Hydratation am Lebensende: ja oder nein?
Niemand möchte einen Patienten verdursten lassen. Andererseits kann eine inadäquate Flüssigkeitszufuhr einen Sterbenden zusätzlich belasten – eine Gratwanderung.
Medizinisch assistierte Hydratation
- Flüssigkeit wird entweder parenteral (in vitro, subkutan) oder enteral via Sonde zugeführt.
- Klare Indikationen sind z.B. eine symptomatische Dehydratation oder eine bösartige Hyperkalzämie.
- Zu den Kontraindikationen zählen eine symptomatische Flüssigkeitsüberladung sowie das Syndrom einer unangemessenen ADH-Ausschüttung.
- Klinische Leitlinien zur intravasalen Volumentherapie können bei der Entscheidung für oder gegen eine Hydratation helfen.
Beschleunigt Flüssigkeitsentzug den Tod?
Für viele Patienten und deren Angehörige ist die Vorstellung, den Sterbeprozess durch eine mangelnde Flüssigkeitszufuhr möglicherweise zu beschleunigen, kaum zu ertragen. Und auch Ärzte und medizinisches Fachpersonal tun sich oft schwer bei der Abwägung der Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite kann klinisch unterstützte Hydratation zum Wohlbefinden der Patienten beitragen, indem sie Durst und Mundtrockenheit mindert. Außerdem fördert sie die Nierendurchblutung. Dadurch wird die Akkumulation von Medikamenten und Giftstoffen verhindert, was u.a. einem Delir vorbeugen kann.
Auf der anderen Seite belastet eine Flüssigkeitsüberladung das Herz und verstärkt periphere Ödeme. Sie kann auch zu Erbrechen und vermehrten Atemwegssekreten führen. Ein grundsätzlicher Kritikpunkt bei der Hydratation Sterbender entzündet sich schließlich an der Medikalisierung des Sterbeprozesses, der dadurch unnötig in die Länge gezogen und erschwert werden kann.
Wie verhalte ich mich richtig?
Die bisherige Forschung zum Thema hat keine eindeutigen Ergebnisse gebracht und ist zum Teil qualitativ fragwürdig. Davies betont, dass die Entscheidung für oder gegen eine klinisch unterstützte Hydratation komplex ist und stets individuell getroffen werden muss. Dabei ist es wichtig, die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen miteinzubeziehen, aufzuklären und diffuse Ängste zu nehmen.
Folgende pragmatische Überlegungen können laut den Autoren bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein:
- Überprüfen und bewerten Sie den Hydratationsstatus des Patienten. Berücksichtigen Sie dabei den Bewusstseinszustand, etwaige Schluckbeschwerden und Durstgefühle sowie das Risiko eines Lungenödems.
- Beachten Sie auch die persönlichen Wünsche und Präferenzen des Patienten und respektieren Sie seine kulturellen und religiösen Überzeugungen.
- Erwägen Sie einen Therapieversuch bei offensichtlichen Anzeigen einer Dehydratation wie Durst oder Delirium.
- Wenn Sie eine klinisch unterstützte Flüssigkeitszufuhr beginnen, überwachen Sie den Patienten und überprüfen Sie mindestens alle 12 Stunden Veränderungen der Symptome.
- Setzen Sie die Hydratation fort, wenn es Anzeichen für einen klinischen Nutzen gibt.
- Reduzieren oder beenden Sie die Behandlung, wenn es Anzeichen für mögliche Schäden gibt oder die sterbende Person sie nicht mehr wünscht.
Fazit für die Praxis
Die Entscheidung für oder gegen eine medizinisch assistierte Hydratation am Lebensende bleibt mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbunden. Sie ist immer eine individuelle Abwägung, bei der nicht nur körperliche, sondern auch psychologische, spirituelle und soziale Faktoren berücksichtigt werden müssen, die für den Patienten und seine Familie wichtig sind.
Weitere Informationen für Hausärzte
- Davies A et al. What is the role of clinically assisted hydration in the last days of life? BMJ 2023;380:e072116.
- National Institute for Health and Care Excellence. Intravenous fluid therapy in adults in hospital (clinical guideline CG174). 2017.
- National Institute for Health and Care Excellence. Care of dying adults in the last days of life (NICE guideline NG31). 2015.