Sport in der Schwangerschaft: Ein Muss?

Körperliche Aktivität in der prä- und perinatalen Phase wirkt sich positiv auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus – lang- sowie kurzfristig. In manchen Fällen jedoch ist dringend von Sport abzusehen.

Gewicht vor und während der Schwangerschaft ausschlaggebend für Gesundheit des Kindes 

In der Schwangerschaft für Zwei essen? Lieber nicht, so Dr. Ulrike Korsten-Reck von der Adipositas Akademie Freiburg e.V.. Denn Übergewicht und Adipositas vor, während und nach der Schwangerschaft bergen Risiken für Mutter und Kind. In Deutschland fallen aktuell 47% der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren und 41% der Frauen zwischen 30 und 44 Jahren in die Kategorie übergewichtig bzw. adipös. Die Risiken, die diese Frauen im gebärfähigen Alter ab Konzeption in Hinblick auf die eigene sowie die Gesundheit des ungeborenen Kindes haben, können durch Lebensstilinterventionen mit regelmäßiger aerober körperlicher Aktivität reduziert werden. Denn: Ein aktiver Lebensstil führt zu einer besseren Körperkomposition sowie Fitness der Mutter und spiegelt sich in der kurz- und langfristigen Gesundheit von Mutter und Kind wider. Da das viszerale Fettgewebe ein endokrines Organ ist, wie Dr. Nina Ferrari in ihrem Vortrag auf dem SMHS 2023 teilt, hat der BMI der Mutter (und des Vaters) einen Einfluss auf die metabolische Entwicklung des Kindes. 

Aufgrund der perinatalen Programmierung ist das Gewicht der Mutter bereits während der präkonzeptionellen Phase ein Risikofaktor für Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Eine übermäßige Gewichtszunahme in der perinatalen Phase steht in Verbindung mit Schwangerschaftsdiabetes und fetaler Makrosomie. Ein zunehmendes Übergewicht der Mutter lässt dabei zudem das Geburtsgewicht steigen. Wenn das Geburtsgewicht erhöht ist, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine spätere Entwicklung von Übergewicht bzw. Adipositas und damit begleitenden Erkrankungen. 

Doch nicht nur die körperliche Fitness der Mutter ist ausschlaggebend, auch ein erhöhter BMI des Vaters kann Auswirkungen auf das Gewicht des Kindes haben, stellt Korsten-Reck fest. Geringe körperliche Aktivität während der Schwangerschaft in Kombination mit einer erhöhten Kalorienzufuhr kann zu einer fetalen und / oder neonatalen Überernährung führen, man spricht von einer “Glucosemast”. So kann es zu einer erworbenen Fehlprogrammierung neuroendokriner Regelsysteme für Nahrungsaufnahme, Körpergewicht und Stoffwechsel kommen, die unter anderem zu einer gestörten Glucosetoleranz durch Insulinresistenz und somit zu einem T2-Diabetes und zu kardiovaskulären Erkrankungen führen können.

Warum Sport in der Schwangerschaft essentiell ist

Bewegung und ein aktiver Lebensstil können diverse gesundheitliche Belastungen vermeiden bzw. deren Risiko minimieren. Regelmäßige aerobe körperliche Aktivität während der Schwangerschaft verhindert eine Entwicklung des Gestationsdiabetes sowie eine Präeklampsie und exzessive Gewichtszunahme. Außerdem kann so der Gewichtsstatus vor der Schwangerschaft nach der Geburt leichter erreicht werden. 

Gestationsdiabetes 

Bereits die körperliche Aktivität im letzten Jahr vor der Schwangerschaft ist ausschlaggebend für das Risiko eines GDMs: Das Risiko, an GDM zu erkranken, kann mit ausreichend Bewegung um 51% gesenkt werden, stellten Russo et al. in einer Metaanalyse fest. Zusätzlich sollte entsprechende Bewegung in den ersten 20 Schwangerschaftswochen vollzogen werden. Das insulin-sensitive Glukosetransportprotein GLUT 4 hat den höchsten Spiegel bei Frauen, die ein mildes körperliches Training durchführen (vs. intensives Training). 

Sollte bereits ein GDM vorliegen, kann dieser durch regelmäßige körperliche Aktivität (3x/Woche; min. 50 Minuten), bestehend aus aerobem Ausdauertraining und leichtem Krafttraining in Kombination mit einer Ernährungskontrolle, reduziert werden. Bewegung ist also der Schlüsselfaktor für GDM-Prävention. 

Weitere positive Effekte 

Neben der Reduktion des GDM-Risikos arbeitete Korsten-Reck weitere Vorteile durch Bewegung während der Schwangerschaft heraus: 

Außerdem betont Korsten-Reck, dass körperliche Aktivität von Schwangeren nicht zu einem zu geringen Geburtsgewicht führt und auch keine erhöhte Frühgeburtenrate bei aktiven Schwangeren festzustellen ist. 

Wie sieht das optimale Training während der Schwangerschaft aus? 

Nun stellt sich die Frage, wie das Training während der Schwangerschaft optimalerweise ausgestaltet werden sollte. Allgemein gilt, auf den Körper zu hören: Bei Erschöpfung sollte ausgesetzt oder der Trainingsumfang reduziert werden. Außerdem ist auf eine ausreichende Kohlenhydrat- und Flüssigkeitszufuhr bei Ausdauerbelastung zu achten, dadurch sinkt das Thromboserisiko. Insgesamt ist die Bewegung im Freien bzw. in der Natur zu bevorzugen.  

Konkrete Tipps zum Training: 

Die empfohlenen Herzfrequenzbereiche liegen dabei bei Frauen zwischen 20 und 29 bei 135-150 HF, zwischen 30 und 39 Jahren bei 130-145 HF und ab 40 Jahren bei 125-140 HF. 

Wann Sport während der Schwangerschaft Tabu ist

Trotz des Mehrwerts von körperlicher Aktivität während der Schwangerschaft gibt es absolute Kontraindikationen für Sport. Darunter fallen laut Korsten-Reck: 

Wenn keine dieser Kontraindikationen vorliegt, spielt körperliche Betätigung für eine gesunde Schwangerschaft allerdings eine entscheidende Rolle. Die Mutter kann bereits vor der Geburt Prävention gegen die Epidemie von Übergewicht und Adipositas bei Kindern leisten, unter anderem durch positive epigenetische Auswirkungen, die Bewegung auch auf das Nabelschnurvenenblut hat. 

Weitere Highlights vom Sports, Medicine and Health Summit 2023 finden Sie in unserer Kongressberichterstattung.

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