Neubetrachtung der dopaminergen Strategie bei Parkinson

Die direkte Infusion von anaerobem Dopamin ins Gehirn zeigt in ersten klinischen Studien herausragende Ergebnisse – mit bis zu 6,6 zusätzlichen Stunden motorischer Autonomie pro Tag und ohne die typischen Nebenwirkungen herkömmlicher Therapien.

Anaerobes Dopamin und gezielte Infusion ins Gehirn: eine doppelte Innovation

L-Dopa bleibt der Grundpfeiler der symptomatischen Behandlung von Parkinson. Die langfristige Anwendung ist jedoch durch pharmakokinetische Instabilität, Off-Target-Stoffwechsel und die Entwicklung motorischer Komplikationen wie Fluktuationen und Dyskinesien eingeschränkt. Gerätegestützte Therapien (DATs), darunter die tiefe Hirnstimulation, die Apomorphin-Infusion und die Verabreichung von Darmgels, stellen einen therapeutischen Fortschritt dar, werden aber nur von einer Minderheit der Patienten genutzt oder vertragen.

Betrachtet man die krankhaften Veränderungen im Gehirn, erscheint eine konstante direkte Dopaminzufuhr als logische therapeutische Konsequenz. Die direkte Verabreichung von Dopamin galt jedoch jahrzehntelang als nicht praktikabel, vor allem weil das Molekül schnell oxidiert und die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann. 

InBrain Pharma hat in Zusammenarbeit mit der Universität Lille und dem Universitätsklinikum Lille eine neue Strategie entwickelt: die kontinuierliche intrazerebroventrikuläre Infusion von anaerobem Dopamin (A-Dopamin). Die Formulierung wird unter streng sauerstofffreien Bedingungen (O₂ < 0.1%) hergestellt, gelagert und verabreicht, wodurch das Dopamin vor oxidativem Abbau geschützt wird. Die Verabreichung erfolgt über eine subkutan implantierte Pumpe, die an einen Katheter angeschlossen ist, der in den dritten Ventrikel in der Nähe des Striatums führt. Das System ermöglicht eine programmierbare, zirkadiane Dosierung von Dopamin und damit einen personalisierten Neuromodulationsansatz für dopaminerge Rezeptoren.

DIVE-I-Studie

Design und Probanden

Die in "Nature Medicine" veröffentlichte DIVE-I-Studie (Dopamine IntraVentricular Evaluation) ist eine einzentrige, offene Phase-1/2-Studie, in der die Durchführbarkeit, Sicherheit und Wirksamkeit von A-Dopamin bei Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit und schweren L-Dopa-bedingten Komplikationen (LDRCs) untersucht wurde. 

Zwölf Patienten unterzogen sich der stereotaktischen Implantation des Geräts.

Phase 1 (n=12) konzentrierte sich auf die Titration und Sicherheit der A-Dopamin-Pumpe. Phase 2 (n=9, Crossover-Design) wurde eine einmonatige Behandlung mit A-Dopamin mit einer einmonatigen optimierten oralen Antiparkinson-Therapie verglichen. 

Der verblindete primäre Endpunkt war der prozentuale Anteil der Zeit, die in Bradykinesie oder Dyskinesie verbracht wurde, gemessen durch häusliche Aktigraphie.

Klinische Ergebnisse: Wirksamkeit und Sicherheit

Die DIVE-I-Studie zeigt ermutigende Ergebnisse hinsichtlich der Kontrolle motorischer Symptome und der Sicherheit. Der primäre Endpunkt (prozentualer Anteil der Zeit mit Bradykinesie oder Dyskinesie) wurde mit A-Dopamin im Vergleich zur optimierten oralen Therapie signifikant verbessert. Die Patienten erfuhren eine mediane Reduktion von 10,4%, mit einem statistisch signifikanten p-Wert=0,027 und einer moderaten Effektgröße (Hedge's g = −0,62), was auf eine Wirksamkeit in der klinischen Praxis hinweist.

Die Behandlung führte zu einer deutlichen Zunahme der funktionellen "ON"-Zeit, also der symptomfreien Phasen im Tagesverlauf. Die Patienten gewannen durchschnittlich 4,4 Stunden pro Tag ohne Dyskinesien. Noch größere Verbesserungen zeigten sich in der Zunahme von Phasen mit optimaler Bewegungsfähigkeit: Die Zeitspanne mit guter motorischer Autonomie – also Phasen, in denen Patienten entweder vollständig symptomfrei waren oder nur minimale Einschränkungen erlebten – verlängerte sich um 6,6 Stunden pro Tag. Diese Verbesserungen wurden parallel zu einer erheblichen Reduktion oraler dopaminerger Medikamente erreicht. Insbesondere wurde die Levodopa-Äquivalent-Tagesdosis (LEDD) um etwa 60% reduziert, was die Wirksamkeit der direkten Dopaminzufuhr ins Gehirn über den intraventrikulären Weg bestätigt.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Behandlung ein günstiges Sicherheitsprofil aufwies. Es traten weder in der Titrations- noch in der Erhaltungsphase schwerwiegende A-Dopamin-bedingte unerwünschte Ereignisse auf. Leichte und vorübergehende Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schläfrigkeit oder orthostatische Hypotonie wurden während der Dosiseskalation beobachtet, die dem typischen Verträglichkeitsprofil oraler dopaminerger Mittel entsprechen. Während der Langzeitbeobachtung, die über 900 vom Patienten selbstständig ambulant durchgeführten Nachfüllungen des Infusionssystems umfasste, traten lediglich drei geringfügige unerwünschte Reaktionen auf. Diese seltenen Ereignisse klangen vollständig und ohne jegliche Komplikationen ab.

Die Studie beobachtete weder das Auftreten noch die Verschlechterung von Dyskinesien, auch nicht bei hochdosiertem A-Dopamin während der schnellen Titration. 

Das Ausbleiben von Dyskinesien deutet darauf hin, dass bei dieser Therapieform im Gegensatz zur pulsatilen oralen L-Dopa-Gabe ein grundlegend anderes pharmakodynamisches Verhalten vorliegt. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass die kontinuierliche Infusion von A-Dopamin die Rezeptoren auf eine andere Art und Weise stimuliert.

Langzeitbehandlung und praktische Anwendbarkeit

Alle 11 geeigneten Patienten setzten die A-Dopamin-Therapie über die Studie hinaus fort. Die mediane Nachbeobachtungszeit beträgt mittlerweile mehr als 18 Monate, wobei einige Patienten über 3,5 Jahre kontinuierlicher Infusion erreichen. Die Langzeittitration wurde entsprechend den Bedürfnissen der Patienten angepasst, wobei ein Gleichgewicht zwischen klinischem Nutzen und Nachfüllhäufigkeit (medianes Intervall: 11 Tage) angestrebt wurde. Es sind keine langfristigen A-Dopamin-bedingten unerwünschten Reaktionen aufgetreten.

Interessanterweise blieb die LEDD-Reduktion dauerhaft, und es wurden im Laufe der Zeit keine neuen motorischen Komplikationen festgestellt. Dieser anhaltende Nutzen unterstreicht die Vermutung, dass eine kontinuierliche dopaminerge Rezeptorstimulation eine effektive Minderung der Parkinson-Symptomatik unterstützt.

Wie geht es weiter?

Die therapeutische Innovation leitet effektiv eine neue Generation gerätegestützter Therapien ein: "Die direkte Infusion von Neurotransmittern", die Vorläufer-basierte Strategien überwindet. Durch direktes Targeting des Striatums können zwei kritische Hürden umgangen werden: die vorläufige Absorption im Verdauungstrakt und die Selektion über die Blut-Hirn-Schranke. Damit bietet Dopamin A, was orales L-Dopa nicht kann: ein konstantes, individuell anpassbares und dem zirkadianen Rhythmus entsprechendes Dopamin-Level.

Darüber hinaus wirft das fehlende Auftreten von Dyskinesien trotz deutlicher motorischer Verbesserungen grundlegende Fragen zur unterschiedlichen Pharmakodynamik von Dopamin A im Vergleich zu L-Dopa auf. Die DIVE-I-Ergebnisse könnten somit nicht nur therapeutische Ansätze zukünftig verändern, sondern auch unser grundlegendes Verständnis zur Pathophysiologie von Parkinson erweitern.

Die Ergebnisse dieser Studie müssen nun durch eine große, qualitativ hochwertige klinische Studie (randomisiert und doppelblind kontrolliert) bestätigt werden, um weitere Belege für die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Behandlung zu erhalten. 

Aktuell befindet sich ein umfassendes Phase-III-Studienprogramm in Vorbereitung, das die Grundlage für eine beschleunigte Zulassung dieses Therapieansatzes bis 2030 schaffen soll. Der medizinische Bedarf ist offensichtlich: Für Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung bieten die derzeit verfügbaren DATs oft keine befriedigende Lösung – sei es aufgrund unzureichender Wirksamkeit, erheblicher Nebenwirkungen oder technischer Limitationen. In diesem therapeutischen Vakuum könnte sich die A-Dopamin-Infusion rasch als Methode der Wahl etablieren, insbesondere für jene Patienten, die von konventionellen Verfahren nicht profitieren oder für diese nicht geeignet sind. Das Wirkprinzip verspricht, eine entscheidende Versorgungslücke in der Behandlung fortgeschrittener Parkinson-Stadien zu schließen.