Seit der Novellierung des Mutterschutzgesetzes von 2018 gibt es Unsicherheiten. Natürlich sind wir froh über den Mutterschutz. Wir kennen die Studie, nach der Chirurginnen in den USA häufiger Fehlgeburten erleiden. Sie machen dort Nachtdienste und die USA haben ein ganz anderes System. Das ist nicht vergleichbar, das wollen wir natürlich nicht. Dennoch haben wir trotz aller guten Absichten jetzt wachsweiche Formulierungen im Gesetz, die vor allem die beaufsichtigenden Behörden dazu veranlassen, sehr häufig ein Beschäftigungsverbot für schwangere Ärztinnen zu empfehlen. Die Behörden sehen sich veranlasst, schwangere Ärztinnen aus Arbeitsprozessen auszuschließen, weil die "unverantwortbare Gefährdung" nicht klar definiert ist. Auch die Sorge, dass eine Schwangere einem gefährlichen Stoff "ausgesetzt sein kann", ist unscharf ausgedrückt.
Wenn also nur ein krebserregender Stoff im Raum steht, etwa im Labor, wird das als Risiko eingestuft. Daraus folgt, dass schwangere Ärztinnen aus dem OP ausgeschlossen werden. Die Behörden sitzen in Verwaltungen und kennen die Abläufe vor Ort in den Kliniken nicht. Das Ergebnis ist ein Überprotektionismus.
Man kann die OP-Zeit auf vier Stunden begrenzen, also Schwangere nur dort einsetzen, wo der zeitliche Rahmen absehbar ist. Keine Notfalleingriffe, weil die schlecht planbar sind und man den Infektionsstatus der Patienten nicht kennt. Immer zu zweit operieren, was allerdings auch größtenteils Normalität ist. Man kann Sitzmöglichkeiten schaffen, der Kollege kann das Lagern übernehmen. Man geht zum Röntgen hinaus. Man bevorzugt bestimmte Anästhesieverfahren. Also banale Regeln, die man ganz einfach umsetzen kann.
Viele möchten sich nicht bremsen lassen. Das Thema betrifft jedoch nun auch schon Studentinnen. Teilweise können sie bestimmte Kurse nicht belegen, die Prüfungen dann nicht machen, wie beispielsweise den Präparationskurs. Das verzögert ihre Ausbildung. Wir sehen seit Jahren, dass der Anteil der Medizinstudentinnen steigt - zuletzt auf über 60 Prozent; davon promovieren auch noch viele. Danach zeigt sich ein Karriereknick bei den Frauen. Sie habilitieren seltener, bekommen seltener Professuren. Ab da überholen die Männer. In den Klinikleitungen der deutschen Universitäten sind derzeit 13 Prozent Frauen. Frauen bekommen genau dann ihre Kinder, wenn die Männer durchstarten – meist in der Zeit als Assistenzärztin.
Auch ich habe diese Bremse erlebt, denn bei meinen Schwangerschaften durfte ich auch nicht mehr operieren. Ich wollte gerne weiterarbeiten. Mein Chef und auch die Klinikleitung haben sich sehr eingesetzt, sogar die Rechtsabteilung war involviert. Doch die beaufsichtigende Behörde blieb bei ihrer Einschätzung, dass eine unzumutbare Gefährdung vorliege.
Diese sind unterschiedlich in den verschiedenen Bundesländern. Mal sind es Gesundheitsämter, mal das Regierungspräsidium. Es gibt leider keine bundeseinheitlichen Standards. Wir sehen auch ein Nord-Süd-Gefälle. Im Süden ist man aktuell restriktiver als im Norden.
Im Rahmen einer juristischen Beratung hat sich ergeben, dass die Behörden nicht weisungsbefugt, sondern lediglich beratend tätig sind. Sie dürfen ihre Meinung sagen, aber es ist die Klinikleitung, die entscheiden kann, inwiefern Schwangere für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden sollen. Ein erstes Feedback von einigen Chefärzten und Chefärztinnen zeigt: Sie unterstützen unser Anliegen und sie freuen sich darüber. Das ist auch verständlich - sie müssen schließlich dafür sorgen, dass die Arbeit gemacht wird. Wenn sie Frauen fördern, haben sie selbst etwas davon. Die Erkenntnis muss sich durchsetzen.
Die Klinikleitungen sollten sich darüber klar sein, dass sie selbst entscheiden können, ob schwangere Ärztinnen weiterhin tätig sein können. Jedes Fachgebiet muss hierbei individuell für sich festlegen, was die schwangere Ärztin in der konkreten Abteilung machen darf und was eben nicht. Ziel sollte es sein, dass schwangere Ärztinnen bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft auch weiterhin weiterbildungsrelevante Aufgaben übernehmen können. Dies ist für den kurzfristigen Umgang mit schwangeren Ärztinnen immens wichtig.
Langfristig kommt jedoch dem Ausschuss Mutterschutz, der beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt ist, eine wichtige Rolle zu. Ziel dieses Ausschusses ist es nämlich, eine technische Regel zum Mutterschutzgesetz zu erstellen, um langfristig die Auslegung des Gesetzes zu definieren und somit sinnvolle und bundeseinheitliche Standards zu gewährleisten. Mein Appell hierbei ist, dass der Ausschuss diese Aufgabe zügig erfüllt.
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