psychische Belastung der App-nutzenden Patientinnen war signifikant geringer als die derjenigen Patientinnen in der Kontrollgruppe, die keine App zur Verfügung hatten. Ferner war bei den Patientinnen mit App-Nutzung signifikant weniger Fatigue, eine gesteigerte körperliche Aktivität und eine bessere Lebensqualität zu beobachten. Die Ergebnisse werden aktuell publiziert (Wolff J et al., Breast Care 2023, accepted). In der multizentrischen, ebenfalls prospektiv-randomisierten Validierungsstudie mit mehr als 400 rekrutierten Patientinnen, konnten diese Ergebnisse bestätigt werden.
PINK! Coach ist zur Begleitung von Patientinnen in der Therapie und in der Nachsorge zugelassen.
Optimune ist keine App, sondern eine Webanwendung in Form eines interaktiven Kurses, der vor allem Methoden und Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie vermittelt. Dieser besteht aus 16 Modulen mit den Schwerpunkten psychologisches Wohlbefinden, Ernährungsbewusstsein, Sport und gesunde Schlafgewohnheiten. Die Patientin führt virtuelle Gespräche mit dem Programm.
In einer klinischen Studie (Holtdirk et al., 2021) konnte nachgewiesen werden, dass optimune als Ergänzung zu einer sonst üblichen Versorgung die Lebensqualität nach 12 Wochen stärker verbessert als die übliche Versorgung allein.
Digitale Gesundheitsanwendungen können Betroffenen also helfen, mehr Aufklärung über ihre Erkrankung zu erhalten und auch als Nachsorge fungieren: Patientinnen setzen sich aktiv mit ihrem Körper und ihrer Gesundheit auseinander – das ist nicht nur dem generellen Gesundheitszustand zuträglich, sondern sorgt ebenso für Empowerment der Betroffenen.
Prof. Dr. Pia Wülfing ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und seit mehr als 20 Jahren auf das Thema Mammakarzinom klinisch und wissenschaftlich spezialisiert.
Nach 10 Jahren an der Universitätsfrauenklinik Münster, in der sie das dortige Brustzentrum und die klinische Studienzentrale mit aufbaute und sich zum Thema "Targeted Therapies" beim Mammakarzinom habilitierte, leitete Frau Prof. Wülfing in den vergangenen 10 Jahren die onkologische Praxis und onkologische Tagesklinik am größten deutschen Brustzentrum, dem Mammazentrum Hamburg.
Prof. Wülfing hat zahlreiche Original-und Übersichtsarbeiten zum Thema Mammakarzinom publiziert und ihre wissenschaftlichen Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Corona-bedingt hat Prof. Wülfing sich 2020 dem Thema „Digital Health“ zugewandt. Sie ist Gründerin von "PINK! Aktiv gegen Brustkrebs", einer Online-Plattform für Brustkrebspatientinnen. PINK! bietet verschiedene digitale Lösungen für eine bessere Information, Betreuung und Versorgung von Brustkrebspatientinnen an.