Dr. med. Katrin Schaudig weiß, wovon sie spricht. Sie ist Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft e.V., Mitgründerin der Gemeinschaftspraxis Hormone Hamburg und Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie. In ihrer Praxis, so sagt sie, habe sie überproportional viele Ärztinnen, die als Patientinnen zu ihr kommen. Und das liege nicht daran, dass Ärztinnen einen offeneren Umgang mit dem Thema und größere Motivation hätten, sich Hilfe zu holen.
Bei ihren Patientinnen handele es sich überwiegend um nicht gynäkologische Kolleginnen, die verunsichert seien, da die Hormonersatztherapie (HET) in den nicht gynäkologischen Fachbereichen noch immer sehr kritisch gesehen würde: "Das sind Ärztinnen, die durch Fach- und Laienpresse nur ein "Halbwissen" haben und denken, dass Hormontherapie irgendwie nicht gut ist. Und wenn sie dann über einen von uns veröffentlichten Artikel zum Thema HET oder über andere Medien von unserer Praxis hören, wollen sie sich dezidiert beraten lassen. Und zwar von jemandem, der wirklich hoch spezialisiert auf das Thema ist und sie entsprechend ihrem medizinischen Hintergrund über alle Vor- und Nachteile der Therapie aufklären kann."
Frauen ohne medizinische Ausbildung sind oft noch schlechter informiert und wissen häufig nicht so genau, was Begriffe wie Perimenopause, Postmenopause, Östrogen oder Progesteron bedeuten.
Katrin Schaudig sagt, sie habe noch nie so viele Presseanfragen gehabt wie im Moment. In England gehen die Frauen seit einiger Zeit auf die Straße, um auf sich aufmerksam zu machen. "Das sind Frauen, die jetzt mit dem Fuß aufstampfen, weil sie nicht wahrgenommen oder nicht ernst genommen werden und ihnen eine Hormontherapie vorenthalten wird", so Schaudig. Mit dem Erfolg, dass kürzlich ein Gesetz durchs Parlament gewunken wurde, das die Kostenübernahme für eine Hormonersatztherapie regelt und zudem eine Verbesserung für die Betreuung klimakterischer Frauen sicherstellen soll.
Doch warum sind die Wechseljahre so ein Tabuthema? Es geht vor allem um Scham und die Sorge, nicht mehr Frau genug, nicht mehr begehrenswert zu sein. Die Menopause markiert die letzte Regelblutung und damit das Ende der Fruchtbarkeit und den spürbaren Alterungsprozess – und Altern ist gesellschaftlich noch immer negativ besetzt. Aber auch die Leistungsfähigkeit ist von Wechseljahresbeschwerden und -symptomen betroffen. In einem stressvollen Beruf macht sich das besonders bemerkbar. Hinzu kommt die Angst vor peinlichen Situationen. Die Ärztin erinnert sich an eine Journalistin, die ihr sagte: "Der Kontrollverlust, wenn man in einer Konferenz mit lauter Männern sitzt, und plötzlich fängt der Schweiß an, einem auf die Bluse zu tropfen, ist das Allerschlimmste." Sollte man also die Arbeitsbedingungen verbessern? Schaudig hält das für wenig zielführend und unrealistisch. Die Symptome hingegen können wirksam behandelt werden.
In Deutschland ist der prozentuale Anteil von Frauen, die eine HET in Anspruch nehmen, von 37% im Jahr 2000 auf 6% in 2020 gesunken und stagniert seitdem. Ein Grund dafür ist, dass HET mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert wird – und mangelnde Aufklärung. Das Risiko wird offenbar höher eingeschätzt als es tatsächlich ist. Schaudig: "Diese [Sorge] bezieht sich vor allem auf die im Jahr 2002 publizierte Women's Health Initiative Study, die die Risiken dieser Therapie betonte." Die errechneten Risiken seien jedoch als "seltene Nebenwirkung", wie WHO sie definiert, einzustufen. Auch seien im Jahr 2002 noch Präparate eingesetzt worden, die heute nicht mehr verwendet würden. "Es hat Jahre gedauert und eine Fülle von Daten gebraucht, bis man zu dem Schluss kam, dass heutzutage für die meisten Frauen die Vorteile einer HET die Risiken überwiegen", sagt Katrin Schaudig. Die Mehrzahl der Gynäkologinnen selbst, weiß Katrin Schaudig, entscheidet sich für eine Hormontherapie in den Wechseljahren. Das liege daran, dass sie deutlich besser informiert seien als Ärztinnen anderer Fächer oder als Frauen, die über keinen medizinischen Hintergrund verfügen.
Eine gute Beratung ist daher das A und O, wenn sich Wechseljahresbeschwerden einstellen. Mit der passenden Therapie lassen sich die Symptome meistens gut in den Griff bekommen. Natürlich müssen zuvor Risikofaktoren erkannt und abgewogen werden. Auf Hormone zu verzichten, ist in den meisten Fällen aber nicht notwendig.