Als junger Arzt kam ich nach einer großen Operation einer älteren Patientin auf die Station und die Krankenschwester reichte mir das Telefon. Eine Nachbarin unserer Patientin sagte mir, dass deren Ehemann sich gerade erschossen hat. Ich rief den Oberarzt und fragte: Was soll ich tun? Antwort: Das muss man ihr sagen. Ich rief einen Psychiater an und der riet: Ja, das muss man ihr sagen ... Aber wie? Wer? Da fing ich an, mich mit Breaking Bad News und dem Konzept mit sogenannten Simulationspatientinnen und -patienten zu beschäftigen, auf die ich bei meinen Recherchen stieß. Als ich nach 25 Berufsjahren vor einigen Jahren ein Buch darüber schrieb, merkte ich, wie wenig Wissenschaft dazu existiert. Deswegen habe ich jetzt die Studie initiiert, um den Stand der Kommunikation von Bad News erstmal zu erheben.
Die Not – aber auch die Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte – sind sehr groß. Ärztinnen und Ärzte und Studierende haben Angst vor derartigen Situationen, sie haben keine adäquaten Instrumente damit umzugehen, sich abzugrenzen, sie kennen keine Fort- und Weiterbildungsangebote dazu, sind aber sehr an Supervision und Weiterbildungsformaten interessiert. 40% der Ärztinnen und Ärzte wünschen sich mehr als 20 Minuten für ein Gespräch über schlechte Nachrichten mit der Patientin oder dem Patienten – also mehr Zeit als sie haben. Über die Hälfte sagen Nein zu der Frage, ob sie dafür bestimmte Kenntnisse oder Techniken haben. Im Median haben sie sich 1,7 Stunden im Studium mit diesem Thema beschäftigt. In der Weiterbildung kam eine Stunde hinzu, sowie 1,7 Stunden im Selbststudium. In der Umfrage zeigte sich zudem, dass der Bedarf bei allen viel höher wäre. So wünschen sich 80% Seminare mit Simulationspatientinnen und -patienten. 90% sagen das Thema gehört ins Medizinstudium. Dazu wünschen sich 65%, dass das am Beginn der Weiterbildung eine Rolle spielt. Als Barriere sich mit dem Thema systematisch zu befassen nennen 27% den Zeitmangel, 11% sagen, das sei die fehlende Wertschätzung des Themas bei Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten.
Das Thema Kommunikation braucht eindeutig mehr Raum im Studium. Auch in der Fort- und Weiterbildung sollte das Thema regelmäßig eine Pflichtveranstaltung sein. Das Ganze muss auch enger verbunden sein mit der Patientensicherheit. Und das muss in die Vergütung einfließen. Wie soll denn personalisierte Medizin überhaupt funktionieren – ohne gute Kommunikation? Was nutzt eine aufwendige Sequenzierung im Rahmen der sogenannten personalisierten Medizin, wenn wir das Gespräch dazu nicht führen? Auch für die Kommunikation über digitale Medien und Videosprechstunden braucht es Lehrkonzepte. Man muss mit den Kassen darüber reden, dass wir den Ärztinnen und Ärzten ein strukturiertes Supervisionskonzept anbieten und dies als Maßnahme der Patientensicherheit und Qualitätssicherung zu werten ist. Wenn wir das einfordern, bekommen wir schnell Mehrheiten in der Gesellschaft. Denn das geht alle an.