Diskussion über Altersgrenzen für die Darmkrebsvorsorge

Eine aktuelle Kosteneffizienz-Analyse beschäftigte sich mit der Frage nach dem richtigen Alter für Beginn und Ende von Vorsorge-Koloskopien.

Welche Screening-Strategie wäre am besten?

Anhand des sog. MISCAN-Colon-Modells (Mikrosimulations-Screening-Analyse) wurde eine Kohorte von 10 Millionen 50-Jährigen simuliert, auf die 588 verschiedene Screening-Strategien angewendet wurden, die durch Variation folgender Parameter entstanden: Screening-Intervall (1, 2 oder 3 Jahre), FIT-Grenzwert (fäkaler immunchemischer Test bis 15, 20, 47 oder 60 μg Hämoglobin/g Stuhl), Koloskopie-Startalter (50, 52, 54, 55, 56, 58 oder 60 Jahre) und Koloskopie-Stoppalter (70, 72, 74, 75, 76, 78 oder 80 Jahre).1

Da es sich nicht um klinische Daten handelt, lag der Fokus der Arbeit primär darauf, welcher Screening-Ansatz am kosteneffizientesten ist. Als beste Strategie erwies sich eine jährliche Vorsorgeuntersuchung im Alter von 50 bis 80 Jahren mittels fäkaler immunchemischer Tests (FIT) mit einem Cut-off-Wert von 15 µg/g. Das FIT-Screening von über 75-Jährigen könne aufgrund der steigenden Lebenserwartung, des höheren Krebsrisikos bei älteren Menschen und der insgesamt geringen Belastung durch das FIT-Screening kosteneffektiver sein als eine Herabsetzung des Anfangsalters für das Screening.2 Hier stellt sich die Frage, inwiefern ein Screening über 75 Jahre hinaus im Hinblick auf die Koloskopiekapazitäten realisierbar wäre, da das FIT-Screening bei älteren Menschen höhere Positivraten aufweist, was zu einem erhöhten Bedarf an Koloskopien führt.

Wann sollte man mit Vorsorge-Koloskopien aufhören?

Die Ergebnisse zeigen auf, dass weitere Forschung nötig ist, um einzugrenzen, bei welchen älteren Personen ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis besteht, resümieren die Autoren der Analyse. Hierbei sollten die Invasivität der Untersuchung sowie der individuelle Gesundheitszustand berücksichtigt werden, was wiederum eigentlich nur eine personalisierte Entscheidung sinnvoll erscheinen lässt.
Eine an der Auswertung nicht beteiligte Gastroenterologin, Dr. S. Kusuma Pokala von der Universität Colorado, kommentiert dazu: „Die Vorsorgekonzepte für Darmkrebs bei älteren Menschen sollten weiter untersucht werden, da die Bevölkerungsgruppe der über 75-Jährigen zunimmt und der Nutzen und Schaden der Fortführung des Screenings unklar ist.“2

Entscheidend für die Frage, wann ein Patient „zu alt“ für Routine-Koloskopien ist, werden sicher klinische Daten sein. So wurde in einer großen Studie (https://www.esanum.de/fachbereichsseite-gastroenterologie/feeds/gastroenterologie/posts/vorsorge-koloskopien-gibt-es-eine-altersgrenze) im Rahmen von Kontrollkoloskopien nach Polypektomie bei älteren Menschen selten Krebs entdeckt. Die Detektionsrate von Karzinomen stieg mit dem Alter nicht an, was darauf hindeutet, dass es ein Alter gibt, in dem die Risiken der Koloskopie den Nutzen übersteigen.3

Fazit für die Praxis

Die Autoren der Analyse resümieren, dass sich die Diskussion über das Alter für die Darmkrebsvorsorge nicht einseitig auf die Senkung des Einstiegsalters konzentrieren sollte. „Weitere Studien sollten sich auf die Risiken und den Nutzen einer Fortsetzung der Vorsorgeuntersuchungen in höherem Alter und auf die Identifizierung von Personen konzentrieren, bei denen die Risiken den Nutzen überwiegen.“1

Der Stellenwert der Koloskopie für die Krebsfrüherkennung war bis zur 'NordICC'-Studie (Northern-European Initiative on Colorectal Cancer) nicht in randomisierter Form untersucht worden.4 Diese 2022 im 'New England Journal of Medicine' erschienene Goldstandard-Studie mit 10 Jahren Nachbeobachtungszeit und 84.000 Teilnehmern kam zu dem Schluss, dass die Koloskopie das Darmkrebsrisiko nur um etwa ein Fünftel senkt und die Mortalität nicht signifikant verringert, wir berichteten (www.esanum.de/fachbereichsseite-onkologie/feeds/onkologie/posts/koloskopie-keine-reduktion-darmkrebs-mortalitaet).5
Seither wurden mehrere randomisierte, kontrollierte Studien auf den Weg gebracht, welche die Koloskopie bewerten, einige davon im Vergleich zu alternativen Screening-Verfahren wie fäkalen immunchemischen Tests (FIT).4 Ein abschließendes, auf die klinische Praxis übertragbares Urteil über die Koloskopie dürfte somit noch ausstehen.

Quellen

  1. van de Schootbrugge-Vandermeer, H. J., Toes-Zoutendijk, E., de Jonge, L., van leerdam, M. E. & Lansdorp-Vogelaar, I. When to Start, When to Stop With Colorectal Cancer Screening: A Cost-Effectiveness Analysis. Gastroenterology 167, 801-803.e5 (2024).
  2. When to Start, When to Stop With Colorectal Cancer Screening. PracticeUpdate https://www.practiceupdate.com/content/when-to-start-when-to-stop-with-colorectal-cancer-screening/165905.
  3. Lee, J. K. et al. Surveillance Colonoscopy Findings in Older Adults With a History of Colorectal Adenomas. JAMA Network Open 7, e244611 (2024).
  4. Powell, K. & Prasad, V. Interpreting the results from the first randomised controlled trial of colonoscopy: does it save lives? BMJ Evidence-Based Medicine 28, 306–308 (2023).
  5. Bretthauer, M. et al. Effect of Colonoscopy Screening on Risks of Colorectal Cancer and Related Death. New England Journal of Medicine 387, 1547–1556 (2022). Letzter Zugriff auf Websites: 17.10.24.