Nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministeriums wird die Digitalisierung in den kommenden Jahren für die Verbesserung und Sicherheit von Therapien, insbesondere in der komplexen Arzneimittelversorgung, erheblich an Bedeutung gewinnen. Mit dem Inkrafttreten des Medizinforschungsgesetzes und der verbesserten Verfügbarkeit von Versorgungsdaten entsteht die Möglichkeit, frühzeitige und systematische Erkenntnisse über bislang unbekannte Risiken von Arzneimittelinnovationen zu gewinnen. Dies gilt insbesondere für Risiken, die zum Zeitpunkt der Zulassung und Markteinführung noch nicht bekannt sind, erläuterte Thomas Müller, Abteilungsleiter für Arzneimittel im BMG, am Donnerstag, auf dem 6. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei der medikamentösen Therapie in Berlin.
Realisiert werden soll dies mit der flächendeckenden Einführung der ePA ab dem kommenden Jahr und dem darin enthaltenen eMedikationsplan. Die Aufgabe sei anspruchsvoll, denn einen Nutzen für die Praxis werden die neuen elektronischen Werkzeuge nur stiften, wenn die dahinter stehenden Prozesse sauber und störungsfrei laufen, so Müller. Von besonderer Bedeutung sei dies für Hochrisikoarzneimittel und Betäubungsmittel.
Dazu gehöre auch, wie praxistauglich und bürokratiearm Risikofragen in elektronischen Fragebögen gestaltet seien. Es wird eine Herausforderung für die Softwaregestaltung sein, den Ärzten nicht zu viele Klicks abzuverlangen.
Einig waren sich die Kongress-Referenten darin, dass Interdisziplinarität eine zentrale Rolle für eine verbesserte Sicherheit bei der Verordnung von Arzneimitteln spielt. Noch nicht befriedigend gelöst sei hier insbesondere die Einbeziehung der ambulanten und stationären Pflege, so die Pharmakologin Prof. Petra Thürmann, die sich intensiv im Rahmen ihrer Gutachtertätigkeit für den Sachverständigenrat im Gesundheitswesen mit Therapiesicherheit befasst hat. Auch Apotheker können dabei wichtige Aufgaben übernehmen – und in diesem Zusammenhang sei die Einführung der ePA in Verbindung mit dem eMedikationsplan ein gravierender Fortschritt.
So sieht dies auch BMG-Vertreter Thomas Müller. Dazu steht auch das geplante Apothekengesetz nicht im Widerspruch. Nach wie vor hält das Ministerium offenbar an seinem von der Apothekerschaft massiv kritisierten Konzept der „Apotheke ohne Apotheker“ fest, in der besonders qualifizierte Pharmazeutisch-technische Assistentinnen den Apotheker weitgehend vertreten können. Dieses Konzept, so Müller, stelle die Arzneimitteldistribution durch Apotheken vor Ort auch bei wachsendem Fachkräftemangel sicher. Es erfordere aber funktionstüchtige digitale Informationsmittel und perspektivisch auch den Einsatz von KI, um die Therapiesicherheit zu gewährleisten und zu verbessern.
Mit den seit 2008 laufenden Aktionsplänen zur Arzneimitteltherapiesicherheit sind aus Sicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft bereits wichtige Fortschritte erreicht worden, so dessen Vorsitzender, der Onkologe Professor Wolf Dieter Ludwig. Wie auch seine Kollegin Petra Thürmann fordert er, dass künftig solche Erfolge auch messbar sein sollten.
Ferner sei es notwendig, insbesondere bei neu zugelassenen Arzneimitteln – ein erheblicher Anteil der Zulassungen basieren dabei auf Studien mit sehr kleinen Populationen – deutlich schneller und bessere Informationen über deren Risiken zu gewinnen. Dies erfordere zusätzlich unabhängige und evidenzbasierte Arzneimittelinformationen.
Eine besondere Herausforderung sieht Ludwig für die Onkologie, die trotz geringer Verordnungsmengen allein für die Arzneimitteltherapie elf Milliarden Euro an GKV-Ausgaben verursacht, fast doppelt so viel wie der ökonomisch zweitbedeutendste Indikationsbereich. Wichtig seien gerade hier spezifische und schnellere Informationen zum Nutzen von Innovationen und deren möglichen Interaktionen mit anderen Arzneimitteln.