Hauptbefund
Zervikal links und ipsilateral am Brustkorb infraklavikulär sowie über der linken Schulter finden sich gruppierte weißliche Papeln auf diskret gerötetem Grund (Abb.1).
Auf Druck besteht eine Dysästhesie bis hin zu leichter Schmerzhaftigkeit. Das übrige Integument erscheint bei Hauttyp V unauffällig.
Diagnose und Verlauf
Vor dem Hintergrund der erkennbaren Trias aus halbseitigen Hautläsionen, gruppierten Pusteln respektive Bläschen auf entzündlichem Grund und der Anamnese aus prodromal beginnender und fortbestehender Schmerzhaftigkeit lässt sich die Diagnose eines Zoster cervicalis et thoracicus stellen.
Der Fall zeigt eine durchaus nicht seltene Kaskade von Fehlinterpretationen des für einen Zoster an sich charakteristischen stadienhaften Krankheitsverlaufes. Nach einer zumeist in der Kindheit aufgetretenen Varizellen-Infektion kommt es zur lebenslangen Persistenz des Varizella-Zoster-Virus in den Spinalganglien des Rückenmarkes. Da die "Windpocken" oftmals inapparent verlaufen, ist die anamnestische Erinnerung der betroffenen Patienten nur bedingt hilfreich.
Die Zweitmanifestation der VZV-Infektion ist Folge des Auswanderns der Viren von den Spinalganglien über die sensiblen Nerven zum entsprechend innervierten Hautabschnitt, dem Dermatom. Die resultierende Neuropathie erzeugt den Zosterschmerz, der etwa sieben Tage vor der Bläscheneruption auftritt. Ist der Halsbereich betroffen, ist in diesem frühen Stadium die Unterscheidung von der muskuloskeletalen Zervikalneuralgie schwierig.
Ein gängiger Therapieansatz ist dann die muskuläre oder paravertebrale Injektionstherapie mit dem Ziel der Analgesie und der Relaxation. Folgen dann die Zosterbläschen, wird dies als vermeintliche Allergie gegen die Injektionsmedikamente gesehen und der Patient dann zur allergologischen Abklärung zum Hautarzt geschickt. Insbesondere im vorliegenden Fall mit einem Hauttyp V nach Fitzpatrick konnten die teils ovalär umschriebenen Läsionen auch an eine Impetigo oder an ein nummuläres Ekzem denken lassen. Ein dunklerer Hauttyp hat eine stärker ausgeprägte Epidermis, und so fehlt der typische Aspekt seröser und durchscheinender Vesiculae (Vgl. Abb. 2). Die Bläschen zeigen einen gelblich-trüben Aspekt und erinnern an Pusteln. Unter Umständen kann bei sekundärer Superinfektion auch Pustelbildung im Sinne der Pyodermie auftreten.
a
b
c
Abb. 2: 69-jährige Patient mit Zoster im Dermatom Th 4 rechts (a, b). Entsprechend des hellen Hauttyps II nach Fitzpatrick ist der pathognomische Befund der gruppierten seriös-klaren Bläschen auf eleviertem Erythem im Dermatom gut erkennbar (c).
Therapie
Gerade im Frühjahr, nach Operationen oder Infekten ist das Auftreten eines Zosters auch bei jüngeren Menschen nichts Ungewöhnliches, obwohl der Altersgipfel jenseits des 50. Lebensjahres liegt. Bei mehrsegmentalem Zoster wie im vorliegenden Fall, bei hämorrhagisch-nekrotischem oder gar vegetierendem Zoster oder bei rezidivierendem Zoster sollte eine Abklärung von Prädispositionen wie Paraneoplasie oder HIV-Infektion erfolgen - entsprechende Untersuchungen waren im vorliegenden Fall unauffällig.
Gelegentlich kann es schwierig sein, Zoster und Pyodermie blickdiagnostisch zu unterscheiden. Dann kann das Routinelabor helfen: Virusinfektionen gehen zumeist mit einer Lymphopenie und mäßig erhöhtem CRP einher. Ausgeprägtere bakterielle Infektionen zeigen eine Linksverschiebung mit Neutrophilie, Leukozytose und deutlich erhöhtem CRP.
Es wurde eine antivirale Therapie mit Brivudin 125 mg/d über insgesamt sieben Tage eingeleitet. Die Schmerztherapie wurde mit Ibuprofen 800 mg 3x/d und mit Pregabalin 75 mg 3x/Tag geführt. Lokal kam Franzbranntwein zur Anwendung.
Es ist wichtig, die Patienten dahingehend zu informieren, dass nahezu Schmerzfreiheit erzielt werden muss, um eine spätere immer äußerst therapierefraktäre postzosterische Neuralgie zu verhindern. Die Patienten sollten auch auf die für den antiviralen Wirkstoff Brivudin erhöhte Zuzahlung von mindestens 30 Euro (beim Originalpräparat sogar 60 Euro) hingewiesen werden, da vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine neue Festbetragsgruppe eingeführt wurde. Dies ist insofern bedauerlich, als dass Brivudin im Vergleich zum weiterhin günstigen Aciclovir nicht nur wesentlich praktikabler hinsichtlich der Einnahme ist, sondern auch eine nachweislich deutlich geringere Belastung für Leber und Nieren verursacht. Zudem wirkt es wesentlich präventiver gegen die postzosterische Neuralgie.
Die Zoster-Impfung mittels Totimpfstoff ist von der STIKO ab einem Lebensalter von 50 Jahren und für bestimmte Risikogruppen mit erhöhtem Zoster-Risiko schon ab dem 18. Lebensjahr empfohlen. Allerdings hilft diese weder gegen den floriden Zoster noch gegen eine bereits bestehende Postzosterneuralgie. Für den Herpes-zoster-subunit-Totimpfstoff besteht keine Kontraindikation bei schwerer Immunsuppression, allerdings sollte die zu erwartende Effektivität im Einzelfall abgewogen werden. Die Vakzine wird zweimal intramuskulär mit sechsmonatigem Intervall injiziert. Man sollte die Patienten darauf hinweisen, dass erfahrungsgemäß mit stärkeren Lokalreaktionen zu rechnen ist. Derzeit ist unklar, ob eine Auffrischungsimpfung erforderlich ist.
Fazit
Bei halbseitiger Zervikal-, Thorakal- oder Lumbalneuralgie sollte differenzialdiagnostisch immer auch an einen prodromalen Zoster gedacht werden. Betroffene Patienten sollten dahin dahingehend beraten werden, auf vesikulöse Hautveränderungen in der schmerzhaften Körperregion zu achten und sich in diesem Fall umgehend wieder vorzustellen.
Die klassische europäische Dermatologie befasst sich bislang ganz überwiegend mit Dermatosen der hellen Haut. Entsprechend der hierzulande ethymologischen Dominanz von Menschen mit den Hauttypen I bis III sind Lehre, Lehrmaterialien und Fortbildungsinhalte dementsprechend auf die Erkrankungen der hellen Haut ausgerichtet. Im Zuge der wirtschaftlichen und kulturellen Globalisierung und der konsekutiven Migration erhöht sich der Anteil von Patienten mit den Hauttypen IV bis VI stetig. Infektiöse Hauterkrankungen finden sich insbesondere im Zusammenhang mit den oft problematischen Bedingungen bei Fluchtbewegungen. Aber auch entzündliche Dermatosen wie Psoriasis, Akne und atopische Dermatitis stellen einen großen Anteil der relevanten Hauterkrankungen dar.
Schließlich gilt es auch, Hautkrebs rechtzeitig zu erkennen. Dabei ist die übliche Blickdiagnose erschwert, denn auf dunkler Haut fehlt z.B. die Korrelation von Hautrötung und Entzündung, und pigmentierte Läsionen sind naturgemäß schwerer zu erkennen. Außerdem treten in Europa bislang eher unbekannte oder exotische Erkrankungen nun häufiger auf.
Auch im vorliegenden Fall unterschied sich der Zosteraspekt von dem bei heller Haut bekannten Hautbefund.