- Schwaab, Bernhard (Timmendorfer Strand): Präoperative kardiovaskuläre Risikoabklärung – was muss bedacht werden? Session „Hätten Sie es gewusst?“, DGIM-Kongress 2024, Wiesbaden, 13.-16.04.2024.
- ESC-Guideline. Eur Heart J 2022; 43: 3826-3924.
Die ESC-Guidelines sehen einen klaren Algorithmus zur präoperativen kardiovaskulären Risikoabschätzung vor. Zunächst werden elektive, nicht-kardiale operative Eingriffe in drei Risikogruppen unterteilt:
Unabhängig von der Art des Eingriffs werden eine Anamnese, eine körperliche Untersuchung sowie ein Standard-Labor gefordert. Zudem sollte die bestehende Medikation ggf. optimiert werden. Als effektive Maßnahme zur Risikoreduktion hat sich außerdem ein Rauchstopp erwiesen: Eine mindestens vierwöchige Nikotinabstinenz vor der Operation kann die Komplikationsrate und Mortalität nachweislich senken.
Das weitere Vorgehen richtet sich nach dem jeweiligen OP-Risiko. Ist es niedrig, wird grundsätzlich keine weitere apparative Diagnostik empfohlen. Bei intermediärem Risiko kommt es auf Alter und kardiovaskuläres Profil an: Bei Patienten ab 65 Jahren oder mit bestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren werden ein 12-Kanal-EKG und die Bestimmung von Biomarkern empfohlen. Konkret sollen BNP/NT-proBNT und das hochsensitive Troponin erhoben werden, wobei Letzteres außerhalb von Unikliniken wohl eher realitätsfern ist. Bei manifester kardiovaskulärer Erkrankung (CVD) soll darüber hinaus die funktionelle Kapazität mittels Treppensteigens über 2 Etagen, Frailty-Score oder Ergometrie ermittelt werden.
Bei einem hohen Operationsrisiko werden EKG und Biomarker grundsätzlich bei allen Patienten über 45 Jahren empfohlen. Die funktionelle Kapazität wird bereits bei allen Betroffenen über 65 Jahren oder mit kardiovaskulären Risikofaktoren relevant. Bei manifester CVD soll schließlich ein Kardiologe konsultiert und eine multidisziplinäre Entscheidung getroffen werden.
Bei der apparativen kardiologischen Diagnostik sind die Leitlinien eher zurückhaltend. So soll etwa eine Echokardiographie nicht standardmäßig, sondern nur bei konkreten Hinweisen auf eine eingeschränkte Pumpfunktion erfolgen. Eine koronare Bildgebung mittels CT oder Angiographie soll nur dann erwogen werden, wenn auch unabhängig von der Operation eine Indikation dafür besteht. Eine bekannte KHK ist dagegen kein hinreichender Grund.
Da gute Daten fehlen, ist der Umgang mit der bestehenden Medikation weitgehend Ermessenssache. Statine und Betablocker sollten fortgesetzt werden, während dies bei antihypertentiven Medikamenten umstritten ist, da das individuelle Blutdruckverhalten schwer einzuschätzen ist. Hier kann es ggf. sinnvoll sein, die Therapie zu pausieren. Bei mittlerem oder hohem Operationsrisiko sollten auch SGLT-2-Inhibitoren mindestens drei Tage vor dem Eingriff unterbrochen werden.
Bei der Plättchenhemmung und oralen Antikoagulation besteht dagegen in der Regel kein Grund für ein vorübergehendes Absetzen. Wenn doch, sollten sie – abhängig vom Blutungsrisiko – möglichst kurz und in Absprache mit dem Operateur unterbrochen werden.
Die präoperative Einordnung des kardiovaskulären Risikos orientiert sich an festen Kriterien und bleibt dennoch oft eine individuelle Entscheidung und Abwägung. Ein kardiologisches Konsil ist in der Regel nur bei einem hohen operations- wie patientenbezogenen Risiko nötig, wird aber in der Praxis auch darüber hinaus regelmäßig angefordert. Wie so oft gilt auch hier, auf notwendige, sinnvolle und klinisch indizierte Maßnahmen zu fokussieren.