Vor dem Hintergrund der nicht vorhandenen kausalen Behandlungsmöglichkeiten von Long COVID hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Montag nach der zweiten Sitzung des Runden Tischs von Wissenschaftlern, Ärzten und Betroffenen dringend dazu aufgerufen, die Möglichkeit zur Impfung – auch in Kombination gegen Influenza zu nutzen. Damit lasse sich derzeit noch rechtzeitig vor Weihnachten und der dann steigenden Kontaktfrequenzen eine ausreichende Immunität aufbauen. Mit einer Impfung sinke nicht nur das Risiko für eine Infektion und eines schweren akuten Krankheitsverlaufs, sondern das Risiko für Long COVID nach einer Infektion könne dadurch halbiert werden.
Um die Krankheit zu erforschen, wollen das BMG und das Bundesforschungsministerium im nächsten Jahr 130 Millionen Euro, davon 50 Millionen speziell zur Behandlung von Kindern, zur Verfügung stellen. Weitere 20 Millionen Euro werden über den Bundesausschuss und dessen Innovationsfonds finanziert. Da die Beratungen des Bundeshaushalts 2024 derzeit noch laufen, sei dies aber nicht sicher, so Lauterbach. Darüber hinaus arbeite das Bundesinstitut für Arzneimittel an einer Arzneimittelliste für den Off-Label-Use.
Die geplanten Forschungsmittel würden es erlauben, im kommenden Jahr etwa 30 Forschungsgruppen zu finanzieren, so Professor Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz der Charité. Dort ist inzwischen eine Studienplattform errichtet worden, die interdisziplinäre Untersuchungen ermöglicht, die Mechanismen der Entstehung und Entwicklung von Long COVID aufzuklären, die verschiedenen Krankheitsmuster und deren Verläufe zu differenzieren sowie Biomarker und mögliche Therapieoptionen zu identifizieren.
Neben den erst vorläufigen und noch unzureichenden Erkenntnissen über den Krankheitsverlauf und noch fehlenden kausalen Therapien ist aber auch die Versorgungssituation für die betroffenen Patienten unzureichend. Notwendig, so Lauterbach, wären etwa zehn regionale Exzellenz-Center, in denen einerseits Patienten behandelt werden können, die aber auch als Ansprechpartner und Berater von Haus- und Fachärzten in der Fläche zur Verfügung stehen. Von diesen Ärzten könne nicht erwartet werden, dass ihnen alle derzeit bereits identifizierten Krankheitscluster, deren Verläufe und die dafür bereits identifizierten Therapieoptionen kennen. Von entscheidender Bedeutung dafür, die Versorgung in der Fläche zu verbessern, sei der Know-how-Transfer von den Zentren in die Peripherie, so Lauterbach.
Das BMG selbst bietet über das Portal www.bmg-longcovid.de einen Informationsservice speziell auch für Ärzte an und verlinkt zu möglichen Konsil-Partnern, Leitlinien und aktuellen Studien.
Nach Erkenntnissen des RKI auf der Basis von gemeldeten Testergebnissen, der Hospitalisierung von Infizierten Patienten und des Abwassermonitorings liegt die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz bei etwa 1700, Tendenz leicht steigend. Derzeit, so Professor Lars Schaade vom RKI, seien fünf Prozent der ITS-Betten von COVID-infizierten Patienten belegt.