Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Vertrauen in Versorgungsstabilität schwindet

Der Anteil der Bürger, die den bisherigen Status der gesundheitlichen Versorgung für (noch) zufriedenstellend halten, ist innerhalb von zwei Jahren von 81 auf 67 Prozent gesunken.

Lange Wartezeiten für Arzttermine sorgen für Vertrauensverluste

Inzwischen berichten 40 Prozent der Befragten davon, dass sie in den vergangenen zwei Jahren schlechtere Erfahrungen mit der GKV-Versorgung gemacht haben als zuvor; der Anteil derer, die Verbesserungen beobachtet haben, liegt bei sieben Prozent. Für den deutlichen Negativtrend sind vor allem zwei Umstände ausschlaggebend: 70 Prozent berichten von langen Wartezeiten auf einen Arzttermin, und 43 Prozent hatten überhaupt Schwierigkeiten, einen Arzt zu finden. Zunehmend werden überdies Engpässe in der Arzneimittelversorgung berichtet. Vor allem sozial schwächere Versicherte befürchten in Zukunft wachsende Zuzahlungen und Einschränkungen des Leistungskatalogs. 

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht darin ein Warnsignal an die Bundesregierung: "Es ist höchste Zeit, den schleichenden Zerfall des Gesundheitswesens zu stoppen. Wir brauchen deshalb eine Kehrtwende in der Gesundheitspolitik", so der KBV-Vorstand. Die Entwicklung sei nicht überraschend. Anstatt teure Parallelversorgungen wie Gesundheitskioske zu errichten, müssten Vertragsärzte von Bürokratie und unnötigen Dokumentationen entlastet, die Versorgung im ländlichen Raum gezielt gefördert und in den Ausbau der Studienkapazitäten investiert werden.

Zahl der HIV-Infektionen steigt – aber das tödliche Risiko scheint gebannt

Deutschland ist nun als 39. Land Mitglied der globalen Partnerschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hat, alle Formen der Stigmatisierung und Diskriminierung aufgrund einer HIV-Infektion zu beseitigen. Den Beitritt zur "Global Partnership for Action to Eliminate all Forms of HIV-Related Stigma and Discrimination" gab Bundeskanzler Olaf Scholz anlässlich des internationalen AIDS-Kongresses in München bekannt. Die Bundesregierung sei entschlossen, auch in Deutschland das globale Ziel einer Beendigung der AIDS-Pandemie bis 2030 zu erreichen. Mit 1,3 Milliarden Euro sei Deutschland darüber hinaus der größte Geldgeber des Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria. 

Ähnlich wie beim weltweiten Trend hat die Zahl der Neuinfektionen auch in Deutschland in jüngster Zeit wieder zugenommen: So berichtet das Robert Koch-Institut von einem sprunghaften Anstieg der Fallzahlen von 1900 auf 2200 im Jahr 2023. Damit liegt Deutschland wieder auf dem Niveau von 2019. Insgesamt waren 96.700 Menschen von einer Infektion betroffen. Besorgniserregend sei vor allem der Anstieg der Infektionszahlen bei Drogenabhängigen, so der Internist Professor Heiko Karcher in einem Interview der "Welt". Ein besonderes Risiko seien Sexparties mit Drogenkonsum, weil dabei Prävention vernachlässigt werde. Auf der anderen Seite sei der aktuelle Stand der Therapiemöglichkeiten "hervorragend", weil die Viruslast derart effektiv unterdrückt werden könne, dass Infizierte theoretisch eine Chance hätten, 100 Jahre alt zu werden.

Aktuell Sorgen bereiten den AIDS-Medizinern allerdings Versorgungsengpässe bei den Antibiotikawirkstoffen Doxycyclin und Azithromycin. Derzeit sei der Bedarf nur zu 50 Prozent zu decken, so die Vertretung HIV-kompetenter Apotheken. Die Mangelversorgung berge große Gefahren, so Karcher, der auch dem Vorstand der DAGNÄ angehört: Bei Syphilis sei Doxycyclin die einzige Alternative für Penicillin-Allergiker; bei Chlamydien könnten alternativ Gyrasehemmer eingesetzt werden, für die jedoch schwere Nebenwirkungen bekannt seien.  

Herzgesetz und Apothekenreform im August im Kabinett

Berlin. Die beiden in der Fachwelt hoch umstrittenen Entwürfe für das Gesunde-Herz-Gesetz und die Apothekenreform sollen am 21. August unmittelbar nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause vom Bundeskabinett beraten werden und dann in die parlamentarischen Beratungen gehen. Bereits kurz vor der Sommerpause hatte das Kabinett über vier Reformgesetze entschieden: die Notfallreform, erweiterte Möglichkeiten der Lebendspende von Nieren, den Aufbau einer Digitalagentur als Folgeorganisation der gematik und die Errichtung des Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin. 

Hohe Forschungsintensität in Deutschland – aber China setzt sich an die Spitze

Gemessen an seiner Forschungsintensität gehört Deutschland seit Jahren stabil weltweit zur Spitzengruppe. In der Summe jedoch hat sich China, was die Zahl seiner Forscher angeht, in den letzten 20 Jahren an die Spitze gesetzt: Nach Daten des MacroScope Economic Policy Briefs des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen beschäftigte China 4,5 Millionen Vollzeitäquivalente in der Forschung, weltweit ein Anteil von 42 Prozent aller Wissenschaftler, gefolgt von der EU mit 17,2 und den USA mit 16,5 Prozent. Weltweit steht Deutschland im Länderranking mit 4,5 Prozent an vierter Stelle.

Dabei ist hierzulande bei insgesamt wachsender Beschäftigung die Zahl der in der Forschung tätigen Vollzeitäquivalente überproportional gestiegen: Von 335.000 in 2003 auf 578.000 in 2022. Der Anteil an allen Beschäftigten stieg von 0,9 auf 1,3 Prozent. Im Branchenvergleich stechen drei als besonders forschungsintensiv hervor: Pharma, Elektrotechnik und Automobilbau. Generell werden in der Forschung weit überdurchschnittliche Gehälter gezahlt: Am besten dotiert sind Forscher in der Pharma-Industrie mit einem Personalaufwand je Beschäftigten von 124.000 Euro, das sind 64 Prozent mehr als die Branche allen Mitarbeitern im Schnitt zahlt. An zweiter Stelle liegt die Chemie-Industrie. 

Im Bereich der Medizinforschung insgesamt – einschließlich Pharma-Industrie und Medizintechnik – sind in Deutschland nach Daten der gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundeswirtschaftsministeriums 106.000 Menschen (2022) beschäftigt. Gut die Hälfte davon entfällt auf Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.