Nett sein allein genügt nicht. Im Buch geht es von den Kommunikationsgrundlagen hin zu spezifischen Kommunikationsfähigkeiten - immer entlang an Situationen, die einem im Arztberuf begegnen können: Etwa dem Gespräch mit einer Person mit Migrationshintergrund oder mit Angehörigen eines schwerkranken Menschen. Es wird aber auch gezeigt, dass ich fachlich gut sein muss, um die richtigen Fragen zu stellen und gut zu beraten. Nach wie vor beginnt die ärztliche Konsultation mit einer guten Anamnese, die die Grundlage für die richtige Diagnostik und zu dem Patienten passender Behandlung ist. Wenn das nicht gelingt, kann es zu gravierenden Fehlbehandlungen kommen.
Hoffentlich, aber man muss und kann sie auch üben. Sich für den kranken Menschen und nicht nur für die Krankheit zu interessieren, erleichtert es Ärztinnen, Empathie zu empfinden und auszudrücken. Dies bildet die Grundlage für ein vertrauensvolles Behandlungsverhältnis. Leider fühlen sich nach wie vor viele Patienten unwohl, verunsichert und verloren im Gesundheitssystem.
Zunächst Kommunikationsgrundlagen: Gut zuhören, verständlich sprechen, Emotionen zulassen, Pausen aushalten, Patienten einbeziehen, Zusammenfassungen machen, Verständnissicherung. Wer das kann, ist auf einem guten Weg. Und darauf aufbauend braucht es spezifische Kommunikationsfertigkeiten.
Ärztliche Kommunikation ist erfolgreich, wenn zur allgemeinen Kommunikationskompetenz spezifische Kommunikationsfähigkeiten für den konkreten fachlichen Kontext hinzukommen. Rund hundert Fachexperten - von Unfallchirurgen bis zu Allgemeinmedizinerinnen - haben über 110 kommunikative Lernziele berücksichtigt, die von einer Expertengruppe definiert worden sind. Beispielsweise: Inkontinenz, ein häufiges, unterdiagnostiziertes Problem. Da ist es wichtig, das Schamgefühl anzusprechen und aufzulösen, damit Patientinnen offen berichten können. Und ich muss vertiefend spezifische Anamnesefragen stellen, damit ich etwa die Beeinträchtigung der individuellen Lebensgestaltung beurteilen kann. In der Gynäkologie geht es z.B. um das Überbringen schlechter Nachrichten am Beispiel von Brustkrebs, die gemeinsame Entscheidungsfindung bei der Mammographie oder auch die Beratung bei Infertilität. In der Lungenheilkunde ist ein Thema "Prognostic awareness", also der Umgang mit Hoffnung und Prognose in einer palliativen Behandlungssituation bei Patienten mit Lungenkrebs.
Das fängt mit einem angemessenen Setting im Krankenhaus für ein Gespräch an. Studierende erfahren, dass es kaum möglich ist, am Fußende des Bettes hoch über dem Patienten stehend ein vertrauensvolles Gespräch zu führen. Sie lernen, das Gespräch möglichst auf Augenhöhe zu führen. Erstaunt sind die Studierenden, wie gut man gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten, die ich häufig als "Co-Dozenten" in den Unterricht einbinde, die Gesprächssituation reflektieren kann. Es ist ein guter Lernmoment, zu erfahren, wie genau Patienten auf Details achten, aber ihre Beobachtungen meist bei sich behalten, um das Arzt-Patient-Verhältnis nicht zu gefährden.
Das ist ein offener Punkt. Wir haben an der Universität Heidelberg zusammen mit über 400 Kolleginnen und Kollegen aus 37 Fakultäten ein Nationales Mustercurriculum Kommunikation entwickelt. Laut dem Masterplan Medizinstudium 2020 sollte es Eingang in Lehre und Prüfungen finden. Wären Kommunikation und Patientenorientierung verbindlicher Inhalt des Staatsexamens, wäre das ein Gewinn für die Studierenden, die besser auf die schwierigen Kommunikationsherausforderungen im Beruf vorbereitet wären und für die Patientinnen, weil sie in den Gesprächen besser gehört würden, die Inhalte besser verstehen und aktiver zum Behandlungserfolg beitragen könnten. Es gab schon einen Referentenentwurf für eine neue ärztliche Approbationsordnung, in dem in der Abschlussprüfung spezifische Kommunikationsinhalte verbindlich bundesweit geprüft werden sollten. Derzeit liegt der Entwurf auf Eis. Reformen in der Medizin brauchen häufig Zeit, weil es viele Beharrungskräfte gibt.
Dont's: Der Patientin zu Beginn nicht offen zuhören. Fragenbatterien, also mehrere Fragen hintereinander platzieren oder Antwortbatterien geben. Emotionale Pausen nicht aushalten und schnell viele Information vermitteln, die vom Patienten gar nicht erfasst werden können. Emotionen, die im Raum stehen, nicht ansprechen.
Do's: Zuhören, Zuwenden, Emotionen zulassen, Pausen aushalten. Das Setting erklären, eigene Zeitgrenzen deutlich machen, gemeinsam mit dem Patienten priorisieren, was jetzt das Wichtigste ist und was beim nächsten Mal geklärt wird.
Auslöser war 1991 ein junger Krebspatient. Bei ihm habe ich als junge Ärztin gemerkt: diese Art von Kommunikation, die ich jetzt brauche, habe ich nicht gelernt. Auf seine existentiellen Fragen mitten im Stationstrubel war ich nicht vorbereitet. Diese komplexe, fachlich herausfordernde Situation, verbunden mit dem Leid des Patienten brachte mich an die Grenzen. Es gab keinen Ort, um das im Team zu besprechen. Und auf sehr traurige Weise habe ich erfahren, wie wichtig es ist, auch das Leid der Angehörigen im Auge zu behalten. Die Freundin des Patienten hat sich kurz nach seinem Tod das Leben genommen. Auch später habe ich immer wieder erlebt, in welches schwarze Loch Menschen fallen, wenn schlechte Nachrichten nebenbei und unempathisch vermittelt werden. Es gibt kaum Menschen, die in einer Phase der existenziellen Bedrohung nicht bedürftig nach Orientierung, Zuwendung, Begleitung sind. Ich habe damals verstanden: Kommunikationskompetenz muss man lehren, üben und prüfen. Interprofessionelles Kommunikationstraining in der Onkologie ist ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit geworden.